Auch zum Hören:

Ist „Melina“ nun ein schöner Name oder geht er schon in Richtung „Kevin“? Ich bin mir da gerade nicht so sicher. Entscheidend ist wohl, wer diesen Namen trägt, denn diese Melina trägt dazu bei, dass mir der Name gefällt. Doch schöne Frauen, wie Melina es zweifellos eine ist, treffe ich ungern in einer Apotheke.

In diesen Tagen – ich weiß gar nicht, ob ich es mal erwähnt habe – bin ich oft in meiner Stammapotheke. Ihr Geschäftsführer ist Türke und grüßt mich auch außerhalb des Medikamentengeschäfterls. Das muss man erst einmal geschafft haben! Selten einen derart freundlichen, stilvollen Herrn getroffen. So stelle ich mir einen klassischen Apotheker vor. Auch seine Tochter arbeitet bei ihm, wobei ich lediglich unterstelle, dass es seine Tochter ist. Das mache ich an ihrem Kopftuch fest. Tja, ich bin offenbar Rassist. Es könnte natürlich auch seine Nichte sein oder sie in gar keinem Verwandtschaftsverhältnis zu ihm stehen, was aber nicht in mein Bild passt.

Entweder also es bedient mich er oder eben sie. Doch Melina ist neu.

Melina fiel mir schon auf, als ich am Montag beim Arzt war. Das seppolog berichtete. Da saß sie im Wartebereich, während man mir die Krankschreibung ausdruckte. Ich hielt sie für eine Patientin, aber offenbar hat sie eine Medikamentenbestellung entgegengenommen. An sich dürfen Ärzte ja nicht mit einer bestimmten Apotheke zusammenarbeiten, aber aus meiner Zivildienstzeit im Altenheim weiß ich, dass dieses Verbot mit einigen Tricks hier und da unterlaufen wird. Vielleicht war Melina aber auch aus anderen Gründen da, ich kann da nichts unterstellen. Zumal Melina erkältet zu sein schien, wie ich gestern festzustellen glaubte, da sie einen Schal trug und etwas verschnieft war.

Weil mir lebenswichtige Medikamente ausgegangen waren („ACC akut 600“) und ich einen Nasenspray brauchte, ging ich also gestern wieder in meine Stammapotheke, neben der ich praktischerweise wohne. Eine nahe Apotheke ist für mich durchaus ein wichtiges Kriterium bei der Wohnungssuche.

Ich gehe also rein und bin schon gespannt, wer heute das Vergnügen hat, mich zu bedienen. Herr Yilmiz oder seine Tochter/Nichte? Weder noch! Am Tresen steht ein dunkelhaariges Mädchen, wir können auch von „Frau“ sprechen, das ich erst im zweiten Moment als jene Patientin von gestern wiedererkenne. Ich will nicht drumherumreden: Melina ist ausnehmend hübsch. Dunkle Haare, genau mein Fall, dazu eine Nase, die man wohl als „süß“ bezeichnen würde, wobei ich Nasen an sich nicht süß finde, bedenkt man, was da alles rauszukommen vermag. Das aber blendet man beim Betrachten einer Vagina ja auch aus. Außerdem will ich Frauen nicht auf ihre Nasen reduzieren, sondern auf ihre Brüste. Kleiner Spaß – heikel in Zeiten von #metoo.

Angesichts solcher Schönheiten schalte ich direkt um in den Charmeseppo ™-Modus, wie man das von mir kennt. Wobei ich fürchte, dass eine enorme Diskrepanz zwischen meiner eigenen Wahrnehmung dieses Modus und der von außen herrscht.

„Äh, hallo. Ich bin … äh … etwas verschnupft. Ich bräuchte einmal ‚ACC akut 600‘ und einen Nasenspray.“

Ich bin schwer erleichtert, dass ich nicht „Canesten“ benötige, eine Salbe, die unter anderem Fußpilz bekämpft. Was soll ich sagen, als Läufer hat man den gelegentlich. Hätte ich nun wirklich Canesten benötigt, ich hätte aus Verlegenheit was anderes gekauft. „Elmex Gelée“ oder so, völlig unverfänglich. Aber keinesfalls würde ich sagen:

„Guten Tag, was haben Sie denn so gegen Fußpilz?“

Allerdings würde ich mir durchaus gerne diese „Pflegende Fußcreme“ von „Elina med“ kaufen, die auf dem Tresen für einen Euro 89 zu haben ist. Die hab ich schon vor zwei Wochen mal geholt, bei Herrn Yilmiz, der anders heißt. Als Läufer hat man natürlich auch hier und da mit Hornhaut am Fuß zu tun. Was soll ich es groß verschweigen?! Aber Melina muss das ja nicht wissen, also verzichte ich auf die Creme. Doch Melina empfiehlt etwas anderes:

„Bei dem Nasenspray, soll es einer nur zum Abschwellen sein oder darf er auch eine pflegende Komponente enthalten?“

Oh! Damit hat sie mich. „Pfleeeeeegende Komponente“! Das klingt schon fast loriotesk. Der Nasenspray mit pfleeeeeeeegender Komponente! Wie ernst sie selbst das nehmen kann, zeigt sie mit einem verschmitzten Grinsen, als ich sage:

„Ohhh, dann nehme ich doch den mit pfleeeeegender Komponente!“

„Dann also die pflegende Komponente!“, schmunzelt sie.

Es ist ja auch eine groteske Situation. Ich schätze sie auf jünger als mich, aber dennoch irgendwie der gleichen Generation angehörend. Und wir siezen uns. Sie hat angefangen, klar, wird Herr Yilmiz sie so gelehrt haben; natürlich siezt man die Kunden. Doch ich stelle mir vor, Melina abends in der Altstadt zu treffen. Natürlich würde man da deutlich weniger formal miteinander umgehen. Ich sowieso; sobald ich Wein getrunken habe, fällt jede Fassade und ich in den Rhein. Aber jetzt stehen wir beide so da und auch sie wird wissen, wie aufgesetzt die Situation ist. Diese Höflichkeit allein schon! Völlig untypisch. Ich überlege auch, sie zu duzen, denke dann aber an #metoo. Wir Männer stehen ja jetzt unter Beobachtung. Übrigens nicht ganz zu Unrecht, ich mache mich da gar nicht drüber lustig. Im Gegenteil, ich bin etwas schockiert, wenn auch nicht überrascht.

Beim Bezahlen schiebe ich meine EC-Karte zunächst falschherum in diesen Apparat, was zeigt, dass der Charmeseppo ™-Modus etwas ins Straucheln geraten ist und mir jede Souveranität abhanden gekommen. Man steckt die Karten immer auf die gleiche Weise in die Teile, an sich beherrsche ich das Vorgehen. Angesichts Melinas versage ich.

„Moment, andersherum! Ist aber auch schwierig, bei jedem Gerät anders“, versucht sie, die Situation zu retten.

Wie unangenehm, denke ich. Jetzt muss sie mir helfen! Doch es ist meine Methode, die eigene Trotteligkeit nicht zu verbergen, sondern, im Gegenteil, sie hervorzuheben:

„Nein, also eigentlich ist das bei jedem Kartenlesegerät gleich“, entwaffne ich mich, „Ich bin nur sehr, sehr doof.“

Sage und bereue es und bin froh, dass mir nicht gleichzeitig Schnodder aus der Nase rinnt. Wenn jemand mit Schnodder unter seiner Nase einem gesteht, er sei sehr, sehr doof, dann glaubt man ihm das auch sofort. Schnodder im Gesicht macht keinen sehr intellektuellen Eindruck. Schnodder unterstreicht die Doofheit des Doofen auf eindrucksvolle Weise. Das ist biologisch bewiesen: Keine Frau würde mit einem Mann schlafen, der gerade Schnodder unter der Nase hat. Ein evolutionärer Abwehrmechanismus, der die Frau warnt:

Mit dem nicht! Der ist doof! Nachwuchs würde ebenso doof werden.

Nach Verlassen der Goethe-Apotheke, so heißt sie, stelle ich fest, dass Frauen teilweise wirklich faszinierend schön sein können. Es ist dabei nicht einmal das medial geprägte Ideal, das ich meine, sondern irgendetwas, das mich in dem Moment anspricht.

Im Rausgehen sah ich noch Herrn Yilmiz den Verkaufsraum betreten. Ob er Melina wohl gefragt hat:

„Ah, war das wieder der Canesten-Typ?“?!


Ich verbleibe mit dem Hinweis auf meinen Instagram-Account sowie meine Facebook-Seite. Ich würde da aber jetzt nicht von einem Mehrwert sprechen.