Über Handwerker ist im Allgemeinen bekannt, dass sie immer pünktlich erscheinen und stets das notwendige Werkzeug sowie Ersatzteile am Mann tragen, sodass jede Reparatur zügig und ohne Verzögerungen erfolgen kann – „das Handwerk“.
Ausgerechnet meine Mitbewohnerin und ich sind heute an diese eine, extrem seltene Ausnahme geraten. Ich wollte es gar nicht wahrhaben, dass jener Facharbeiter, der unseren Wasserhahn im Bad ersetzen sollte, drei Stunden nach Ablauf des verabredeten Zeitfensters hier aufschlug. Ich kenne das nicht. Ich kenne nur Handwerker, die pünktlich sind. Ist denn das nicht das Klischee des Gas-Wasser-Installateurs, dass er immer peinlichst pünktlich kommt, sodass man als Kunde grundlos beschämt ist und sich vornimmt, auch im eigenen Leben wieder mehr Pünktlichkeit walten zu lassen?! Ist nicht der Klempner die Initialzündung zur Erfindung der Sonnenuhr gewesen?!
„Ich habe gar kein Werkzeug dabei“, informierte uns vor einer halben Stunde die Handwerksservicekraft, die sich um drei Stunden verspätet hatte. Als ich den Satz vernahm – ungläubig -, war mir klar, worüber ich endlich mal schreiben müsste. Denn ich beobachte lediglich die Szene aus dem Wohnzimmer heraus, auch in diesem Moment, da meine Mitbewohnerin, mit der ich gestern einen Urlaub beendet habe, heute noch frei hat, um sich des Handwerkers anzunehmen. Sie ging vorurteilsfrei an die Sache heran. Vermutlich das letzte Mal. Denn ich, altklüger denn je, wusste schon vorher:
„Er wird zu spät kommen. Er wird die Ersatzteile im Wagen nicht finden. Er wird dann wegfahren. Er wird dann nie wiederkommen. Wir werden uns nie wieder die Hände waschen können.“
Am vergangenen Donnerstag hielt ich einigermaßen fassungslos, aber irgendwie belustigt den Wasserhahn in der Hand, während das Wasser noch lief. Ich würde ja sagen, ich habe wieder einmal etwas kaputtgeputzt, muss aber feststellen, dass das Bad nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fällt. Mein Fachwissen reichte jedoch aus, um zu diagnostizieren:
„Der ist hinüber.“
Ich bin ja durchaus jemand, der Probleme knallhart benennen kann, um die Lösung dann weiter zu delegieren. Zumal der Mietvertrag uns abverlangt, eine bestimmte Firma in Düsseldorf damit zu belästigen. Mit jener Firma hatte ich bereits großen Spaß. Seit drei Jahren beispielsweise warte ich auf ein Rohr. So albern es klingt, aber vor drei Jahren sagte der Juniorchef zu mir:
„Ich muss da ein neues Rohr bestellen, das ich dann verlege. Ich komme nächste Woche wieder.“
Das war 2013.
Ich stand am Donnerstag also vor dem Problem, dass das Wasser lief, während der Kranhebel über keinerlei Verbindung mit dem Wasserhahn verfügte. Mein Wissen über Rohrleitungen geht immerhin soweit, dass ich wusste, ich kann unter dem Waschbecken hier und da rumschrauben, um den Wasserzufluss zu stoppen. Auch meine Lektorin, KM, informierte mich live via Facebook über diesen notwendigen Schritt, nachdem ich ihr mitgeteilt hatte, dass ich mir eventuell etwas im linken Handgelenk gebrochen habe.
Ich darf feststellen, dass KM mich offenbar so gut kennt, dass sie zumindest die Möglichkeit in Betracht zieht, dass ich zu doof bin, den Wasserzufluss abzudrehen. Das ist kein Vorwurf, KM. Denn der Gedanke ist so abwegig ja gar nicht. Und vermutlich habe ich auch einige Minuten gebraucht, um selbst auf die Idee zu kommen, während ich ratlos abwechselnd den Kranhebel in meiner Hand und den Wasserstrahl angeblickt habe. Meine Fähigkeiten, das kann ich nach 36 oder 37 Jahren relativ selbstbewusst sagen, liegen eher im theoretischen Bereich, möglicherweise im kreativen, nicht aber im handwerklichen.
In diesem Moment ist der neue Wasserhahn installiert. Der Klempner informiert gerade meine Mitbewohnerin darüber, dass es sich um einen Zwei-Stufen-Wasserhahn handelt. Ich bin sehr gespannt, was das wohl bedeutet. Dass es nur „an“ und „aus“ gibt?
Meine Mitbewohnerin ist der liebste Mensch, der meinen Lebensweg jemals gekreuzt hat. Ich glaube, niemand ist barer schlechter Gedanken als sie. Jener Klempner allerdings muss einen anderen Eindruck von ihr haben, da er gerade Zielscheibe ihres Zornes wird, der mich wiederum, hier aus sicherer Entfernung, sexuell leicht erregt. Und sie stellt ihm, leicht gereizten Tones, durchaus sinnvolle Fragen. Warum er denn ohne Werkzeug komme? Warum nicht mal ein kurzer Anruf, dass es statt zwölf Uhr dann doch eher kurz nach zwölf, also 15 Uhr, werden würde?
Nun habe ich ja für Handwerker jedes Verständnis, zumal sie ja in aller Regel wirklich sehr pünktlich kommen und immer alles dabei haben, was sie brauchen. Ich bin angewiesen auf diese Zunft, da ich selber zu blöd bin, solche Arbeiten zu verrichten, meine Qualitäten liegen eben in anderen Bereichen. Habe aber einiges gemeinsam mit Handwerkern: Beispielsweise bin ich penetrant pünktlich und habe auch immer Werkzeug dabei. Ich bin stolzer Besitzer von fünf (!) Werkzeugkästen! Ich benutze sie alle nicht, aber es sind Abo-Prämien, die meine Mitbewohnerin immer wieder sehr glücklich machen. Handwerker stehen vermutlich auch unter einem enormen Stress, gar keine Frage. Umso erstaunlicher, wie pünktlich und vollständig sie immer erscheinen. Es war eine kosmische Ausnahme, dass unser Handwerker heute das ohnehin großzügige Zeitfenster um drei Stunden verfehlte. Er konnte ja nicht ahnen, in was für ein Biest sich meine Mitbewohnerin verwandeln kann, wenn man ihr gegenüber respektlos wird. Ich habe dann selbst immer etwas Angst, auch wenn ich gar nicht das Ziel ihres Unmutes bin. Ich ergreife dann stets die Flucht. So wie eben. Ich neige dann immer dazu, Mitleid mit denen zu haben, die sie gerade zu ihrem Opfer macht. Ich selbst richte meine Wut eher nach innen, bleibe äußerlich ruhig und höflich und greife nur gedanklich zur Rohrzange, um den Klempner zu erschlagen. Vielleicht wusste dieser hier, warum er einfach mal ohne Werkzeug vorbei kommt. Ein Klempner ohne Werkzeug ist wie ein …
„Guten Tag, ich bin von den Zeugen Jehovas. Ich komme heute mal ganz ohne ‚Wachtturm‘ vorbei.“
Mit meinen prophezeiten Klischees hatte ich nicht in voller Gänze Recht. Denn anders als ich hellsah, haben wir nun tatsächlich einen neuen Wasserhahn. Inzwischen weiß ich auch, was es mit jenen zwei Stufen auf sich hat. Kapieren tue ich es dennoch nicht. Beim „Öffnen“ des Hahns stößt man ab einem gewissen Wasserdruck auf einen Widerstand. Der soll vermutlich Wasserverschwendung verhindern. Da ich mich ungern bevormunden lasse, betätige ich ab sofort immer parallel die Klospülung, um die verhinderte Wasserverschwendung doch noch möglich zu machen. Und zwar die Spülung für das große Geschäft.
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Ungewohnte Stille herrscht auf meiner Facebook-Seite, wo ich sonst jeden Furz poste.
Klischeeklempner, also wirklich.
Unpünktliche Grüße aus dem Garten :)
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Schön zu lesen, dass ihr nicht in irgendeinem unterirdischen Verlies vergammelt.
Ja, Handwerker, ganz besonders SHK-Handwerker, sind eine Spezies für sich. Nicht umsonst sah ich mich schon einmal dazu veranlasst, einen Vortrag über das U(nbekannte)S(anitär)O(bjekt) = Bidet abzuhalten, indem ich erläuterte, dass man es zum Füßewaschen ebenso verwenden kann, wie zur Haarwäsche, dass
man aber unter gar keinen Umständen ‚rückwärts einparkt‘, wie man das auf dem großen Bruder WC tut.
Eigentlich sollte man denken, das sei wegen der Armaturenanbringung selbstverständlich, aber wahrscheinlich dachten die Jungs, es diene auch noch zur Erlangung einer gewissen Beweglichkeit. (Armaturen im Rücken.)
Allerdings ist das alles noch harmlos. Du ahnst nicht, was die anrichten, wenn sie auf Reisen gehen …
Darüber habe ich hier einmal berichtet:
http://www.leuchtfeder.de/news-220.html
Und es ist nicht selbstverständlich, dass die Leute in Extremsituationen daran denken, das Wasser abzustellen, das kann ich dir aus der Praxis berichten.
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Äusserst selten verwende ich es, doch adäqaut ist es jetzt auf jeden Fall: LOL
Zudem vergebe ich Dir und Deiner Mitbewohnerin die Auszeichnungen „Bruder“ bzw. „Schwester“.
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wobei sie mitnichten meine schwester ist.
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“ ich bin Klempner von Beruf …..“ frei nach Reinhard May …. :-D
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Ich sag nur .. in die Wade beissen… fesseln… in den Keller werfen und vergessen..
oh da fällt mir ein.. ich hab ja noch den von letzter Woche im Keller.. den von der Telekom.. oh oh..
Gruss S.
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oh gott. telekom. lass ihn, wo er ist.
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Und.. es war ein „Echter“.. kein Subunternehmen..
Voldemort.. sag ich da nur… ( die deren Namen nicht genannt werden darf.. you know)
S.
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Ich weiß nicht, wieso, aber in dem Zusammenhang fällt mir die Frage ein: Sitzt Frauke Petry eigentlich noch bei Dir im Schrank? Falls ja: Oh Gott. AFD. Lass sie, wo sie ist! ;-)
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wenn man schlechte laune hat, dann liest man einfach den ein oder andren text von seppolog – meistens muß ich bald schmunzeln oder sogar lachen – und der tag ist gerettet!
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Auch wenn das jetzt von mir „grosse Klappe“ ist: Bitte besorgt Euch Wissen und Werkzeug. Und dann so viel wie möglich selber machen.
Mir bleibt auch nix anderes übrig.
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Der Vermieter zahlt. Aber nicht, wenn wir es selbst machen.
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1) Will ich, dass es bald wieder funktioniert?
2) Oder will ich mir ein abstruses Schauspiel, das über Wochen und Monate andauern kann und zahlreiche Stilblüten hervorbringen wird, zu Gemüte führen, die Funktion des besagten Teil schmerzlich vermissend?
Es ist Zufall, denn ich habe mir vor drei Wochen den Wasserhahn selber gekauft (das ging ganz einfach) und ebenso selber montiert (das ging tatsächlich auch einfach). Und den schraube ich wieder ab, wenn ich ausziehe. Weiss ja mittlerweile, wie das geht …
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Super Beitrag :-)
Es gibt übrigens auch solch überpünktliche Handwerker, dass man sie noch gar nicht erwartet. Ja noch gar nicht mal weiss, dass sie schon kommen.
Wir hatten unlängst mit einer Firma zu tun, die bei uns was reparieren sollten. Dann hörten wir mal sechs Wochen gar nichts mehr und dann der Anruf: „Wir wären dann unterwegs, passt das?“ Hallo? Also jetzt, in zehn Minuten? Bei Leuten, die nicht zu Hause arbeiten, kann dies durchaus mal ein Problem sein…
Ich darf auch erwähnen, dass uns anfangs gesagt wurde (als wir leicht drängten, es sei durchaus dringend), dass sie ihre Einsätze Wochen im voraus planen…
Naja, da reicht ein Anruf zehn Minuten vor Ankunft durchaus.
Lg, Stefan von Quer durch den Alltag mit szWebBlog.com :-)
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Seltsam! – Bei mir ist es umgekehrt. Dass ein Handwerker einmal pünktlich kommt, kann ich mir gar nicht vorstellen. Und dass ich ihm MEIN Werkzeug zur Verfügung stelle, falls er denn überhaupt kommt, ist sowieso klar. Warum das so ist? – Ich lebe in Panamá. Und zwar gern. Trotzdem.
Janosch war wohl höchstens einmal als Tourist auf Durchreise hier, wenn überhaupt :-)
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„Wir werden uns nie wieder die Hände waschen können.“ Eine eher pessimistische, fast schon fatalistische Sicht der Dinge. Aber durchaus verständlich, gilt für Handwerker doch seit jeher, dass sie vorab Schreiben schicken in denen es sinngemäß heißt:
„Sehr geehrter Herr Flotho,
wir beabsichtigen, auftragsgemäß, Ihren Wasserhahn auszutauschen. Seien Sie daher bitte in der Zeit von September 2016 bis Juli 2017 zu Hause!“ ,-)
Und das mit den Abo-Prämien, davon sollen ja, wenn man Gerüchten glauben schenken kann, allein aufgrund von Zeitschriften so einige bei Dir und deiner Mitbewohnerin herumliegen – das kann man therapieren! ;-)
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