Mein Kumpel Pavel und ich unterscheiden uns in einer Sache sehr grundlegend: Er hat einen wahnsinnigen Erfolg bei Frauen, ich hingegen bei einer Frau. Zum Glück – Zufälle gibt’s! – handelt es sich dabei ausgerechnet um jene Frau, die ihrerseits große Erfolge bei mir feiern konnte.

Überhaupt war es zu Jugendzeiten etwas enervierend, einen besten Freund zu haben, der großer Frauenheld war, selbst aber immer den Kürzeren zu ziehen.

Oh, ich muss kurz unterbrechen, der Fahrkartenkontrolleur möchte meine Fahrkarte in Augenschein nehmen. Üben wir uns also in Geduld. Er ist gerade noch mit meiner Sitznachbarin beschäftigt. Sie hat wie ich ein Handyticket. Ah, ich bin dran.

Das hat nun lange gedauert. Der Schaffner nahm den Vorgang ernster als die meisten seiner Kollegen. Ohne Grund hatte ich ein schlechtes Gewissen, während er mir Start- und Zielpunkt meiner Reise vortrug. Ich fühlte mich wie in einer Polizeikontrolle. Ich werde ja schon nervös, wenn ich die Polizei nur sehe, weil ich immer fürchte, gegen ein Gesetz verstoßen zu haben. Das soll uns aber nicht weiter ablenken, denn es geht ja um

Pavel. Naja, an sich geht es hier immer um mich, was will ich Ihnen vormachen?! Aber es gab eine Zeit, in der Pavel

Ich kann die ganze Pavel-Scheiße nicht mehr hören. Wir wechseln das Thema. Das ist mir alles zu pavellastig heute. Eine Last mit diesem Mann!

Es ist Mittwoch, und wie Sie bereits angedeutet bekommen haben, sitze ich in einem Zug. Dass ich sitze, ist eine sehr zweckdienliche Sache, da ich auf diese Weise nicht ins Schwanken geraten kann. Denn heute schwanke ich permanent, sobald ich stehe oder gehe. Mein Gleichgewichtssinn ist offenbar temporär aus dem Gleichgewicht geraten, was ich zum ersten Mal an diesem Tage bemerkte, als ich um sechs Uhr durch das Treppenhaus zur Küche torkelte, um mir zwei Tassen mit Kaffee zu befüllen. In der Kurve des Treppenhauses vergaß ich abzubiegen und geriet auf die Weise mit meiner rechten Körperseite gegen die Wand. Sofort war mir klar, dass mir das beim Hochgehen samt zwei Tassen Kaffees nicht passieren darf. Und zu Ihrer Enttäuschung ist es auch nicht passiert. Es geschah allerdings oben angekommen, weil ich eine auf dem Boden schlafende Hantel übersah. Man macht sich caine Vorstellungen davon, wie schmerzhaft das Laufen gegen solches Eisen sein kann. Die Oberseite meines rechten Fußes ist von einer Narbe dekoriert – Folge eines ganz ähnlichen Sturzes vor ein, zwei Jahren. Heute lief es glimpflicher ab und ich habe auch im Ganzen nur eine Tasse Kaffee dabei verloren.

Zweimal wanken? Da wurde ich skeptisch, versank aber in der Lektüre einer Zeitung und dachte erst wieder über diese Instabilität nach, als ich in der Dusche ein drittes Mal wankte. Doch hier mache ich mildernde Umstände geltend, da es geschah, als ich meinen rechten Fuß anhob, um ihn ausführlich mit Duschgel zu umwerben. Ich krachte gegen die Wand, zum Glück nicht gegen die Glastür, die sich öffnend nachgegeben hätte, wie ich sie kenne.

Leicht lädiert, aber sauber, setzte ich die Alltagsroutine fort.

Warten Sie. Wir müssen den Plan ein weiteres Mal ändern. Ich bin in diesem Moment schlagartig von mir selbst so dermaßen über alle Maßen gelangweilt, dass ich beschlossen habe, ein Nickerchen einzulegen. Mir ist bewusst, das ist unhöflich, da Sie ja sicherlich einen hochspannenden Text an dieser Stelle erwartet haben. Aber ich tue mich schwer mit dem Konzentrieren und irgendwie kommt der Kaffeelieferant nicht an meinem Platz vorbei. Wenn ich jetzt aber schlafe, verpasse ich ihn, sollte er doch noch Heißgetränke feilbieten. Schlafe ich hingegen nicht, kommt er erst gar nicht vorbei. So gesehen komme ich wohl nie an meinen Kaffee, geseiesdenn, ich holte ihn mir in Wagen 25, im Bordbistro, selbst. Aber! Das Gleichgewicht! Auch noch im Zug! Also werde ich selig schlafen. Wenn Sie also Ihre Geräuschkulisse auf das Nötigste beschränken würden? Ich setze den Text dann später oder morgen fort. Nein, wissen Sie was? Ich werde lesen. Schlafen kann ich später, wenn ich ohnehin im Bett liege. Also dieser Wankelmut heute ist ja kaum zu ertragen. Ich wanke offenbar nicht nur körperlich. Ach, wissen Sie noch was? Ich schreibe den Text schnell zuende. Da haben wir alle was davon. Denn angenommen, ich setzte mich morgen an diesen unfertigen Text, würde ich ihn sicherlich gar nicht fortsetzen, weil mich das Ausmaß seiner Irrelevanz möglicherweise schockieren würde. Also, reißen wir uns alle noch einmal kurz zusammen und bringen wir den Epilog nach Hause! Oh, seppolog, Epilog. Sieh an, war mir nie aufgefallen! Und während ich den vergangenen Satz schrieb, hätte ich mich vor plötzlichem Lachen fast am eigenen Sperma verschluckt: Meiner Sitznachbarin ist gerade ein kleines Missgeschick passiert. Meine Mitbewohnerin würde es eine Slapstick-Einlage nennen. Überhaupt, immer wenn ich mal stolpere, sagt sie: „Lass die Slapstick-Einlagen!“ Wie dem auch sei, wegen des Missgeschicks meiner Sitznachbarin musste ich plötzlich lachen, weil es so albern aussah. Ich will Sie nicht mit Einzelheiten belasten. Sie hätten dabeigewesen sein gemusst. Nein, das klingt falsch. Großer Gott, jetzt verlässt mich auch noch die Geisteskraft. Es tut mir leid, nicht mein Tag. Sie hätten dabeisein gewesen gemusst? Sie hätten dabeisein gemusst? Nein, auch nicht. „Gemusst“ gibt es nicht. Oder? Grundgütiger, ist das ein Schlaganfall? Erst das Wanken, nun diese totale Kapitulation des Geistes? Sie hätten dabei sein müssen. Gemüsst. Ich weiß es nicht. Bitte helfen Sie mir in den Kommentaren, Sie merken:

„Es ist nicht mehr viel“, wie eine geschätzte Freundin sagen würde.

Ich stelle gerade fest, dass sie das oft sagt. Und meist im Zusammenhang mit mir! Also da werde ich doch direkt mal nachdenklich. Es ist nicht mehr viel. Aber war es jemals mehr?

Später des Tages war es an mir, mich auf eine Bordsteinkante zu setzen. Ich bin jemand, der sich immer setzt. Ich sitze auch am Bahnhof nicht selten einfach mal auf dem Boden, weil ich das Bodensitzen als ausgesprochen komfortabel empfinde und überdies als unterschätzt. Und eine Bordsteinkante ist zweifellos der Thron unter den Stühlen. Obwohl das natürlich dem Thron vorbehalten ist. Also ist der Vergleich absoluter Bullshit.

Also, ich bewegte meinen Podex durch Einknicken der Knie nach unten mit dem Ziel: Bordsteinkante.

Ach, albern. Wen bitte interessiert es, dass ich mich auf eine Bordsteinkante setzte?! Ja, bla, habe dabei – welch‘ Überraschung! – das Gleichgewicht verloren und fiel unter dem Applaus meiner Kollegen in einen Busch. Das war eigentlich alles. Das war der ganze Aufhänger dieser Geschichte. Ich hätte besser schlafen sollen.

„Es ist nicht mehr viel.“

Oder können wir die Situation noch irgendwie retten? Ich habe Hunger. Großen Hunger. Meine Sitznachbarin isst ein köstlich riechendes Brötchen. Brötchen vermisse ich. Ich esse ja caine Kohlenhydrate. Und jetzt sitzt sie da und isst mir einen vor. Ja, lüüüch ich denn?! Zuhause erwartet mich ein Auflauf, den ich am Sonntag vorgekocht habe. Sonntags koche ich immer für montags und mittwochs. Naja, gut, das ist wirklich ausgesprochen uninteressant. Ich werde lesen. Ich lese derzeit über Gen-Ingenieure. Interessantes Feld, zumal ich überlege, mir ein Zweithirn zu züchten. Dem würde ich dann das Schreiben überlassen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, sofern Sie noch da sind. Ich stehe nun unmittelbar davor, den dritten Artikel an diesem Tag zu veröffentlichen. Das ist übrigens aus klickzahltechnischer Sicht das Dämlichste, was man machen kann. Das allerdings ist mir egal.

Bleiben Sie gesund und humorvoll!

Eigentlich doofer Spruch. Was, wenn jemand bereits krank ist?! Ich stelle mir vor, wie ich jemandem mit schwerer Lungenentzündung treffe und ihm zum Abschied sage: „Bleib gesund!“ Ist doch blanker Hohn. Schweres Unwetter in Hannover. Schon wieder.