
„Morgeeeeeeeeeen“ ist die traditionelle, schriftliche Begrüßung zwischen Sabrina USA, einer in den USA lebenden Freundin, die Sabrina heißt, und mir. Sie ist nun im achten oder neunten Jahr in „den Staaten“, wie man so sagt, und der Kontakt will einfach nicht abreißen. Gesehen haben wir uns in dieser Zeit ganze drei Mal. Klingt wenig, aber andere in Deutschland lebende habe ich noch seltener gesehen. Zum Glück. Aber darum soll es hier gar nicht gehen.
„Morgeeeeeeen“, das klingt nach Euphorie, das klingt nach einer offenen Körperhaltung angesichts eines neuen Tages. Und mit einer ähnlichen Erwartungsfreude hat manch einer den Silvesterabend verlebt, haben so viele 2020 voller Verachtung in den Hintersten getreten, um am nächsten Morgen, Neujahr, feststellen zu müssen, dass plötzlich auch noch die Supermärkte geschlossen haben. Die grassierende Beulenpest ist wider Erwarten nicht von einem auf den anderen Tag verschwunden und womöglich werde ich mir auch im Februar noch keine neuen Hosen kaufen können, was langsam zum Problem wird, da ich unter dem entsprechnenden Mangel leide und Hosen (noch) nicht online kaufe.
Die Weihnachtszeit in Kombination mit den Tagen „zwischen den Jahren“ stellt meinen persönlichen Jahreshöhepunkt dar, einem Rausch gleichsam, auf den Punkt erster Januar ein Kater folgt, wobei ich nicht den alkoholbedingten meine. Schlagartig ist jede Besinnlichkeit verflogen, die freien Arbeitstage (die damit eigentlich keine Arbeitstage sind, sondern einfach Tage) vorüber und das nicht winterliche Wetter unterstreicht eine gewisse Trübseligkeit.
Hoffnungslosigkeit.
Verderben.
Elend.
Tod.
Gestern, was der Samstag war, haben meine Mitbewohnerin und ich bereits unseren Weihnachtsbaum entsorgt, dessen Pracht Ausdruck meiner Liebe zu Weihnachten ist. Doch es ist dieselbe Pracht, die mich nun schlagartig nervte. Dieses Jahr war der Baum derart groß geraten, dass wir das Wohnzimmer nur durch die Tür des Arbeitszimmer erreichten – die andere war im Grunde versperrt. Und auch der Baum hatte gewissermaßen einen Kater: Er war komplett ausgetrocknet. Er strahlte aus:
Hoffnung.
Verderben.
Elend.
Tod.
Meine Mitbewohnerin und ich hatten ein ziemlich anstrengendes Silvester, da wir uns zusammen mit unserem Star-Gast Sandra bereits am Abend des 30. hoffnungslos betranken. Was in jugendlichen Jahren für mich nie ein Problem war, ist es inzwischen sehr wohl: Die Überwindung, am eigentlichen Tag des Anlasses, also am Silvesterabend, überhaupt noch Alkohol zu trinken, war sehr kraftraubend, steckte mir der vorige Abend doch noch sehr in den Knochen. Mir war aber klar, dass Widerstand zwecklos war und so ergab ich mich von Vornherein dem Schicksal und staune, wie lange ich durchgehalten habe – und vermutlich war ich erst am zweiten Januar wieder nüchtern und zurechnungsfähig. Aber ich glaube, ich habe mit „Licor 43“, dem „43er“, einen neuen Freund gefunden, jedes Maß allerdings hingegen verloren …
Um politisch nicht korrekt zu sein, schenke ich mir die Anmerkung, dass Alkohol schädlich ist, denn das weiß man gemeinhin, und meine Leser sind erwachsen. Gegen einen deftigen Rausch ist nichts zu sagen. Das „Feierabendbier“ hingegen lehne ich ab und zu einem guten Essen gehört bei mir kein Wein, sondern schlicht Wasser, was auch für ein schlechtes Essen gilt. Alkohol schmeckt mir nicht. Ich meine, pur sowieso nicht. Aber auch seinen vielfältigen Dareichungsformen ziehe ich schlichtes Wasser vor. Wenn ich ihn trinke, dann mit einem klaren Ziel und ich wage die Behauptung, dass niemand Alkohol konsumiert, der dieses Ziel nicht verfolgt. Das halte ich für eine vollkommen überflüssige Scheinbehauptung. Die es gar nicht braucht, denn der Mensch hat schon immer den Rausch gesucht. Ich finde meinen Im Schreiben, im Sport oder eben zusammen mit Capitano Morgain …
Der allerdings kommt bei mir nie zwei Tage am Stück vor, da ich diesen Raubbau am Körper ausgesprochen skeptisch bewerte.
Einige Leser wissen das Folgende, da ich es nicht verschweige, wenn auch nicht offensiv heraushängen lasse. Ein Achtel meines Lebens besteht aus Sport. Klingt wenig, sind aber drei Stunden pro Tag. 2020 war ich an 240 Tagen laufen („joggen“) und habe an 264 Tagen Krafttraining betrieben. Wer, wenn nicht jemand mit diesem Sportpensum, darf sich mal einen ordentlichen Rausch erlauben?! Ich schmunzele immer über die Sportcracks, die den Alkohol so verdammen. Mir ist klar, dass er dem Traingseffekt temporär ein wenig im Weg steht, aber nochmal: Wenn der Sportliche sich ihn schon verkneift – was soll denn dann sich die faule Alltagskartoffel erst alles verkneifen?! Und natürlich gilt: Niemand muss Alkohol trinken. Und natürlich kann Alkohol auch zu Alkoholismus führen. Hatte kurz überlegt, dass allein des Gags wegen mit Laktoseintoleranz und Milchkonsum zu vergleichen, aber irgendein Betroffener wäre dann sicher ganz betroffen, zumal Alkoholismus zu Tode führen kann, Laktoseintoleranz hingegen zu Durchfall.
Zwei Tage Rausch hintereinander – für mich ein Debakel und Grund für ein massiv schlechtes Gewissen. Ich habe keine klassischen Katersymptome, darum geht’s mir gar nicht. Weder ist mir übel, noch habe ich Kopfschmerzen. Aber mir ist durchaus klar, was mein Körper da innerhalb von nicht ganz 48 Stunden (sehr lustigen Stunden übrigens, denn eines kann ich Ihnen sagen: Mit Alkohol ist alles noch viel lustiger als ohne schon! Versuchen Sie es einmal! Vergessen Sie den Quatsch mit „Ich kann auch ohne Alkohol lustig sein“. Zum einen finden Ihre alkoholtrinkenden Freunde das ganz und gar nicht und zum anderen sind Sie mit ja noch vieeeel lustiger!) ertragen musste. Dass mein Gehirn danach nur noch halb so groß ist, ist mir ebenfalls klar. Nach diesen zwei Tagen galt für mich: Aufbauarbeit ist angesagt. Ich erhöhe mein Sportpensum um wiedergutzumachen.
Einen Neustart in das neue Sportjahr ist am Ende auch genau mein Mittel gegen den anderen Kater. Neues Jahr, neue Trainingsmaßnahmen. Ich erhöhe die Gewichte und verringere meinen eigenen Körperfettanteil, um „gestählt“ ins neue Jahr zu starten, um zur Hochzeit des Laufens, im Frühling, topfit zu sein, denn der Frühling ist bei mir immer die Zeit der Rekorde. Ich werde Ende dieser Woche ins Ringe-Training einsteigen, um neue Impulse zu setzen, damit mein Körper nicht auf die Idee kommt, die motorische Entwicklung sei bei ihm abgeschlossen. Und vage kann ich schon davon ausgehen, noch in diesem Jahr über einen eigenen Parkour-Park zu verfügen. Ich treibe meine Motivation, die ab Herbst (vermutlich wetterbedingt) sich eher diesseits ihres Maximums bewegt, wieder nach oben, denn das Ziel ist klar: Im Frühjahr will ich abermals die Gewichte erhöhen.
2021 werden sich wieder einige weitere Dinge ändern, aber so ist das eben, die Zeit steht nie still.
Das seppolog wünscht einen guten Start ins neue Jahr, das immerhin den Beginn eines neuen Jahrzehnts markiert. Werden es wieder goldene Zwanziger?
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