„Exaltiert“ und „egozentrisch“ waren als mögliche Begriffe beginnend mit E im Rennen hier in der fünften Runde des heiteren seppoABCs. Manch einer würde mir diese Vokabeln vermutlich sofort zuschreiben, manch anderer wiederum nicht, da sie auf die private Ausgabe meiner Person eher weniger passen; zumindest würde ich selbst es so einschätzen, doch liegt man mit der eigenen Wahrnehmung in aller Regel weit entfernt von jener seiner Mitmenschen. Wer mich nur über diesen Blog „kennt“, der kennt eben nur diese eine, diese öffentliche Seite von mir, die ich im Fernsehen noch viel höher potenziert raushängen lasse, vielleicht – ich analysiere mich kurz – weil es sich privat eben ganz anders verhält. Doch gibt es natürlich auch mehrere private Varianten von Menschen: Meine Mitbewohnerin kennt mich wohl besser als jeder andere Mensch, so ganz ohne jede Fassade. Enge Freunde haben ein ähnliches, aber nicht ganz so blendfreies Vergnügen und weniger enge Freunde würden mich wohl eher als introvertiert wahrnehmen. Mehrere Varianten des Ichs, das hat wohl jeder.

Also braucht es etwas anderes mit E und wie immer im Rahmen dieser Serie habe ich mich im Freundeskreis umgehört.

„Einhundert Leute haben wir gefragt: Nennen Sie etwas mit E, das mit Seppo zu tun hat.“

„Egoist?“

„Egoist? Sehen wir nach … 34 Leute! Aber nicht die Top-Antwort. Chance für Sabrina USA, das zu toppen!“

„Erheiternd!“

Verdammich, das schlägt sie wirklich vor. Ein nettes Kompliment, das mich jedoch in die missliche Lage des Eigenlobs bringen könnte. Eigenlob! Das wäre doch ein Kandidat! Wobei, Eigenlob liegt mir fern … Ich brauche einen anderen Begriff, obwohl Sabrina USA (eine gute Freundin namens Sabrina, die in Chorweiler, nein, in den USA lebt) natürlich vollkommen Recht hat.

Ich googele spontan „Begriffe mit E“ und erhalte „Entenfresse“. Wenn es der Fall wäre, ich würde sofort darüber schreiben. Also weiter suchen … „Eckenkind“. Kenne ich nicht. Bezeichnet eine freudlose Person. Nein, das betrifft mich nicht. „Edelpuppenköder“! Was zur Hölle ist das?!

Ein „Edelpuppenköder“ ist ein kostspieliges Geschenk für die Frau, die Mann erobern möchte.

Moooment, jetzt funkt Sabrina USA mit einem weiteren Vorschlag dazwischen.

ich hatte erst an eierkopp gedacht, aber dachte dass ist nicht das wonach du suchst

„Eierkopp“ ist das erste, das ihr in den Kopf kommt, wenn sie an mich denkt?! Ich gebe zu, das nicht zum ersten Mal zu hören. Ich hatte eigentlich auch geglaubt, dass sich das mit dem Eierkopf erledigt hätte, seit ich wieder Haupthaar trage. Man nimmt mich also als erheiternden Eierkopp wahr. Ich ziehe mich nun beleidigt zurück und schreibe an dieser Stelle weiter, wenn ich im ICE Richtung Düsseldorf sitze. Eierkopp … unfassbar. Bei aller Liebe. Ich bin ja nicht empfindlich oder so. Aber Eierkopp?! Man kann mir ja einiges an meinen Eierkopp werfen, aber Eierkopp?! Nicht, dass es mich berühren würde, steh ich drüber. Aber Eierkopp?!?!?!


20 Uhr zehn, ein ICE fährt mich in die Heimat. Ich hatte ein paar Stunden Zeit, mir weitere Begriffe in den Eierkopp kommen zu lassen und festgestellt, dass überhaupt sehr viele Eigenschaften mit „ei“ beginnen. Eisern. Bin ich eisern? Ich bin eisern in Bezug auf zwei Dinge: Essen und Sport. Bislang zehn Kilogramm habe ich durch den Verzicht auf Kohlenhydrate abgenommen und Muskeln aufgebaut durch Sport und: Eiweiß! Noch ein Ei nebenbei. Generell beschreiben mich derzeit Eier tatsächlich ganz trefflich, da ich Unmengen derer verzehre. Eiserne Disziplin habe ich in der Tat in diesen beiden Bereichen entwickelt, gerade dem Sport oberste Priorität eingeräumt, was ich immer dann besonders zu spüren bekomme, wenn ich für ihn meinen Schlaf opfere, was natürlich eher nicht empfehlenswert ist, aber der Verzicht auf die tägliche Sporteinheit ist bei mir unter keinen Umständen eine Option.

„Elitär“ kam mir noch in den Kopf. Bin ich nicht, aber mir wurde mal gesagt, meine Schreibe sei elitär. Das glaube ich eigentlich auch nicht. Und wer sich selbst für Elite hält, hat ohnehin ein Problem.

„Eifersüchtig“. Meine Mitbewohnerin hat sich darüber lediglich zu Beginn unserer Beziehung einmal beklagt, seitdem ist eine solche Eigenschaft aber kein Thema mehr. Krankhafte Züge hatte sie ohnehin nie angenommen, die Eifersucht, allerdings weiß ich, dass ich in bestimmten Konstellationen, die schon sehr speziell sein müssen, durchaus eifersüchtig sein kann. Doch halte ich das für ein völlig normales Verhalten, das tragbar eifersüchtige, da es ja auch eine gewisse Wertschätzung signalisiert. Gerade in Bezug auf Frauen dulde ich keine Rivalen, was aber auch schlicht bedeuten kann, dass ich mich zurückziehe, also nicht unbedingt aggressiv reagiere, sondern

Mir sitzt hier ein Typ gegenüber, der seine Schuhe ausgezogen hat. Es fehlt nicht mehr viel, dann weise ich ihn auf diese olfaktorische Belästigung hin. Glaubt er, seine Füße duften nach Erdbeeren?!

das Feld dem Konkurrenten überlasse. Sooo nötig habe ich es in der Regel nicht und wenn der Gegner meiner ohnehin nicht würdig ist, soll es mir lungo sein, da es ja auch einiges über die Umworbene aussagt.

„Eilig“. Mein erstes Auto war ein Toyota Aygo. Meine Mitbewohnerin und ich nannten ihn den „eiligen Aygo“; wir hatten ihm sogar ein Lied geschrieben, das in etwa so ging:

Ei-, ei- eiligeeeer Ayyyyygo!

Ich sang es gerne sehr laut während der Fahrt, wofür mich meine Mitbewohnerin mit Spott übersäte. Nun fahre ich einen Yaris und suche noch immer nach einem Namen für ihn. „Yariswagen“ war mal als Wortspiel in der Auswahl, aber es ist nun mal kein Jahreswagen.

Eilig. Ich bin oft eilig. Nicht, weil ich immer zu spät wäre, sondern weil mir die Angst vor dem Zuspätkommen permanent im Nacken sitzt. Die kleinste Zeiteinheit, mit der ich arbeite, ist die Viertelstunde. Ich will es verdeutlichen: Muss ich zu meinem Zahnarzt, der etwa in drei Minuten fußläufig zu erreichen ist, plane ich ein bis zwei Minimum-Zeiteinheiten ein, gehe also schon eine halbe Stunde früher los, was bedeutet, dass ich 27 Minuten zu früh im Wartezimmer sitze. Rational weiß ich es besser, und obwohl Rationalität an sich mein Ding ist (weshalb ich mich prima mit Frauen verstehe), bin ich in dem Bereich absolut irrational unterwegs. Ich war auch eben eine halbe Stunde zu früh am Bahngleis, obwohl ich wusste, dass ich zum Bahnhof lediglich zehn Minuten brauchen würde. Aber man weiß ja nie …

Kollege Christopher schlug mir ebenfalls einen Begriff mit E vor, der mir nahezu zeitgleich auf dem Klo eingefallen war. Dazu gleich mehr – Spannungsbogen -, denn vorher kam mir noch „ernst“ in den Sinn. Bin ich ein ernster Mensch? Definitiv. Viele Situationen nehme ich als äußerst ernst wahr. Und nun wird es ambivalent bis widersprüchlich: Ich nehme im Grunde nichts ernst, versuche immer, das Komische im Ernsten zu sehen. Wie löse ich diesen Widerspruch auf? So: Um das Komische im Ernsten sehen zu können, muss man zunächst alles sehr ernstnehmen. So einfach kann es sein! Ich glaube sogar, dass sich aus der Haltung, vieles zu ernstzunehmen, überhaupt erst eine Komik entwickeln kann und dass ambivalente Geister ohnehin die eher Komischen unter uns sind. Sie versuchen womöglich, ihre eigene Ambivalenz mittels Humor zu entknoten. Aber sicher weiß ich das nicht. Ich bin der Frage gegenüber ambivalent.

„Was ist mit ‚eigen‘, Seppo?“, fragte mich Christopher also am Nachmittag.

„Verrückt! Dachte ich eben auch dran, als ich auf dem Klo eingepennt bin!“, sagte ich ihm. Denn ich bin heute ausgesprochen müde. Schuld ist mein eiserner Sport, der mir bereits um sieben Uhr morgens am Anfang des Tages den Rest gegeben hatte.

„Kauzig“ wurde ich schon genannt, „verschroben“ und „komisch“. Klingt alles ’n bisschen negativ,

Jetzt schreit hier ein Kleinkind rum! Im Ruhebereich! Es kann nicht lange dauern, bis sich jemand beschwert!

war aber womöglich nicht so gemeint. Mit „eigen“ kann ich aber leben, es befindet sich in guter Gesellschaft mit der introvertierten Seite von mir und passt, ambivalent, auch zur extrovertierten.

Ich bin alles – und nichts. Schlauer ist jetzt wohl niemand geworden. Ich aber durchaus.