Damit der seppolog-Leser künftig die hier erscheinenden Texte besser verstehen kann – vor allem korrekt -, müssen wir heute Abend einige Anpassungen im Sprachgebrauch vornehmen. Ich als Chefautor bin nicht bereit, mich den über Jahrhunderte gewachsenen Gepflogenheiten der deutschen Sprachgemeinschaft anzupassen, da es mir zu anstrengend erscheint. Einfacher ist es doch, wenn der Leser sich mir anpasst und nicht umgekehrt, da ich derzeit auch in wichtigeren Projekten stecke, die meine volle Aufmerksamkeit verlangen, was unmöglich anderen Menschen auch so gehen kann.

Jahrelang habe ich den Begriff „Geraffel“ in dem Glauben verwendet, er bedeute „Umstand“ im Sinne von „Umständlichkeit“. Jahrelang bin ich damit durchgekommen, gab es caine Beschwerden. Bis zum jüngsten Artikel, in dem ich ihn abermals gebrauchte, als ich beschrieb, wie ich einen Sitzplatz in einem ICE der Deutschen Bahn einnahm:

Könnte schwierig werden, meinen Sitzplatz einzunehmen, mindestens jedoch mit einigem Geraffel verbunden sein.

Für mich ist hier eindeutig, was der Verfasser unter „Geraffel“ versteht. Ist es denn vom Rezipienten zu viel verlangt, es mir gleichzutun?! Klingt „Geraffel“ nicht schon nach Geraffel?! Ist „Geraffel“ nicht nahezu lautmalerisch? Das sind rhetorische Fragen, die zu einer weiteren führen: Ist der Leser schlicht zu unflexibel, zu festgefahren? Ein geschätzter Leser nahm sich sogar diese Frage heraus:

Müsste es nicht „Gewürge“ oder so heißen? Geraffel (oder Graffl, wie der Franke sagt) bedeutet „Gerümpel“, nicht „kompliziertes Hinsetzen“.

Er also ist der Meinung, ich habe zum Ausdruck bringen wollen, ich hätte meinen Sitzplatz unter Gewürge eingenommen. Das ist freilich ein kurioses Missverständnis, da ich mich beim Setzen selten in Gewürge ergehe. Wie stellt er es sich vor? Ich setzte mich und würgte dabei, drohend gar, mich zu übergeben?! Ich gestehe aber zu, dass ich auf diese Weise immer gleich zwei Sitzplätze in der Bahn für mich hätte, denn stellte ich mir umgekehrt vor, jemand setzte sich unter Begleitung eines tiefen Würgens neben mich, ich würde meinen Platz vorsichtshalber und umgehend freigeben. Denn Würgen ist nicht selten der Vorbote viel Schlimmeren, nämlich Gobilierens.

Auch meine Lektorin machte mich auf meinen Fehlgebrauch des Begriffes „Geraffel“ aufmerksam, ging aber davon aus, dass es sich bei dem Begriff dann wohl eben um einen Seppologismus handeln müsse, und sie weiß, dass sie bei mir nicht selten gegen Windmühlen kämpft, wenn es um die Korrektur meiner tadellosen Texte geht. Beispielsweise schreibe ich seit drei Jahren das Wörtchen „sooft“ grundsätzlich genau so und damit falsch. Aber auch bei „sooft“ statt „so oft“ sehe ich nicht ein, dass ich mich anpasse: Mitläufertum lasse ich mir nämlich nicht andichten!

Darum ergeht nun heute folgender Erlass, dem ich die falsche Defintion des „Geraffels“ des Duden voranstelle:

So verstehe ich „Geraffel“ eben nicht. Ich verstehe „Geraffel“ als Geraffel und werde es auch künftig und jetzt erst recht genau so, also als Geraffel, verwenden. Damit man mir das nicht als Fehler ankreiden kann, erkläre ich nun hiermit kraft meines medialen Vermögens, die Agenda zu setten, dass folgende Begriffe mit Gültigkeit des Geburtstages meines Neffen und meiner Nichte, heute also, keine Synonyme mehr zu Geraffel sind:

Klimbim, Kram, Plunder, Schnickschnack, Tand, Tinnef, Zeugs.

Das sind sieben Begriffe, die dasselbe meinen, sodass ich behaupte, dass ein achter Begriff nun wirklich nicht nottut, sondern eher Verwirrung stiftet. Wer von Klimbim sprechen möchte, der hat also ganze sieben Begriffe, um das zum Ausdruck zu bringen. Geraffel hingegen ist übrig und kann somit von mir umgedeutet werden und ich erwarte, dass sich der deutsche Muttersprachler und alle anderen, die das Deutsche lernen, sich danach richten. Ich bin sicher, dass ich mich keineswegs überschätze und den Bezug zur Realität nicht nur nicht verloren, sondern überhaupt erfunden habe!

Und man möge doch auch an mein Privatleben denken: Meine Mitbewohnerin und ich benutzen den Begriff „Geraffel“ nicht gerade selten und beide verstehen wir ihn richtig als „Umstand“. Wenn nun die Welt um uns herum meint, den Begriff umdeuten zu müssen, kann das in der Beziehung zu meiner Mitbewohnerin zu schweren Verwerfungen führen, dann nämlich, wenn nur einer von uns beiden die falsche Bedeutung („Klimbim“) übernimmt – meine Mitbewohnerin und ich liefen Gefahr, aneinander vorbei zu reden: Im schlimmsten Falle wäre eine Trennung die unvermeidliche Folge und sicher nicht im Interesse – hier schließt sich zufällig ein Kreis – der seppolog-Leser, die dann nämlich auf die zweite Hauptfigur (nach mir) hier im heiteren Blog verzichten müssten. Und so eine Trennung, die wäre mit einigem Geraffel verbunden, das passte mir derzeit nicht in den Kram.

„Kram“, da sehen wir es doch. Korrekt angewandt braucht es gar kein Synonym wie „Geraffel“. Wie läse sich denn andernfalls jener Satz? So:

Und so eine Trennung, die wäre mit einigem Gewürge verbunden, das passte mir derzeit nicht in das Geraffel.

Hier wird nun auch der kritischste seppolog-Leser feststellen, dass wieder einmal ich im Recht bin. Es scheint sogar natur-/gottgegeben zu sein, dass „Geraffel“ keinesfalls „Kram“ bedeuten kann. Obiges Beispiel entlarvt rund 105 Millionen Deutschsprechende, die bislang falsch gesprochen haben.

Doch das seppolog lässt seine Leser, die einem epischen Irrtum erlegen sind, nicht allein. Gemeinsam werden wir nun in den kommenden 1.000 Artikeln das Wort „Geraffel“ üben. Ganze Artikelserien werden sich nur um diesen Begriff drehen und neue Figuren eingeführt, die das Wort nicht nur besonders häufig benutzen, sondern auch einiges an Geraffel verursachen. Beispielsweise der Herr von Gegenüber, der vor Kurzem in unserer Straße eingezogen ist. Schon bei seinem Umzug ging einiges schief, womit er ein enormes Geraffel verursacht hatte. Herr Gradwegs ist eben kein geradliniger Mensch, sondern hinterlässt stets eine Spur von Chaos, von Geraffel. Ich bin sicher, mit ihm werden wir noch viel Spaß haben, hier im seppolog.

Ich danke für die Aufmerksamkeit. Hilfreich ist es vielleicht, sich das Wichtigste aus diesem Text noch einmal gesondert und handschriftlich herauszuschreiben, um den Lerneffekt zu optimieren. Damit Sie auch in Zukunft wissen, was ich meine.