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Es ist eine diffizile Angelegenheit, hier jetzt heiter über Schrumpfhoden zu schreiben, da nicht ausgeschlossen ist, dass ich am kommenden Montag nach meiner Leistenbruch-OP unter genau diesem Phänomen leiden könnte. Dazu später mehr; ich knüpfe zunächst an mein Karstadt-Abenteuer an.

Nachdem ich die Gedanken an die Unterhöschen der südländischen Damen verdrängt hatte – ich gehöre weißgott nicht zu denen, die es überhaupt nur in Betracht ziehen, sich an Unterwäsche aufzugeilen -, konnte ich also meinen Termin beim Anästhesisten wahrnehmen, der mich innerhalb von vielleicht acht Minuten über die Risiken einer Vollnarkose aufgeklärte. Zu diesem Zeitpunkt konzentrierte ich mein Sorgenpotenzial noch voll auf diese totale Narkose, da ich ja noch nicht vom Schrumpfhoden gehört hatte. Um es kurz zu machen: Die Wahrscheinlichkeit, dass die temporäre Narkose zu einer ewigen werden könnte, liegt niedriger als die, auf dem Rückweg vom Arzt von einem Klavier erschlagen zu werden. Vermutlich ist das das Standard-Beispiel meines Anästhesisten, um die Wahrscheinlichkeit der ewigen Narkose zu verdeutlichen und überhaupt leierte er seinen Text so gekonnt ‚runter, dass klar war, dass er das mehrmals am Tage tut.

Zu meinen Schwächen gehört, dass ich nie Bargeld bei mir führe. Aber das Karstadt-Parkhaus, in dem mein Automobil auf mich wartete, akzeptiert ja wie an der Einfahrt versprochen EC-Karten. Eine weitere Schwäche meinerseits ist, dass ich mein Auto oft nicht wiederfinde. Aus diesem Grund mache ich gerne mal ein Foto von der Parkplatznummer. Nun verhält es sich aber so, dass das Karstadt-Parkhaus – möglicherweise auch auf Geheiß Nicolas Berggruens – renoviert wurde. Breitere Stellplätze und ein neuer Anstrich. Dabei wurden leider auch die Nummerierungen überstrichen und (noch) nicht erneuert. Ich kam ins Grübeln, da ich nicht einmal mehr wusste, in welcher Etage ich überhaupt stehe. Viel ärgerlicher war dann aber der kaputte EC-Kartenzahl-Automat, sodass ich kurzfristig noch Kunde bei der ich glaube spanischen Santander-Bank mit Sitz in Mönchegladbach wurde. Ich bin deshalb Kunde der Sparkasse, weil es zum einen angenehm spießig ist und zum anderen es doch von deren Geldautomaten nur so wimmeln soll. Weit gefehlt, ich musste also eine Gebühr auf die Transaktion zahlen. Also wieder zurück zum Parkhaus, wobei ich die Straßenseite wechselte, als ich am Musikinstrumenten-Geschäft vorbeikam.

Der Parkhaus-Automat klärte mich nach Zahlung darüber auf, dass ich 15 Minuten Zeit hätte, das Parkhaus zu verlassen. An sich kein Problem, wenn man weiß, wo das Auto steht. Mein Plan war, mich von unten nach oben vorzuarbeiten, immer den Schlüssel-Türöffner in die Höhe haltend und drückend bis ich irgendwo ein „Klack“ höre. In E3 war es dann soweit, mir bleiben noch drei Minuten, das Parkhotel zu verlassen. Dabei sah ich dann auch die Nummerierungen, die nun offenbar auf den Boden gekleistert waren, was man natürlich nicht sehen kann, wenn das Auto darauf steht.


Heute Termin zum OP-Vorgespräch. Um meine Wartezeit zu überbrücken, durfte ich mir einen Informationsbogen durchlesen, der mich über die Risiken einer Leistenbruch-OP aufklären sollte. Da ich die OP so oder so machen lasse, überflog ich den Text nur, bis ich auf den Begriff „Hodenschrumpfung“ stieß, der natürlich fett gedruckt war:

„Nach Verletzung von Blutgefäßen […] kann der Hoden schrumpfen, in seltenen Fällen sogar absterben.“

An der Stelle bekam ich im Wartezimmer meinen ersten Schweißausbruch. Dann kam die Stelle mit der Gefahr der „Zeugungsunfähigkeit“. Die Menschheit mag vielleicht aufatmen, ich allerdings bekam hier den zweiten Schweißausbruch. Um mir einen dritten zu ersparen, verzichtete ich auf das Kapitel über „Darmverschluss“ und unterschrieb, dass ich alles sorgfältig gelesen und verstanden habe.

Selbstredend sprach ich meine Ärztin auf die Sache mit der Hodenschrumpfung an. Das Risiko sei aber sehr gering, beschwichtigte sie mich. Auch das Durchtrennen des Samenleiters sei unwahrscheinlich, da der Samenleiter nicht zu übersehen sei. Und wenn, habe mann ja noch auf der anderen Seite den zweiten Samenleiter. „Könnte man einen druchtrennten Samenleiter denn wieder flicken?“, wollte ich wissen. „Ja, wenn wir merken, dass wir ihn durchtrennt haben. Oft merkt man es zu spät.“ Also, doch noch Schweißausbruch Nummer drei. Ich wollte von Risiken nichts mehr hören, lediglich die Frage nach den ersten Toilettengängen nach der OP brannte mir noch unter den Nägeln. Denn unter uns gesprochen: Mein Leistenbruch äußert sich durch eine Schwellung rechts oberhalb des Penisses. Meines Penisses, nicht irgendeines Penisses. Übe ich Druck aus, ploppt die Schwellung heraus. Theoretisch könnte ich sie wieder reindrücken, es ist – in meinem Fall – lediglich Körperfett. In anderen Fällen können es auch Darm oder Harnleiter sein. Dennoch vermeide ich es, dort Druck auszuüben, einfach weil es sehr unangenehm ist, wenn da plötzlich etwas ploppend ausbeult.

„Stichwort Toilettengang …“, sagte ich und war froh, dass ich die Frage nach dem Kacken nicht noch weiter ausführen musste, denn die Ärztin wusste sofort, worum es mir ging: „Wenn Sie, Herr Flotho, pressen müssen, drücken Sie gleichzeitig mit beiden Händen auf die Wunde. Dann müsste es gehen.“ Gut, Kacken kein Thema.

„Dann, Herr Flotho, gibt es da noch die Sache mit den Nervenbahnen. In bestimmten Fällen müssen wir während der OP entscheiden, solche zu trennen, die zu nah am Leistenbruch anliegen.“ Vierter Schweißausbruch. Die Übergänge von einem zum nächsten wurden inzwischen auch im Wortsinne fließend. Doch keine Sorge, dort seien nur Nerven, die nicht Muskeln versorgen, sodass zumindest mit Lähmungen nicht zu rechnen sei. Ich würde nur lokal keine Empfindungen mehr haben. Und während sie so erklärte, deutete sie auch immer auf ihre Leiste, um die Nummer für mich anschaulich zu machen. Also starre ich ihr die ganze Zeit in den Schritt und bemerke, dass ihr Hosenreißverschluss offen ist. Ich sage aber nichts. Vielleicht lüftet sie. Zudem frage ich mich nun, ob das Einfluss auf meine sexuelle Erregung haben würde. Also nicht ihr Hosenschlitz, sondern das lokale Ausbleiben von Empfindungen. Doch die Frage behalte ich für mich, um den Flüssgkeitshaushalt meines Körpers nicht zu überstrapazieren; ein fünfter Schweißausbruch ist einfach nicht drin.

Abschließend rät sie mir noch, direkt nach der OP die mir verschriebenen Schmerzmittel einzunehmen. Viele Patienten zögerten dieses hinaus und nähmen sie erst, wenn es richtig wehtue. Die Sorge ist bei mir unbegründet, ich nehme schnell viel. Denn viel hilft viel. Das gilt insbesondere bei hochgradig dosierten verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln. Wer damit schon einmal den Versuch des Suizids unternommen hat, wird das wissen. Oder eben auch nicht.

Ansonsten freue ich mich auf ein entspanntes Wochenende und die zwei Wochen nach der OP, die ich krankgeschrieben sein werde. Achja, was sehr wahrscheinlich geschehen wird: die Bildung eines Hämatoms. Das könne zu einer Blaufärbung und Schwellung meiner Hoden führen, aber ich müsse mir da keine Sorgen machen. Da platze dann auch nichts. Und natürlich wird im seppolog darüber berichtet werden, ob mein Hoden ein Schrumpfhoden wird oder lediglich blau und geschwollen.

Ich wünsche uns ein angenehmes Wochenende!