„Oh, du riechst aber gut!“, informiere ich meine Mitbewohnerin, als wir die bei Ikea eingekaufte Deko in unserer Wohnung verteilen, nachdem wir die letzten Regalbretter an die Wand angebracht hatten. Zu diesem Zeitpunkt bin ich bereits, naja, was den Wein angeht, ganz gut dabei … und meine olfaktorischen Sinne (einer) geschärft.

„Ich habe aber nichts besonderes aufgetragen! Ich rieche dann wohl von Natur aus dir genehm!“, sagt sie.

Hm, ich überlege. Natürlich tut sie das. Vor dem Verlieben steht wohl immer das „Sich-Riechen-Können“, aber ich schließe aus, dass sie von Natur aus so riecht wie …

„Was ist das für ein Duft? Ist das irgendwas Obstiges?“, frage ich sie und komme zu dem Ergebnis, dass die komplette Wohnung nach Apfel riecht und sie wohl kaum von Natur aus dem Apfel gleichkommt, vom Po abgesehen, obwohl ich das jetzt auch nicht so genau weiß. Wann sieht ein Po schon mal aus wie ein Apfel? Oder eine Birne?! Will man das?!

„Ja, es ist dein ganz natürlicher Duft!“, lüge ich sie an und einige Zeit später bringt mich dieses Apfel-Aroma um den Verstand, da es bereits erste Kopfschmerzen verursacht, als sie mich fragt:

„Warum musstest du eigentlich fünf Duftkerzen kaufen?“

„Duftkerzen?! Großer Gott! Der Gestank kommt von den Duftkerzen?! Warum sind das denn Duftkerzen?!“

„Eben war es noch mein natürlicher Duft, jetzt ist es ‚Gestank‘?!“

„Können die nicht draufschreiben, dass es Duftkerzen sind?!“, frage ich, um dann festzustellen, dass Ikea meinem Rat durchaus antekonsum gefolgt ist. Es steht drauf. Ich hielt es wohl für unnötig die Packungsbeilage einer Kerze zu studieren.

Nun muss man wissen, dass in unserem Wohnzimmer, welches wir an jenem Samstag samt Flur umdekorieren, die so genannte Akzentfarbe (ich grüße an dieser Stelle sehr gerne Sabrina USA, der gegenüber ich diesen Begriff benutzt habe, wofür sie mich vollkommen zurecht verlacht hat), Grün vorherrscht, ich also bei Ikea das ein oder andere grüne Deko-Objekt erwarb, wie einige Wochen zuvor bereits zwölf grüne Kissen. Wie soll nun ein Mann ahnen, dass grüne Kerzen mit hoher Wahrscheinlichkeit Duftkerzen sind? Und was ich noch viel verwirrender finde: Ich glaubte bislang immer, man müsse Duftkerzen überhaupt erst entzünden, bevor sie duften. Nun, ich habe dazu gelernt, sie duften auch dann, wenn sie ausgeschaltet sind. Derzeit hoffen wir, dass wir uns an diesen Duft gewöhnen, der mir auch jetzt, während des Schreibens am Dienstagmorgen, in der Nase sitzt und einen leichten Kopfschmerz verursacht.

Am Samstag waren wir bei Ikea. Ich ahnte ja, dass sich viele Leser*’+#-innen angesprochen fühlen würden, denn jeder war wohl schon einmal in einem Ikea. So wie auch die Kerzen Thema in den Leserkommentaren waren, durften auch die Hotdogs nicht fehlen, die einen hinter der Kasse erwarten.

Doch meine Mitbewohnerin und ich waren hinter der Kasse traumatisiert. Denn wir erfuhren dort den Preis unseres Deko-Wahnes. Auf die Hotdogs verzichteten wir. Außerdem muss ich ein bisschen auf meine schlanke Linie achten. Bisschen fett geworden. Doch bewegen wir uns ein, zwei Stunden zurück und treffen wir meine Mitbewohnerin und mich in der Markthalle, wo ich es mir zum Ziel mache, wirklich jedes angebotene Produkt auch zu sehen, damit mir nichts entgeht.

„Ich brauche dringend grüne Kerzen! Wenn du welche siehst, pack‘ sie in den Wagen, Geld spielt keine Rolle. Achte aber darauf, dass es keine Duftkerzen sind“, sage ich meiner Mitbewohnerin, die am Ende des Tages für die Kerzen gar nicht verantwortlich gewesen sein wird.

Und wir trennen uns in der Markthalle mehr oder weniger, allerdings nicht endgültig, sondern nur räumlich für die Dauer des Ikea-Aufenthaltes. Den Einkaufswagen platzieren wir gut gefüllt irgendwo, wo er im Weg steht, was anders in dem französisch-mongolischen Möbelhauskonzern gar nicht möglich ist, während wir auf Beutezug gehen.

Leser machten mich im ersten Teil der Ikea-Chroniken darauf aufmerksam, dass viele Beziehungen im Ikea zu Bruch gingen. Ich würde ja sehr gerne allein des Unterhaltungswertes wegen, und um das Klischee zu bedienen, hier davon berichten können, dass ich nun Single bin, jedoch hat dieser Ikea-Besuch unsere Beziehung noch einmal gefestigt. Schwere Zeiten können zusammenschweißen. Und ja, vorher glaubte ich auch, es könne konfliktreich werden, da ich gerade im Ikea den Wagen hemmungslos befülle, ohne auf die Preise zu achten …

„Das ist ja nun wirklich nicht meine Aufgabe; dafür haben sie hier Kassierer.“

… oder auf etwaigen Nutzen. Sie hingegen ist da eher der viel beschworene, jedoch zunehmend angezweifelte Homo Oeconomicus und sortiert die Dinge aus dem Wagen zurück ins Regal. Das birgt Konfliktpotenzial, das gebe ich zu. Jedoch:

Ich habe meine Mitbewohner*in gebrochen. Sie ist nicht mehr sie selbst. Während ich grüne Kerzen in den Wagen lege, kommt sie mit einer Fotovitrine für die Wand, mehreren Bilderrahmen und zwei Orchideen zurück von ihrem Beutezug und wirft sie wortlos in das Stahlgestell mit Rädern. Hält sich nicht lange mit mir auf, stößt sich nicht an den grünen Kerzen und dem kleinen, lustigen Schaf, das ich gefunden hatte und zieht weiter. Sie ist wie ausgewechselt, scheint wie ich in einen Kaufrausch gestürzt zu sein. Ich rufe ihr erregt hinter her:

„Nimm mich! Nimm mich hier und jetzt!“

Überlege dann und korrigiere:

„Nein, ich nehme dich. Hier und jetzt! Lasse dich nehmen!“

Ein Teufelsweib, das endlich verstanden hat, dass man in einem Ikea die Vernunft im Kinderparadies abgibt.

 

An der Kasse. Ich sehe unsere Massen an Dekokram auf dem Kassenband und schätze, dass wir etwa 300 Euro bezahlen werden. Leichter Schwindel begleitet einen kalten Schweißausbruch. Sie sieht die Glühbirne:

„Wozu brauchen wir eine Glühbirne?“

„Für die Lampe.“

„Welche Lampe?“

„Ich habe eine Lampe gekauft. Für meinen Schreibtisch.“

„Aber du hast doch eine!“

„Da ist aber die Glühbirne durchgebrannt.“

„Und dann kaufst du direkt eine neue Lampe?!“

„Kommt langfristig günstiger!“, lüge ich sie an.

„Tut es nicht!“

„Doch, doch. Das ist kompliziert, aber ich habe das errechnet. Ich habe schließlich Wirtschaftspolitik studiert“, wiegele ich ab.

Die Kassierin ficht das kleine Schauspiel nicht an, sie nennt den zu zahlenden Preis. Meine Mitbewohnerin kann sich noch gerade am Wagen festhalten, während ich kollabiere und überlege, ob vielleicht eine spontan eingesetzte Inflation verantwortlich für den seltsam hohen Betrag sein könnte. Schließlich waren wir etwa drei Stunden im Ikea. Zeit genug für einen Terroranschlag, der die Welt in eine auch wirtschaftliche Krise gestürzt hat. In diesen unruhigen Zeiten ist es durchaus denkbar, dass man einen Ikea als Deutscher betritt und ihn als Russe wieder verlässt.

„Das waren deine Orchideen!“, klage ich meine Mitbewohnerin an.

„Zwei Orchideen?! Vielleicht war es deine Lampe! Die vielen grünen Kerzen! Die Bilderrahmen! Wie viele Bilderrahmen willst du denn an die Wand hängen! Und was ist das da eigentlich für eine Wanduhr?! Und wo kommt dieses Schaf her?!“


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Über das Schaf wird noch zu reden sein. Im dritten Teil der „Ikea-Chroniken“. Bis dahin verweise ich auf meine Facebook-Seite, was ich immer unter einem Artikel tue, stets abgetrennt durch eine horizontale Linie. Heute gibt es sogar zwei Bonus-Linien!