[USK18, es wird derbe und vulgäre Sprache benutzt]

capri3(Screenshot von www.capri-sonne.com, leicht montiert)

Seit 1998 heißen „Werther’s Echte“ nicht mehr „Werther’s Echte“, inklusive falschem Apostroph, sondern „Werther’s Original“, gesprochen „oritschinell“. Das ist mir entgangen und finde es somit verspätet 19 Jahre nach Umbenennung höchstgradig albern. „Storck“ begründete diesen Schritt damals so:

Die Firma Storck ist ein international ausgerichtetes Unternehmen. Unsere Werther’s Produkte verkaufen wir in vielen Ländern der Welt. In fast allen diesen Ländern wurden unsere Werther’s Bonbons schon lange unter dem Namen Werther’s Original verkauft. Nur im deutschsprachigen Raum hießen sie Werther’s Echte. Daher wurde beschlossen, dass Werther’s überall auf der Welt gleich heißen soll.

Eine Standard-Begründung, die gar keine ist, da Internationalisierung ja eigentlich bedeutet, dass man genau diesen Schritt eben nicht tut. Storck („Part of Your World“ am Arsch) meint eigentlich Gleichmacherei.

Letztlich ist es mir egal. Den Kampf gegen das Verhunzen der Muttersprache durch krampfhaftes Englisch habe ich aufgegeben, der Zug rollt und ist nicht mehr aufzuhalten. Ich rege mich kaum noch auf, das letzte Mal tat ich das zur Umbenennung der „Salzletten“ in „Saltletts“. 2003 schrieb die „FAZ“ (die übrigens auch zunehmend auf das Englische setzt, was diverse Publikationen angeht („FAZ Quarterly“)) dazu:

Seltsam nur, daß das Wort „Saltlett“ zwar englisch klingt, in dieser Sprache aber – wie auch das „Handy“ – gar nicht existiert.

Es ist lächerlich. Wie auch die Umbenennung von „Dextro Energen“ zu „Dextro Energy“. Internationalisierung halt. Weil der Deutsche grundsätzlich nicht Deutsch spricht.

Inzwischen bleibe ich gelassen; ich habe resigniert. Auch, was diesen albernen Scheiß angeht:

„Capri-Sonne“, jenes Getränk aus der Alu-Packung, in das die Coolen den Strohhalm von unten reinrammen, heißt bald:

„Capri-Sun“.

Die Begründung? Die kennt mein geschätztes Blatt „Horizont“:

Ziel der Neuausrichtung ist es, für einen international einheitlichen Markenauftritt zu sorgen.

Am Arsch. Wozu?! Weil „Sun“ viel besser klingt als der wohlklingende deutsche Begriff „Sonne“?! Aber gut, was soll’s, weder lutsche ich Werther’s Original noch Saltlets, noch trinke ich das Familiengetränk Capri-Sun (weil mir der Strohhalm beim unten Reinrammen immer durchknickt). Doch mein erster Impuls auf die mir zugesteckte Information zur jüngsten Marken-Vergewaltigung war ein internetgerechter Kommentar:

1

Gut, das war nicht souverän, aber die Alternative wären Argumente gewesen, mit denen ich ziemlich allein dastünde und die das Unternehmen vermutlich kennt, aber ignoriert. Ich stelle mir das so vor, dass Werbeagenturen grundsätzlich erstmal alles irgendwie geil finden, was englisch klingt. Das wird auch nicht mehr hinterfragt. Und falls doch, geht womöglich dem Kunden einer ab, wenn er auf die Idee einer Verenglischung seiner Marke kommt. Ich sehe erigierte, aber dennoch kleine Penisse vor meinem geistigen Auge in den Hosen der betroffenen Entscheider, würde das aber den hier genannten Unternehmen keinesfalls unterstellen, zumal eine Überprüfung schwer würde. Außerdem haben sie ja gute Gründe. Internationalisierung und Synergieeffekte. Nebenbei ist eine Erektion auch gar nicht schlimm und kaum jemandem vorwerfbar.

Obwohl ich mit sehr vielen Satzzeichen, leider nicht unterschiedlichen, meiner Erregung Ausdruck verlieh (wofür ich mich unmittelbar danach schämte), hat Capri-Sunne reagiert, und zwar gut!

2

Gut insofern, als dass sie durchaus selbstironisch antworten, sofern es denn tatsächlich gewollt war, was ich zu ihren Gunsten annehmen möchte. Abgesehen von den Marketing-Floskeln,

„für die ganze Familie“ ist hohles Marketingsprech, zu dem man wissen muss, dass sie ihre Werbung nicht mehr an Kinder ausrichten wollen oder dürfen

von denen ich glaube, dass die Saftabfüller selbst sehr genau wissen, dass es nicht mehr als eine Floskel ist, die vermutlich einer ihnen auferlegten Sprachregelung entspringt, was ich aber nur mutmaßen und daher nur schwer unterstellen kann (keine Sorge, ich kriege den Satz noch zuende), garnieren sie ihren Kommentar mit dem Begriff „Makeover“, den ich nur als Provokation, vermutlich humorig gemeint, empfinden kann:

3

Also, Hut ab an dieser Stelle, die Replik hätte von mir sein können! Wobei das mulmige Gefühl bleibt, dass sie das „Makeover“ weniger gedankenbeladen von sich gegeben haben, als ich es rezipiere. Es bleibt offen, sofern sie nicht noch antworten.

Grundsätzlich ist das ein schönes Beispiel für gute Unternehmenskommunikation, denn einen solch pubertären Kommentar, wie ich ihn abgelassen habe, hätten sie auch durchaus löschen oder (viel besser!) ignorieren können. Stattdessen reagieren sie freundlich (da ja bald familienfreundlich!) und offen. Vorbildlich, denn so nimmt man dem Gegenüber Wind aus dem Segel. Und, siehe oben, meinen zweiten Kommentar versah ich direkt mit einem augenzwinkernden Smiley, um zu demonstrieren, dass ich gar kein so schlimmer Wut-User bin. Nein, Wutnutzer.

Denn ich unterstelle auch dieses: Ich bin mit meiner Kritik nicht allein, ich wette, dass einige, die die Entscheidung zur Umbenennung mittrugen, sich im Hinterkopf denken:

„Wie peinlich!“

Als die „Zurich Versicherung“ sich der offenbar lästigen Ü-Strichelchen entledigt hatte,

Internationalisierung war damals die Begründung

regte ich mich ebenfalls irgendwo im Netz auf und bekam von einem Zurich-Mitarbeiter die Antwort, dass er das auch ziemlich beschissen finde, aber was wolle man machen.

Das Arschficken der durchaus klangvollen deutschen Sprache ist eines meiner wenigen Aufregerthemen, die ja jeder so hat. Vieles lässt mich völlig gleichgültig, dieses allerdings nicht. Vor zehn Jahren wartete ich noch auf den Gegentrend, auf die Erkenntnis, dass ich mich dann als Marke absetze, wenn ich auf einen deutschen Namen setze. Diese Hoffnung habe ich inzwischen aufgegeben, sie wich der Fremdscham, zumal man sich im englischsprachigen Raum in Wirtschaftskreisen herzhaft über diesen Sprachvergewaltigungsdrang der Deutschen belustigt.

Es stellt sich die Frage, warum es mich eigentlich aufregt. Sprachen sterben und als Freund der Globalisierung sollte ich doch auch diesen ihren Effekt akzeptieren, sogar gutheißen. Tue ich aber nicht, da Globalisierung durchaus Vielfalt bedeuten kann. Sprache ist Teil einer Kultur; Kultur macht den Menschen zum Menschen und seine pluralistischen Gesellschaften aus. Nicht nur Normen (legitime) machen Gemeinschaften aus, auch eigene Kulturen, die sich dann untereinander austauschen können und ja, auch gegenseitig bereichern. Wir hingegen geben mit einem beeindruckenden Selbsterniedrigungsdrang einen ganz erheblichen Teil unserer Kultur auf.

Was spricht eigentlich dagegen, den Fluch „Scheiße““ einfach mal nicht durch dieses aus einem deutschen Munde lächerlich klingende „Fuck!“ zu ersetzen?! Ich empfinde es als hochnotpeinlich, wenn jemand sein Gegenüber mit einem „Fuck you“ garniert. Denn wenn wir Deutschen doch eines immer gut konnten, dann doch ausdrucksstark fluchen: „Fick dich!“, oder erweitert, „Fick dich, du Hurensohn“ oder, ich gerne, „Fick meinen Arsch!“, was aber nicht als Aufforderung misszuverstehen ist.

Update

Capri-Son hat reagiert:

4

„Vielleicht bis bald“. Höflich beenden sie das Gespräch. Und ich stehe irgendwie doof da. Haha, selbst schuld!

(Seltsam, dass sie den Bindestrich nicht gleich mitgetilgt haben. Werber mögen keine Bindestriche.)


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