„Klar können wir heute in die Stadt!“, sage ich zu meiner Mitbewohnerin am vergangenen Samstag.
„Aber samstags?! Das wird voll!“
„Nein“, beruhige ich in meiner gewohnt besonnenen Art, „ganz Düsseldorf feiert gerade sicher Karneval. Wir haben die Stadt für uns!“
Das überzeugt sie zwar nicht, aber dennoch gehen wir „shoppen“, was man früher wohl „bummeln“ nannte, wobei „bummeln“ eher das ziellose durch die Stadt Eiern meint, was es bei mir nicht gibt. Ich habe eine klare Konsumabsicht: Hosen, Pullover und Jacke.
Wir fahren mit der Straßenbahn, die seit Eröffnung der neuen U-Bahnlinie hier uns und einen verkleideten Mob direkt zu unserem Ziel bringt: „P&C“, „Peek und Cloppenburg“. Und hier darf der Hinweis nicht fehlen, der mich lange Zeit verwirrt hatte: Ich hatte immer geglaubt, der P&C in Düsseldorf sei der gleiche wie der in Münster. Doch weit gefehlt. Zwar sind beides Modehäuser, aber tatsächlich gibt es zwei voneinander unabhängige Unternehmen, die beide „Peek & Cloppenburg“ heißen und beide Klamotten verkaufen. Zu allem Überfluss ähneln sich auch noch ihre Logos. Und beiden gemein ist, dass sie eben nicht piek, sondern peek gesprochen werden. Da kann „Capri-Sun“ nur drüber lachen …
Ich war noch nie bei P&C. Weder im einen noch im anderen. Es war meine Premiere. Und auch, wenn es mein erstes Mal war, glaube ich, dass es nichts mit P&C zu tun hat, dass dort verkleidete Menschen einkaufen.
„Von wegen, die feiern alle Karneval! Sie sind alle hier!“, meine Mitbewohnerin.
„Die Irren kaufen tatsächlich in Verkleidung ein?!“, ich bass erstaunt.
Ich kann es nicht fassen. Ziehen die sich dann in der Umkleide die alberne Verkleidung aus, um dann Hosen und Co. anzuprobieren? Ich lehne Karneval rundheraus ab, vermutlich fehlt mir daher einfach der Zugang zu diesem für mich abnormen Verhalten. Da läuft ein Typ als Frosch verkleidet rum und guckt sich nach neuen Hosen um! Und eine Pippi Langstrumpf sucht neue Unterwäsche. Wäre ja alles verständlich, befänden wir uns bei „Deiters“.
„Wir sind die einzig Normalen hier!“, exklamiere ich feierlich und bin stolz auf mein masseninkompatibles Verhalten, fühle mich aber schräg von der Seite angeguckt. Insbesondere von dem Froschmann, der sich für die gleichen Hosen interessiert wie ich. Es sind diese Dinger, die unten am Hosenbein ein Bündchen haben.
„Scheint der Trend des Frühjahrs zu werden“, sage ich zum Frosch.
Der sieht mich abschätzendes Blickes an, mustert mich von oben bis unten. Ich:
„Ja, ich bin nicht verkleidet. Gibt es Rabatt, wenn man verkleidet kommt? Als was gehen Sie?“
Finde mich wieder wahnsinnig humorig, womit ich mich noch weiter isoliere, da auch meine Mitbewohnerin auf Abstand geht: „Ich gehe in die Frauenabteilung.“
Der Frosch: „Ich gehe als Frosch. Ist ja wohl offensichtlich. Du bist kein Düsseldorfer, oder?“
„Ja, Karneval ist nicht so mein Ding. Ich bin Kölner“, lüge ich und gratuliere mir zu dem gelungenen Scherz, weil es kein anderer tut.
„Die Hosen waren schon letztes Jahr in“, sagt der Frosch und geht zu den Jeans von „Diesel“.
Ich suche derweil meine Hosengröße 32/32, da es 32/33 ja nicht gibt, wie ich dereinst gelernt habe, obwohl 33 mir in der Länge besser passte als 32. Und stelle fest, dass ich nur S, M und L finde. Nehme alle mit und folge dem Frosch in die Diesel-Abteilung, weil mir ein grandioser Scherz eingefallen ist:
„Gibt es hier auch Diesel-Handschuhe?!“
Erst seit Kurzem ist mir als Benzin-Tankender bekannt, dass es an Tankstellen Diesel-Handschuhe gibt. Das interessiert wie meinen Gag allerdings niemanden und der Frosch ist bereits in einer Umkleide, was ich an den grünen Füßen unterhalb des Vorhangs erkennen kann. Ich betrachte die Preisschilder der Diesel-Produkte und gehe leicht erschrocken weiter in die „Jack and Jones“-Region, die mir preislich etwas entgegenerkommt. Dort finde ich eine Jacke, die ich als Übergangsjacke einstufe und überlege, ob ich den Übergang vielleicht in diesem Jahr erwische. Ich greife mir die Jacke in den Größen S, M und L sowie zwei Pullover in S, M und L, als das Unvermeidbare geschieht: Eine Verkäuferin hat mich offenbar ins Visier genommen und kommt auf mich zu. Ich versuche zu flüchten, bleibe aber zwischen zwei Kleiderständern stecken, sodass sie mich tatsächlich erwischt:
„Du, du trägst da aber ganz schön viel! Wenn du magst, kannst du das erstmal bei mir da vorne ablegen!“
„Ja. Alle Größen halt. Aber das passt schon.“
„M dürfte dir passen.“
„Nein, ich meine, dass ich die Klamotten mit mir rumtrage, das passt schon.“
Ich sage oft „passt schon“. Eine alberne Floskel, die immer irgendwie passt. Die Verkäuferin, die mich offenbar gut kennt, duzt mich weiter:
„Ich kann dir auch gerne ’ne Tasche geben, dann kannstes besser tragen!“
„Ich kann ja alles tragen“, sage ich, was sie nicht versteht.
„Doch, wird dann ganz easy für dich mit ’ner Tasche. Moment.“
Okay, denke ich, vielleicht sollte ich die easy Tasche einfach nehmen, damit ich Ruhe vor ihr habe. Sie kommt zurück mit einer großen Tasche, die sich schnell als zu klein erweist, weil ich noch eine Art Oberteil in S, M und L dazupacke, das man wohl „Hoodie“ nennt.
Beim Einkaufen folge ich dem Prinzip, dass ich nur ein Mal eine Umkleide betrete, daher einen Großteil des Ladenbestandes mit hineinnehme. Ein „bitte nur fünf Teile mitnehmen“ hat für mich keine Bedeutung. Werde ich darauf angesprochen, sage ich meist: „Ich verspreche Ihnen, fast alles zu kaufen. Dafür darf ich auch viel mit reinnehmen.“ Damit komme ich tatsächlich meist durch!
Während ich weiter nach Hemden suche, wird meine Tasche zum Problem für die anderen Kunden. Ich bin der einzige, der mit so einer albernen Tasche rumläuft, andererseits sind die anderen verkleidet, was ich noch viel alberner finde. Dennoch ist es keine Absicht, dass ich sie permanent mit meiner Tasche anremple. Es ist einfach zu voll.
Zwar bin ich wenige Minuten später in der Umkleide alleine, doch ist es dort noch voller, weil viel zu eng. Die Tasche passt rein, ich irgendwie nicht, quetsche mich dann aber dazu und bekomme Schweißausbrüche beim Umkleiden. Ich stelle fest, dass diese neuartigen Hosen keinen Reißverschluss und keinen Knopf haben, sondern ein fesches Bändchen. Gut, der Trend will es so und ich mache jeden mit. Erst zuhause soll ich feststellen, dass mir auch die Gürtelschlaufen fehlen werden, die ich für meine Portemonnaie-Kette sowie meinen Schlüsselanhänger benötige. Ich habe meine Mitbewohnerin inzwischen damit beauftragt, mir zumindest je eine Schlaufe an die Hosen zu nähen. Sie kann sowas.
Bei den Hosen übrigens habe ich nun eine in M, zwei in L. Die Jacke ist S, die Pullover sind M und L. Die nicht passenden Teile stopfe ich wieder zurück in die Tüte, den Pullover in S nach ganz unten, weil der ein nichts Gutes ahnen lassendes Geräusch beim Anprobieren machte, sodass mir umgehend klar war, dass er zu klein war. Ich kaufe ihn also nicht, zumal er kaputt ist.
Jene Tasche will ich meiner neuen Duz-Freundin zurückbringen, finde sie aber nicht. Dafür aber meine Mitbewohnerin.
„Wo hast du denn diese Tasche her? Schon bezahlt?“, fragt sie.
„Nein, die hat man mir aufgezwungen. Wohin damit jetzt, ist die Frage.“
„Guck mal, da geht einer als Frosch!“, sie nur.
„Ja, der will keine Hosen mit Bündchen unten.“
Unauffällig stelle ich die Tasche neben einen Klamottenständer und wir gehen bezahlen. Und dann zu „H&M“. Da geht der Stress erst richtig los.
Vorher-Nachher-Fotos jetzt auf meiner Facebook-Seite!
Hieß der Gag nicht ursprünglich: Ich interessiere mich nicht für schlechtes Wetter und Katholiken, ich komme aus Münster?
Wissbegierige Grüße aus dem Garten :D
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Aber da gibt es doch die Steigerung: „Schwarz, Münster, Paderborn“! ;-) Erzkatholisch. ;-)
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Ihr diskutiert über Fasnet, Karneval oder wie es bei euch auch heissen mag! Ihr habt das beschriebene Problem nicht erkannt. Wer trägt schon Hosengrösse 34/32 oder ähnlich?
Das ist hier das wahre beschrieben Problem. ! Narri Narro
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32/32!
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Überall höre ich nur Karneval. Da wo ich herkomme heißt diese Verschwendung von Zeit und Geld noch Fasching O_o
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Da, wo ich wohne, heißt es auch Fasching und geht mir am A… vorbei. Ähem, tangiert mich noch nicht einmal peripher.
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Was ist denn das eigentlich: Fasching, Karneval, Fastnach oder Fasnacht, Verkleidung?
Kenne ich nicht als nicht Katholik bzw. moderner Atheist.
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„Als was gehen Sie?“ :D „Ich habs nicht mit Karneval, ich bin Kölner.“ :D Ich habe mich fast weggeschmissen vor Lachen. Unlustiger Frosch da.
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Heut‘ hat ein „Blümchen“ neben mir die Auswahl an Käse bestaunt, verziert mit einer kleinen Kindergießkanne am Gürtel und so goldigen Sommersprossen. War die einzige „Karnevalistin“ im Supermarkt. Warum tut frau sich sowas an? Im Übrigen finde ich einkaufen bzw. Klamotten suchen und auch die richtigen finden super anstrengend. Bei P&C ist das aber ein Kinderspiel und fast Entspannung pur, wenn du es vorher mal bei TK Maxx probiert hast. Was dort abgeht ist …… wie soll ich es ausdrücken – unbeschreiblich und irre. Vor allem die Einkaufswagen, die alle hinter sich her ziehen und zwar vollgestopft mit „Markenschnäppchen“. Vor der Umkleide lange Schlangen, die Teile werden gezählt und nachher auch wieder, damit nichts wegkommt. „Schöne neue Shopping-Welt“.
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ich weiss schon, warum ich mir das Einkaufen am Samstag verkniffen habe. Eine Fröschin habe ich heute Morgen beim Brötchenholen auch gesehen und einen niedlichen rosa Hasen einem Arsch an den Knien und einem weissen Schwänzchen, zu putzig…. dazu ein müdes, bärtiges Gesicht mit deutlichen Gebrauchsspuren. Ja, Karneval in Köln ist schon einmalig ….. ich bin in die Pedale getreten und hab gesehen, dass ich schnell wieder nach Hause kam.
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Du solltest mal versuchen, im Fasching als Biotop zu gehen. Da findet man alles, was man dazu braucht, im Garten. Ich geh als Helgabiene 🐝
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Bei Seppo es ist alles klar: er geht als und ist der Froschkönig! (seine Intro-Bild)
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Der Frosch Mann ist mein fav… der ist soo lustig nur weiss erst wohl nicht… wahrscheinlich hat er sich statt Hose mit Bündchen ne ordinäre Jogginghose gekauft… hihihihi.. Size Zero.. für ein Beinchen
:-)
S.
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@seppo, diese verdammten Größen immer *hihihiji*
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Bei uns ging gestern jeder einfach als Betrunkener.
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Das mussten einige dann nicht mal spielen!
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S/M finde ich auch gut….
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Fasching … Karneval heißt hier Fasching und ist eigentlich nur was für Kinder (in Größe und Alter) und wer es doch macht, der versteckt sich richtig gut, weil man ja nicht erkannt werden will.
Ha, eine Shopping-Orgie in einer dieser Karnevalshochburgen muss einfach so aussehen, wie Du es beschreibst. Kermit hat sicher auch noch eine Kostümierung für den Alltag gefunden, damit er nicht so auffällt.
Doch einige Fragen sind noch zu klären, da ich, als Norddeutsches Pflänzchen ‚Deiters‘ nicht kenne. Deiters … was gibt’s da? Und was bitte schön ist ‚Hoodie‘? Nie davon gehört, oder gehe einfach zu wenig unter die Leute, um noch ‚up to date‘ sein zu können. Den Vorwurf könnte man mir sicher machen … so als Schreiberling. Da geht man eben nicht so häufig raus und hört sich um. Und beim Shoppen mache ich das auch genauso, wie Du: alle Teile über dem Arm und rein zum Anprobieren. Am Ende wird schon etwas passen und vielleicht noch besser: auch gefallen. An diesen Hungermodells sieht irgendwie alles gut aus. Bei mir sitzt die Bluse, Hose oder Jacke nie wirklich, es sei denn ich greife gleich die zwei Nummern größeren Teile. Dann sieht’s wieder locker lässig aus.
Dass nun die Hose keine Schlaufen für einen Gürtel haben, wäre mir aufgefallen, aber ich bin ja auch eine Frau ;-) und hätte sie daher nicht genommen, Trend hin oder her.
Wieder schöne Tatsachenbeschreibung aus dem Leben von Seppo ;-D
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Deiters ist eine kostümladenkette, die hier im Rheinland zweimal im Jahr ein gutes Geschäft macht.
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Das mussten Einige dann nicht mal spielen!
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