Wir verlassen heute nach dem Frühstück gegen zehn Uhr das Hotel, als wir sehen, wie ein Handwerker den vierten Stern von der Hotel-Außenwand entfernt.

„Das hängt bestimmt mit diesem 2.000-Minuten Wi-Fi-Angebot zusammen“, überlege ich laut, um dann festzustellen, dass mich der Linksverkehr in diesem Land nach wie vor zu überraschen vermag. Man kann nicht mal eben auf der linken Seite vom Bürgersteig auf die Straße wechseln, nur weil das zuhause gefahrlos abläuft. Hier wird man überrollt. (Kleiner Insider: Hier ist meine Mitbewohnerin zumindest von achtlosen rechtsabbiegenden Autofahrern sicher …) Während ich über all das sinniere, verliere ich meine Mitbewohnerin, die immer weiß, wo es langgeht, wohingegen ich schon mehrfach am Hotel vorbeigegangen bin, weil hier alle Hotelklötze aussehen wie Hotelklötze desselben Architekten. Ich rufe also ihren Namen, was ein älteres offensichtlich deutsches Pärchen, das am anliegenden Café sitzt, in heiteres Gelächter versetzt:

„Sie ist da lang“, informiert mich die Dame, „mein Mann verliert mich auch ständig!“

Der darauf: „Denk‘ mal darüber nach …“

Nun bin ich dran mit Lachen und folge der Wegweisung der bald verlassenen Dame und finde meine Mitbewohnerin vor einem kuriosen Supermarkt wieder:

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Das ist der Eingang. Ein dunkler Tunnel, wenig einladend oder gerade erst recht einladend. Denn natürlich gehen wir durch, nur um am Ende alles zu finden, nur keinen Supermarkt. Es wird uns ein Rätsel bleiben. Wie auch etwas anderes, doch vorher: Popeye.

Viele derer, die noch nicht vom Linksverkehr überrollt wurden, besuchen auf Malta gerne „Popeye Village“. Das ist nichts geringeres als die Film-Kulisse des mannigfach oscar-prämierten Filmes „Popeye – Der Seemann mit dem harten Schag“ von 1980, einer Realverfilmung des Comics. Und ja, es sieht toll aus, ob man nun Popeye mag oder nicht. Erst im Zuge dieses Artikels erfahre ich, dass das Dorf bereits zweimal abgebrannt ist und zweimal wieder aufgebaut wurde. Dennoch: charmant und irgendwie niedlich. Ein Hoch auf die auch hoffentlich auf Malta geltende Panorama-Freiheit, die diese Aufnahme ermöglicht:

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Doch vor Unternehmungen und Kultur ist immer Strand. Und so ein Strand ist immer ein kleiner Mikrokosmos. Heute fiel mir ein Typ Mensch auf, den ich nicht verstehe. Immer wieder sehe ich betagte Damen mit lederner Haut und üppigem Körperumfang, die nur mit den Füßen ins Wasser gehen. Nein, nicht gehen. Sie stehen. Sie stehen einfach nur da. Im Wasser. Knöcheltief nur. Ich machte meine Mitbewohnerin auf dieses Phänomen aufmerksam, die es sofort zu erklären vermochte:

„Sie will braun werden und dabei abkühlen.“

Okay, ergibt Sinn. Wir waren etwa vier Stunden am Strand heute und die Dame stand dort vier Stunden auf der Stelle mit den Füßen im Wasser. Faszinierend.

Hoch erfreut war ich natürlich, als ich gestern feststellte, dass die einzig hier verkaufte deutsche Zeitung ausgerechnet meine „F.A.Z.“ ist, die hier nicht aus einzelnenen, sondern aus nur einem Buch besteht, was das Lesen am Strand aber erheblich vereinfacht. Mitleidiges Lächeln erregte ich dennoch bei einem Pärchen aus Polen, als mir ein Windstoß den Technik-Teil entriss, hinter dem ich dann natürlich her hetzen musste. Der Glassplitter, in den ich während der Jagd trat, wurde ignoriert und auch die noch brennende Kippe fichte mich nicht an, sodass ich bei einer Familie aus vermutlich Frankreich meinen Technik-Teil abholen konnte.

Schlimm am Strand sind die Spanner. Ich setze zumindest meine verspiegelte Sonnenbrille auf, wenn ich mir den Podex der Strandnachbarin aus Italien ansehe und dabei wegschlummere. Doch der Typ neben uns, vermutlich aus Süddeutschland angereist, starrte die ganze Zeit meine Mitbewohnerin an. Oder mich. Beides absolut nachvollziehbar, aber meine Mitbewohnerin wird nicht angestarrt. Das bleibt mir vorbehalten. Schon erst Recht, wenn Wassertropfen ihre gebräunte Haut zum Schimmern bringen und meine Fantasie in Wallungen versetzen. Nun überlegte ich, wie vorzugehen war. Gegen ihn.

„Setzen Sie wenigstens wie ich eine verspiegelte Sonnenbrille auf!“, wäre eine Möglichkeit gewesen. Ich entschied mich allerdings dazu, mein Handtuch auszuschlagen, vom Sand zu befreien. Der günstig stehende Wind, der eben noch meine Zeitung auseinander riss, trug nun den Sand zum starrenden Mitvierziger, der erbost reagierte:

„Rücksichtslos!“

„Es wird halt nicht gespannt!“

Das war ihm unangenehm, zumal neben ihm seine Frau saß.

 

Auf dem Rückweg vom Popeye-Filmset geraten wir vom Weg ab, denn Urlaubsseppo (TM) ist derart spontan, dass er ohne Vorwarnung rechts abbiegt. Oder links. Das weiß niemand so genau. Wir geraten in eine Ansammlung kleiner Felder (Wirklich tolle Landschaften hier!) und plötzlich auf ein Gelände, das kameraüberwacht, aber nicht wirklich abgesperrt ist. Wir finden uns zwischen Palmen und Kakteen wieder, die Feuerstellen, Bolz- und Tennisplätze umgarnen.

„Was ist das hier?!“, staune ich für alle nicht Anwesenden unvernehmbar.

„Seltsam verlassen.“

„Privatgelände?!“

Dann stoßen wir auf dieses:

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„Restricted Area – Trespassing Strictly Forbidden“ ist zu lesen, daneben das Schild mit dem Totenkopf.

„Geheimnisvoll. Sterben wir, wenn wir weitergehen?“, frage ich das Schicksal, fordere es aber nicht heraus, denn das Hundegebell wird immer lauter. „Faszinierend, wie viel Eindruck ein Totenkopf macht.“

Dazu die seltsam stille Atmosphäre, dieses Gefühl, an einem verlassenen Ort zu sein.

„Vielleicht eine alte Hotelanlage?“, vermutet meine Mitbewohnerin.

„Mit Wi-Fi. 2.000 Minuten innerhalb von 1.500 zu verbrauchen. Ich kapier’s noch immer nicht.“

Wir machen kehrt und konnten im Hotel dieses Rätsel lösen. Und wir dürfen mit niemandem darüber sprechen …

 

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Wer wüsste es nicht, das Nationaltier Maltas ist – der Igel, ziert er doch auch die Nationalflagge dieser zurecht stolzen Nation. Daher hat der Igel hierzulande – noch vor den Touristen! – Vorfahrt. Leider verhält es sich so, dass sich niemand daran hält. Und so trafen wir heute – es wird erstmals traurig im seppolog – mehrere überfahrene Igel. Die habe ich aus Gründen der Pietät nicht fotografiert. Ich fotografiere Schnitzel und Burger, aber keine toten Tiere! Schade, denn ich bin absoluter Igel-Fan. Ich erinnere mich, wie ich mal betrunken in Münster einen Igel traf, mit dem ich mich angeregt unterhalten konnte, der nicht die Flucht ergriff, wie meine Freunde damals, die aber vermutlich auch nicht in eine Schockstarre verfallen waren.

Morgen geht es in die Hauptstadt. Die eine Co-Kathedrale hat. Meine Mitbewohnerin hat mir diesen Umstand mehrfach erklärt, ich habe mehrfach nur mit einem Ohr hingehört, da ich immer noch vor diesem Rätsel stehe, wie ich 2.000 Wi-Fi-Minuten innerhalb von …