Es gibt tatsächlich zehn Regeln für gesunde Ernährung! Ich wusste davon nichts. Ich aß 36 oder 37 Jahre lang ohne Kenntnis von diesem Leitfaden der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Erst jetzt, wo diese Regeln offenbar erneuert wurden, bekam auch ich Wind davon und nun gilt es, meine Ernährungsweise auf das Einhalten dieser Richtlinien abzuklopfen. Zumal ich bereits beim Überflug der Aktualisierung selbstzufrieden feststellen konnte, dass vom Verzehr von vielen Eiern nicht mehr abgeraten wird.

Vorabschicken will ich aber eine Erkenntnis, die sich auf alle Trends anwenden lässt. Ich stelle mir zum einen die Frage, ob jene nun aktualisierten zehn Regeln bis vor Kurzem noch falsch waren und zum anderen, ob sie in zehn Jahren wieder umgeschrieben werden, woraus folgt: Sie sind im Grunde jetzt schon falsch. Empfehlungen wie diese folgen immer Trends und ich halte es mit ihnen so, dass sie im Grunde gegenstandslos sind. Der Mensch hat sich immer dann am besten ernährt, wenn er nicht so viel darüber nachdachte. Ich esse seit zirka einem halben Jahr einigermaßen kohlenhydratfrei. Das tue ich nicht etwa, weil ich es für gesund halte, denn ich weiß schlicht nicht, ob es gesund ist oder nicht. Die Meinungen von Experten gehen da auseinander, aber das ist auch gar kein Kriterium für mich. Ich esse aus anderen Gründen gerne kohlenhydratarm und ich lege es auch meinen Mitmenschen nicht nahe – jeder soll tun, wozu er gerade Lust hat, sofern er keinem anderen dadurch Schaden zufügt. So simpel kann Zusammenleben sein.

Der intensive Verzehr von Hühnereiern galt immer als eine Ursache für einen hohen Cholesterinwert. Mir ist Cholesterin egal, da ich nicht einmal genau weiß, was es ist. Ich behaupte, dass viele, die vor zu viel Cholesterin warnen, das ebenfalls nicht so genau wissen. Aber man lese ja so vieles … Doch leider wird vieles ungeprüft abgeschrieben oder nachgeplappert; ich weiß, wovon ich rede, da ich selbst als Redakteur einer Fernsehnachrichtensendung vieles einfach nur von anderen Medien abgeschrieben habe. So läuft es eben, was es nicht besser macht.

Denn das Ei war nie verantwortlich für den hohen Wert des „schlechten“ Cholesterin. Die seltsame Gesellschaft für Ernährung bestätigt das nun, sodass ich meine täglichen zehn Eier weiteressen kann – mit noch besserem Gewissen: Cholesterin aus der Nahrung wirkt sich kaum aus auf den Blutcholesterinspiegel. Das übrigens dürfte meinen Vater freuen, sofern er meine Mutter dazu bringen kann, diesen nicht mehr ganz so neuen Erkenntnissen Glauben zu schenken.

Zumal sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die Empfehlung der Aufnahme von Eiweiß bislang vernachlässigt worden ist, da die DGE immer riet, ‚reichlich zu Getreideprodukten sowie Kartoffeln‘ zu greifen, also zu Kohlenhydraten. Auch hier bläst die Aktualisierung in mein Horn, denn ich werde in meinem low carb-Trip bestätigt. Übermäßiger Verzehr von Kohlenhydraten fördert Diabetes oder, um es mal etwas deutlicher zu sagen, macht fett. Auch die Erkenntnis war für mich schwer zu verinnerlichen: Es ist nicht das Fett, das fett macht. Auf meinen Fett-Konsum achte ich gar nicht mehr, ich betrachte ihn nicht mehr als den zu bekämpfenden Feind. Abgenommen habe ich, rund zehn Kilo, als ich meine Fettzufuhr erhöhte und auf Kohlenhydrate weitestgehend verzichtete. Die DGE empfiehlt nun auch nicht mehr, wenig fettreiche Produkte zu sich zu nehmen.

Man zahlt aber einen Preis. Es gibt zwar unzählige Variationen von beispielsweise Pizza ohne Kohlenhydrate (also ohne Weizenmehl), die man mit unendlich Käse belegen kann (da Fett eben nicht das Problem ist), aber keine dieser Generika schmeckt auch nur im Ansatz nach Pizza. Der Verlust von Pizza ist für mich am schmerzhaftesten, darüber hinaus empfinde ich allerdings keinen Verzicht. Im Gegenteil: Gemessen an der Biomasse, die ich in mich hineinschaufele, habe ich nie mehr gegessen als derzeit. Jüngst hat eine Variation aus Blumenkohl und Broccoli (mit kiloweise Hackfleisch und tonnenweise Käse) meinen Magen-Darm-Trakt praktisch explodieren lassen, die DGE wäre stolz auf mich gewesen, da sie natürlich auch zu Gemüse rät.

 

Großen Spaß bereiten mir nach wie vor Empfehlungen, die sich auf die zu trinkende Wassermenge beziehen. Die DGE schreibt dazu:

Trinken Sie rund 1,5 Liter jeden Tag. Am besten Wasser oder andere kalorienfreie Getränke wie ungesüßten Tee. Zuckergesüßte und alkoholische Getränke sind nicht empfehlenswert.

Jene eineinhalb Liter habe ich bereits getrunken, bevor ich morgens das Haus verlasse. Wer zur Hölle kommt mit lächerlichen drei Literpfund Wasser aus?!

Den Wahn ums Essen finde ich grundsätzlich grotesk bis nervig. Das klingt aus meiner Hand zunächst einmal unglaubwürdig, da ich sehr kontrolliert esse. Ich belästige jedoch meine Mitmenschen nicht damit, die dieses ja auch nicht lesen müssen. Wenn ich irgendwo zu Gast bin, sortiere ich nicht im Essen rum, um die Kohlenhydrate an den Tellerrand zu befördern. Serviere ich jemandem Fleisch, erzähle ich ihm voller Stolz, dass es sich um abgepacktes handelt, das dreimal um die Welt geflogen wurde und vermutlich mit irgend etwas verseucht ist. Schmecken tut es ja dennoch. Ich verachte nicht nur nicht-wandernde Menschen in Wanderschuhen, sondern auch solche, die beim Bekochen anderer Menschen Dinge sagen, wie

„Das habe ich vom Metzger um die Ecke. Das ist Fleisch aus der Region! Bio!“

oder

„Garantiert gluten- und laktosefrei!“

Ich verachte mit Leidenschaft das Missionieren durch manch Menschen in Sachen Ernährung, weil immer wieder derselbe Fehler dabei gemacht wird: Es werden Trends propagiert, die sich in einigen Jahren ins Gegenteil verkehren. Es wird ohne Ende nachgeplappert, was gerade en vogue ist, damit man sich abhebt vom Dreck fressenden Pöbel, der aber irgendwie auch die gleiche Lebenserwartung hat.

Auf meiner Facebook-Seite habe ich vor einigen Wochen ein Rezept gepostet. Ich meine mich zu erinnern, dass es sich um „Zucchini-Sticks“ handelte, Zucchinis also, die in Speck, Fleisch!!!!!, eingewickelt werden (Das nur nebenbei: Wer nicht auf Gemüse steht, sollte es einfach in bacon einwickeln; schmeckt gut und man nimmt ab.). Es dauerte nicht lang, bis der erste Veganer sich bitter darüber beschwerte: Es könne ja wohl nicht sein, dass man im Jahr 2017 noch Fleischrezepte posten müsse. Das ist an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten, da erheben sich Menschen über andere, weil sie sich für besser halten. Moralisch überlegen stopfen sie sich den Hals mit Avocados voll, für die zwar kein Rind stirbt, dafür aber der Wald in Mexiko.

Nachdem wir die Raucher aus dem öffentlichen Bild weitestgehend getilgt haben, sind nun also die Fleischesser dran, denen von militanten Veganern grundsätzlich fehlende Moral unterstellt wird. Aber gemanscht und gerolltes Tofu wagen sie, „Wurst“ zu nennen!

Für mich ist die Nummer ziemlich einfach: Der Mensch ist natürlich auch Fleischfresser. Das erkennt man daran, dass er – das ist empirisch belegt – Fleisch isst. Dass wir die Umstände der Massentierhaltung massiv überdenken sollte, ist dabei aber klar wie notwendig.