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Vor drei Tagen beschrieb ich hier im seppolog einen unschönen Vorfall. Nicht ganz zu Unrecht wähnte ich mich bereits in der Rolle eines schlechten Augenzeugen, da ich aufgrund der Dunkelheit einfach mal nichts gesehen habe und mich daher in Spekulationen erging.

Wie der Zufall es so will, schrieb mir heute via Facebook ein Leser oder eine Leserin, der oder die hier ganz in der Nähe wohnt. Abgesehen davon, dass ich es „abgefahren“ finde, dass hier in meiner unmittelbaren Umgebung mir unbekannte Menschen wohnen, die mich lesen und nicht auf den Namen „Mitbewohnerin“ hören, hat es mich sehr gefreut, dass er oder sie Licht ins Dunkel bringt und aus Chronistenpflicht will ich das den anderen Lesern nicht vorenthalten.

Was mir jener Nachbar oder jene Nachbarin schrieb, werde ich hier – leicht gekürzt – wiedergeben. Denn es geht um drei Aspekte, die sich anders darstellen, als ich sie am Samstag mutmaßte:

Hallo Seppo! Ich lese Deinen Blog regelmäßig und habe daher auch gerade Deinen „Pfefferspray“- bzw. „Gewalt“-Eintrag gesehen. Ich wohne selbst [in der Gegend] und zwar netterweise in dem Haus, in dessen Treppenhaus die junge Frau überfallen wurde. Wir kamen ca. fünf Minuten nach dem Überfall vom „DreiRaum“ [einer anliegenden Kneipe] nach Hause, und nachdem ich die Haustür geöffnet hatte, habe ich erst mal einen Hustenanfall und Atemnot gehabt, weil das Pfefferspray noch in der Luft hing. Erst danach sah ich das Durcheinander bei unseren Briefkästen: eine Brille, eine Uhr, ein abgerissener Handtaschengriff, eine „Mezzomix“-Dose, eine Kappe und ein unausgepackter „IKEA“-Lacktisch vor dem Aufzug. Um die Ecke kam dann ein Pärchen, das uns dann von dem Überfall erzählte, und dass sie gerade die Polizei angerufen hätten. Die kamen dann keine Minute später und hielten erst mal bei uns an. Wir schickten sie dann weiter in die Richtung, in die die junge Frau wohl laut der beiden Zeugen gerannt war. Lange Rede, kurzer Sinn: die (sehr) junge Frau war vor ein paar Tagen erst in unser Haus eingezogen und war mit ihrem IKEA-Tisch beladen nach Hause gekommen, wobei sie aufgrund der Beladung etwas länger gebraucht hatte, um die Tür wieder zuzuziehen. In der Zeit kam auch der Täter rein (den sie für einen Bewohner des Hauses hielt). Der ging erstmal die Treppe hoch und sie wartete auf den Aufzug. Dann kam der Täter zurück und sprühte ihr direkt Pfefferspray ins Gesicht und riss an ihrer Handtasche. Das Handgemenge muss, nach dem Chaos im Eingangsbereich zu urteilen, ziemlich deftig gewesen sein. Der Täter verlor dabei mindestens seine Kappe und die Mezzomix-Dose. Glücklicherweise war die Frau am nächsten Tag schon wieder fit und holte ihren Tisch bei uns ab. Warum ich das schreibe? Keine Ahnung, aber ich glaube, es ging mir vor allem darum, dass uns inzwischen auch ein bisschen mulmiger ist, vor allem wenn man bedenkt, wie dreist der Täter vorgegangen ist und dass er selbst Pfefferspray benutzte.
Zur Arbeit der Polizei kann ich nur sagen, dass die gefühlt sofort da waren [sic!] und auch sehr bemüht waren [sic!]. Kein Vorwurf von meiner Seite.

Zunächst einmal finde ich es sensationell, dass Du mir geschrieben hast, da ich bis heute leider keine entsprechende Polizeipressemeldung zu dem Vorfall gefunden habe, der wohl nicht spektakulär genug dafür war. Dass es der Frau – zumindest körperlich – gut geht, freut mich ebenfalls außerordentlich.

Meine Mutmaßung, das vermeintliche Opfer habe sich selbst in Panik das Spray ins Gesicht geblasen, war offenbar eine falsche (wobei ich nicht weiß, ob Mutmaßungen falsch sein können, denn wären sie per se wahr, wären sie ja keine Mutmaßungen), sofern die obigen Beobachtungen stimmen, die ich aber nicht in Zweifel ziehe. Des Weiteren freue ich mich, dass die Polizei offenbar früher kam, als ich es beobachtet hatte. Das stimmt optimistisch wie auch die Beobachtung, dass sehr viele Anwohner die Polizei alarmiert haben. Wir sind nicht immer Weggucker.

Meine Mitbewohnerin habe ich umgehend von dieser „Zeugenaussage“ in Kenntnis gesetzt und sie ist ebenfalls schockiert, wie dieser Vorfall offenbar abgelaufen ist. Selbst der eigene Hauseingang kann zu einer Falle werden, sodass sie ihre Fähigkeiten in Selbstverteidigung verstärken wird – Panik in Oberbilk! Und vielleicht ist es in manchen Wohngegenden gar nicht einmal so schlecht, sich zu wehren zu wissen, auch wenn ich nicht weiß, wie man nach einer perfiden Pfefferspray-Attacke noch Herr einer solchen Situation bleiben kann.

Nun ist es ja so, dass die Wahrheit im seppolog zugunsten des Humors gerne mal strapaziert wird. Da es sich hier um keine lustige Situation handelt, betone ich, dass ich in diesem Zusammenhang bei Tatsachen geblieben bin, sofern sie nicht als Mutmaßungen gekennzeichnet sind. Hier geht es mir einmal nicht um Klicks, nicht um likes und nicht um grenzenlosen Ruhm; hier wollte ich lediglich darüber informieren, wie sich der Vorfall möglicherweise ereignet hat.


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