Manchmal liest man Dinge – und mit „man“ meine ich wohl mich selbst, denn das Benutzen von „man“ ist eigentlich strengestens verboten, da „man“ verwischt und die Frage provoziert, wer denn eigentlich „man“ sei -, die in einem etwas auslösen. Die mich nicht mehr still im Bett lesend verweilen lassen an diesem herrlichen Sonntagmorgen. Und eigentlich begann es bereits gestern, an jenem herrlichen Samstagabend, als ich eine „Arte“-Dokumentation über Ian Fleming sah, dem Erfinder der Romanfigur James Bond. Und die wiederum stammt erstaunlicherweise aus Bochum-Wattenscheid.

Eigentlich begann mein Synapsenfeuer bereits zu den Weihnachtstagen, als ich wieder einmal die Bond-Filmreihe in Angriff nahm, da ich seit meiner Jugend großer 007-Fan bin. Jene Filme mit Pierce Brosnan gefallen mir am besten, da er meinen Bond am treffendsten verkörpert. Über den derzeitigen Darsteller will ich kaum ein Wort verlieren, da er mit „meinem“ Bond einfach nichts zu tun hat, womit ich ignoriere, dass er der Romanfigur eigentlich am nächsten kommt. Mit den neuen Filmen ist die Reihe dennoch für mich gestorben, mindestens komatös, endgültig tot spätestens dann aber, sollte Bond erstmals weiblich besetzt werden, was mich in Caiten des pervertierten Feminismus (Ich meine nicht den Feminismus, sondern seine pervertierte Ausprägung!) nicht überraschen würde. Jane Bond.

Es sind diese gefühlten Zufälle. Da ziehe ich mir einen Bond nach dem anderen rein (bin derzeit aber erst bei Lanzeby, der im Deutschen dieselbe Synchronstimme wie Connery hat, um dem Zuschauer den Umstieg leichter zu gestalten) und plötzlich läuft bei Arte die passende Doku dazu!

Und es kam, was immer ist in solchen Fällen: Es sind keine Normalos, die in der Lage sind, sich solche Figuren(universen) auszudenken, die ich gnadenlos bewundere und jeder Missgunst unverdächtig beneide. Es gibt so viele Beispiele! Gestern Abend reaktivierte ich nach Fleming mein Nerd-Wissen zu „Les aventures de Tintin“, wohl besser als „Tim und Struppi“ bekannt. Das sind ja nicht nur irgendwelche Comics, nein, das ist ein Zeitspiegel, der die europäische Comic-Erzählweise revolutioniert hatte! Da steckt so viel Rassismus drin, so viel Antikommunismus, dass man die „Reifung“ des Autors im Laufe der Jahrzehnte qua seiner Revisionen einiger Tintin-Bände fasziniert nachvollziehen kann. Neben den Bond-Filmen werde ich mir nun möglichst schnell jeden Tim-Comic wieder reinziehen und mich von der zeichnerischen Detailfülle erschlagen lassen.

Ähnlich geht es mir mit klassischen Kindergeschichten. Kürzlich sah ich „Christopher Robin“. Die Geschichten um Puuh, den Bären, sind so erschreckend simpel! Die Idee dahinter, sie liegt doch so nahe, und dennoch ist nur ein Mensch darauf gekommen (Alan Alexander Milne). Ein paar Tiere mit stereotypen Eigenschaften: der simpel gestrickte Bär, das ängstliche Ferkel, der depressive Esel und so weiter. So einfach kann es sein, so leicht kann Einfachheit zu einer so großen Faszination führen, die der „Disney“-Konzern heute noch ertragreich ausschlachten kann.

„Alice hinter den Spiegeln“ beziehungweise diese „im Wunderland“ ist auch so ein Beispiel, bei dem ich mir denke: Meine Fresse, es ist eine so simple Idee! Das Wunderland als grenzenlose Welt der Fantasie, in der alles möglich, alles erzählbar ist! Muss man ein Genie sein, damit einem das einfällt?!

Vielleicht. Ich bin sicher, es fliegt einem zu. Oder eben nicht. Sowas denkt sich niemand aktiv aus, so etwas ist plötzlich da im Geiste. Aber wie löst man einen solchen Geistesblitz aus?! Es ist mir ein Rätsel.

Und nun lese ich heute an diesem herrlichen Sonntagmorgen in der „Zeit“ ein Interview unter der Überschrift „Asoziale sind am produktivsten“. „Asozial“ ist hier natürlich im eigentlichen Wortsinne zu verstehen, es geht freilich nicht um Asiehs/Assis/Asies, sondern um solche, die sich leicht abseits der medial propagierten Norm verhalten.

„Die Zeit“ spricht mit Norbert Bolz, einem Medienforscher an der TU Berlin, über Kreativität. Zwei Sätze dabei führten dazu, dass ich mich auf meinen Pezziball gesetzt habe, um dieses zu schreiben. Vorab erlaube ich mir aber ein Selbstzitat aus meinem 500. Beitrags dieses einen langsamen Tod sterbenden Blogs:

Denn Kreativität ist nicht demokratisch, und sobald über Ideen diskutiert wird, ist der erste Schritt hin zum Kaputtreden bereits getan. Kreativität ist eben Versuch und Irrtum und kann nicht geplant werden.

Und dann lese ich heute eben dieses:

Schlimmer aber ist der Glaube, dass Menschen in Gruppen kreativer seien als allein. Teamarbeit hat ihre Stärken, ganz klar, aber wenn es um große, neue Ideen geht, ist sie absolut ungeeignet.

Norbert Bolz, in oben genanntem Interview

Wie ich mich da wiederfand! Denn diese Erfahrung habe ich vor vielen Jahren machen müssen, als ich Teil eines extrem kreativen Teams war, in dem es jedoch dominierende Mitglieder gab, die, wenn auch unbewusst, den Ton angaben und einordneten, was als gut und was als schlecht zu gelten hatte. Nach Bolz sei genau das das Problem an Teams: die Rangordnung, die bei uns damals durchaus informell war.

Ich hatte schnell für mich Konsequezen gezogen und meine Ideen, die freilich nicht alle supi waren, sondern manchmal ziemlich übelst, ohne Ankündigung und Absprache im Alleingang durchgezogen, weil ich wusste, dass wenn sie bestimmten Personen im Vorfeld missfielen (womöglich, weil sie sie einfach nicht verstanden), sie kaputtgeredet würden, bis ich keine Lust mehr auf ihre Umsetzung gehabt hätte. Nebenbei erwähnt war dieser Blog eine Folge meiner damals neuen Haltung: Ich wusste, dass wenn ich’s alleine durchziehe, ich mir Stunden des Laberns erspare, das alles nur problematisieren würde. Der Erfolg, der unbestritten da war, wenn auch von eben erwähnten Alphas seltsam missgünstig kleingeredet, gab mir Recht und so schreibe ich nach dreieinhalb Jahren noch immer an dieser Stelle. Kreativität braucht diesen Freiraum. Es geht Kreativität mitnichten darum, es irgendjemandem rechtzumachen. Es geht um den Versuch des Neuen, der natürlich scheitern kann. Aber dieses potenzielle Scheitern muss ich ja nicht noch herbeireden.

Die besten Dinge gelangen mir stets, wenn ich alle Widerstände ignorierte und eben nicht auf „die anderen“ hörte. War ich mir meiner Ideen sicher, habe ich sie einfach dikatorisch durchgezogen – und meist lag ich richtig. Über Kreativität stimmt man nicht ab. Schon gar nicht unter Kleingeistern.

Im Sinne des erwähnten Interviews bin ich also der Asoziale, was ich aber vorher schon wusste. Ich weiß, dass ich mich abseits der Norm bewege. Meine neunjährige Nichte sagte am Heiligen Abend zu mir:

„Ich muss immer lachen, wenn du was sagst, aber ich weiß gar nicht, warum. Du sagst es immmer so komisch!“

Das habe ich schon sehr oft in meinem Leben gehört. Es war jedoch das erste Mal, dass es von einem Kind kam. Das war überraschend für mich, auch wenn ich aufgrund einer vielleicht viel zu ausgeprägten Selbstreflexion (Ist „Reflexion“ nicht immer aufs Selbst gerichtet?!) durchaus weiß, dass ich ein etwas untypischer Onkel bin, was für eigentlich jede soziale Rolle gilt, die ich im Leben einnehme. Das ist nur manchmal eine bittere Erkenntnis. Leichter macht einem das den Alltag überhaupt nicht, es schärft aber den Sinn für Dinge, die anderen entgehen. In dieser Hinsicht mag ich asozial sein, doch hat die Wirtschaftswissenschaft längst das Potenzial der Introvertierten zumindest in der Theorie entdeckt. Und sie sind gar keine so kleine Minderheit … es ist nur nicht ihre Zeit.

Seit Monaten warte ich auf jeden Geistesblitz, der mir Geschichten ermöglicht, die mich und vielleicht auch manchen Lesern faszinieren können – beim Schreiben und beim Lesen. Denn das Hochgefühl beim Niederschreiben eines wirklich gelungenen Textes kenne ich. Sobald ich im Fluss bin, merke, es ist gut, es ist guuut, Seppo!, werde ich hibbelig und bekomme enorme Schweißausbrüche und spüre, dass ich mit dem Tippen der Wörter den viel schnelleren Gedankengängen nicht folgen kann, woraus eine unerträgliche Ungeduld entsteht. Und dieses Gefühl hatte ich heute auch beim Lesen jener zwei Sätze aus dem Interview, deren zweiten ich Ihnen noch schuldig bin:

Keine große Idee wurde jemals in einer Konferenz geboren, aber eine Menge tollkühner Ideen sind dort gestorben.

F. Scott Fitzgerald

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Start ins neue Jahr verbunden mit der Hoffnung, wieder mehr Zeit zu haben, hier zu wirken. Demütig bedanke ich mich für das eifrige Lesen meiner Texte im ablaufenden Jahr. Manch Treue freut mich überaus! Und bitte böllern Sie! Ich kann den Scheiß mit dem Abschaffen des Böllerns nicht mehr hören! Was kommt danach? Das Verbot von Weihnachtsbäumen?! Diese beschissene Überkorrektheit ist nicht mehr zu ertragen! Große Probleme werden nicht angegangen. Stattdessen serviert uns ein CSU-Trottel eine Maut, die keiner wollte, während wieder irgendwoe Tempo 120 auf Autobahnen gefordert wird. Ich selbst böllere übrigens nie. Aber ich will weiterhin die Möglichkeit dazu haben! Ich bin nur um zwölf nicht mehr ein Mensch, der mit Sprengstoff hantieren sollte!

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