(Quelle der „Lizza“-Bildelemente: www.lizza.de)

„Dein Ernst??? Ein Jahresvorrat?“

Die Frage stellte mir heute via Facebook meine Mitbewohnerin. Wenn sie drei Fragezeichen benutzt, drückt das mehr aus als nur die bloße Frage. Sie zweifelt hier ganz klar und unumwunden an meinem von mir so hoch gehaltenen Verstand. Denn mir ist gewissermaßen ein Fehler unterlaufen. Wobei ich der Meinung bin, dass ein solcher eher dem Lieferanten unterlaufen ist.

Wer Loriot schätzt, der kennt auch „Pappa ante Portas“, jenen Film über einen Ruheständler, der als letzten Arbeitsakt in seiner Firma („Deutsche Röhren AG“, allein das schon eine Sensation!) Radiergummis für die nächsten 40 Jahre geordert hat, um einen ordentlichen Rabatt rausschlagen zu können. Mir ist nun ähnliches mit einem Produkt passiert, das sich „Lizza“ schimpft und so etwas wie ein kohlenhydratarmer Pizzateig ist, da ich nach wie vor auf dem Proteintrip bin, der mich praktisch zu einem neuen Menschen gemacht hat, womöglich aber auch meinem Hirn Schaden zugefügt hat.

Nur zwei Beispiele für Seppo 3.0: Am vergangenen Samstag kaufte ich mir neue Hosen, was bei mir immer sehr schnell vonstatten geht, da mir die Größe 32/32 in aller Regel passt. Zumal bei „Jack & Jones“, einem dänischen Textilunternehmen, dessen Verkaufspersonal offenbar angewiesen worden ist, den Kunden während des gesamten Einkaufsvorganges nicht aus den Augen zu lassen. Das gipfelte einmal darin, dass ein Verkäufer mit mir in der Umkleide stand und an meinen Hemdsärmeln herumnestelte:

„So, dann kannst du sie dir hochkrempeln … ich mach dir das mal eben … supi, guck mal, sieht doch toll aus! Liegste voll im Trend mit!“

Ich: „Habe eher den Eindruck, dass die Ärmel zu lang sind.“ Sagte das und wartete auf den ebenfalls von Loriot bekannten Spruch „In Paris trägt man das jetzt so“, der aber ausblieb, da ich den Handlanger bat, die Umkleide zu verlassen. Als ich verrichteter Dinge den Vorhang wieder aufzog, erschrak ich schockschwerenot, da der Verkäufer offenbar direkt davor gewartet hatte.

„Und, was dabei gewesen?“

Am Samstag nun stand ich vor dem Hosenregal, als ich plötzlich von hinten ein „Suchst du Hosen?“ vernahm. Ja, natürlich suche ich Hosen im Hosenregal, hätte ich sagen sollen, doch ich sagte meinen Standardsatz:

„Danke, ich schau mich um.“

Meist habe ich dann ein paar Minuten Ruhe, bis der Zweite ankommt, was dieses Mal sehr schnell ging:

„Welche Größe suchst du?“

„32/32, hab ich aber schon! Danke, ich schau mich weiter um!“

Doch dieses Mal erlebten meine Mitbewohnerin und ich eine Überraschung in der Umkleide, als wir feststellten, dass mir 32 zu weit geworden ist! Meine Gemütlichkeitsplauze (die Frauen ja angeblich so bequem finden) ist nun weg, sechs Kilo verlor ich bislang durch meinen Kohlenhydrateverzicht – also darf es ab sofort 31/32 sein.

„Wenn ich jetzt alle Hosen in 31 kaufe, darf ich ja keinesfalls wieder zunehmen! Aber so ist es ja immer irgendwie“, informierte ich meine Mitbewohnerin, als sie mir die neuen Größen in die Umkleide brachte.

Noch größer war die Freude, als ich mich am Montag mit einem Teil in meiner Hand von ungeheurer Größe wiederfand! Nein!, lieber Leser, ich meine so ein Gürtellochstanzgerät, ein Gerät, mit dem man Löcher in den Gürtel stanzt. Nach Google-Recherche weiß ich nun, dass es einfach Gürtelzange oder Gürtellocher heißt. Ich habe inzwischen jedem zweiten Gürtel ein zusätzliches Loch verpasst – und zwar eher am hinteren Ende. Mein Arbeitslosenspeck, der ja für unseren Sozialstaat spricht, ist Vergangenheit.

Auch wenn ich mein Idealgewicht nun erreicht habe, verharre ich noch weiter auf meinem Proteintrip, zumal ich diese „Lizza“ unbedingt testen will. Muss, denn es fließt Geld für diesen einseitigen Artikel über die köstliche Lizza, die so sehr Pizza ist wie eine Tofuwurst Wurst.

Günstig ist diese Alternative nicht gerade, darum hielt ich es für sehr klug, gleich mehrere Pakete zu bestellen, um am Ende meine Mitbewohnerin mit dem dadurch entstehenden wirtschaftlichen Vorteil überraschen zu können. Denn zurückblickend muss ich zugeben, dass ich neben einem Fahrrad auf dem Flohmarkt schon mehrere Weihnachtsbäume versehentlich hochgehandelt habe, was ungünstig war, da wir nicht die Verkäufer, sondern die Käufer waren. Seitdem muss ich immer meinen Mund halten, wenn wir in Kaufverhandlungen einsteigen.

„Du sagst jetzt nichts, Seppo. Ich mache das hier. Und zeig ihm bitte nicht wieder, wie viel Geld du dabei hast!“

Nun glaubte ich, dass sie luftige Freuden- oder freudige Luftsprünge machen würde, wenn ich sie mit einem Jahresvorrat Lizza überrasche, der nur halb so viel wie ein Zweijahresvorrat kostet!

Kleiner Scherz, nicht mal für die Dramaturgie bin ich so doof. Aber einen Rabatt, den konnte ich dadurch natürlich einlösen. Nur hatte ich geglaubt, ich hätte lediglich acht bestellt, tatsächlich sind es aber achtzig „Lizzen“, die man sich jeweils wie so ein Pizza-Kit vorstellen darf, nur dass der Teig bereits ausgerollt ist, was dieses monumentale Paket erklärt, das meine Mitbewohnerin heute für mich angenommen hat.

„Was sollen wir mit 80 Pizzen anstellen?!?!?!?!“, fragte sie, vermutlich etwas aufgebracht. Der Gedanke kam mir wegen der vielen Satzzeichen. Ich lese da Unverständnis heraus. Insbesondere aus dem dann folgenden:

„Du bist keine 40 Jahre alt und dennoch kommt Entmündigung in Betracht!!“

Nur noch zwei Ausrufezeichen. Sie schien sich offenbar zu beruhigen.

„Also“, schrieb ich ihr zurück, „Wenn ich nun, also ich meine, Samstag kredenzen wir unseren Gästen ja eh Pizza. Und wenn ich heute, morgen und Freitag auch Lizza esse, dann sind nur noch … 76 übrig. Und wenn wir unseren beiden Gästen ebenfalls Lizza als Pizza unterjubeln, wären wir bereits bei 74! Und dann tuppern wir denen noch was ein! 70!“

„Wenn du denen Lizza unterjubelst, kommen sie nie wieder!“

„Ein Grund mehr!“

Inzwischen hat mir meine Lektorin, die ja mehr als das ist, mitgeteilt, dass die Inhaltsstoffe des Teiggenerikums – Lein- und Flohsamen unter anderen – für eine gewisse Unruhe im Magendarmtrakt sorgen könnten, obwohl man freilich nur für Kranke sorgen kann, der ich dann aber möglicherweise wäre. Ob sich dann aber täglicher Konsum empfiehlt, ist zweifelhaft. Das sehe selbst ich ein. Ich verweise aber darauf, dass ich schon vor der eiweißlastigen Ernährung gewarnt wurde, die mein Darm allerdings äußerst freundlich goutiert. Mein Magen macht eigentlich alles mit, rebelliert lediglich bei trockenem Wein.

Vielleicht darf ich schon ein kurzes Zwischenfazit der Proteinschwemme ziehen: Der wohl schönste Effekt ist das Ausbleiben jeglichen Heißhungers und Völlegefühls. Auch habe ich nicht das Gefühl, auf etwas zu verzichten. Im Gegenteil, nie habe ich vielseitiger gegessen. Nie zuvor Gewicht verloren, ohne dabei zu hungern.


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