Große Aufregung in der Redaktion des seppologs in Düsseldorf-Oberbilk, dem neuen In-Viertel des rechtslinksrheinischen Molochs: Der 600. Text des Blogbusters soll am 13. Juni online gehen, „heiß geschaltet“ werden, wie es in den socialmedia-Agenturen nicht heißt.

„Schon wieder ein Jubiläum?!“, fragt manch einer hinter vorgehaltener Hand – aus Angst, Chefautor Seppo könnte da Kritik rauslesen. Pech, wenn Seppo es dennoch mitbekommt und streng korrigiert:

Seppoläum! Wir haben uns auf diese Sprachregelung geeinigt. Und natürlich wird jeder 100. Text gefeiert, denn jeder weitere könnte der letzte sein.“

„Aber war doch erst Zweijähriges!“, gibt Matrizen-Mano zu bedenken (in der Redaktion wird noch mit Matrizendruckern gearbeitet, da Seppo den Geruch der frischen Druckerzeugnisse so mag, sich erinnert fühlt an seine Cait in der Grundschule, als er das Handwerk des Schreibens erlernte, das ihn überraschend weit bringen sollte).

„Wie ist dein Name, Handlanger?“, will Seppo wissen.

„Manuel.“

„Sagt mir nichts.“

„Mano?“

„Nie gehört.“

„Matrizen-Mano?“

„Ah, du bist das. Pack deinen Kram zusammen. Spalter brauchen wir hier nicht.“

Die einen sagen, Seppo habe ein Terrorregime installiert, agiere wie ein Tyrann. Andere sagen, Seppo kompensiere damit nur charakterliche Schwächen. Seppo sagt:

„Ein Chef muss durchgreifen können, ein Chef hat die Richtlinienkompetenz. Denkt euch also was Dolles aus für den 600. Text, damit ich nachher meinen Namen darunter setzen kann.“

„Du könntest dich zur Abwechslung doch mal selbst beweihräuchern!“, schlägt Kaffee-Katrin vor, in der Hoffnung, Seppo erkennt den Seitenhieb nicht. Gebannt erwartet sie seine Reaktion in der Furcht, zu weit gegangen zu sein.

„Du hast Recht! Wie heißt du?“

„Katrin.“

„Nie gehört.“

„Kaffee-Katrin.“

„Ah, guter Kaffee übrigens! Eine sehr gute Idee von dir, mal was anderes!“

Seppo beruft eiligst eine außerordentliche Redaktionssitzung ein und brüllt durch den Flur:

„Scooter-Skandar! Wo bist du? Fahr mich in die Piazza!“

Scooter-Skandar ist Albaner. Nur wegen seines Namens wurde er eingestellt, da er Seppo im „Scooter“, einer Art Elektrorollstuhl, durch die Büroräume chauffiert. Und nun in die Piazza, wo Seppo gerne die richtig wichtigen meetings einberuft. Es sind jene Versammlungen, bei denen er gerne laut wird, seine eigene Unfähigkeit auf die Mitarbeiter abwälzt, allen voran auf Mitarbeiter-Mirko, der, so sagt man, Seppos persönlicher Lakai ist.

„Oh Gott, Piazza?! Was haben wir angestellt? Geht es um den zensierten Artikel?“, fragt IT-Itona, die beim seppolog für die IT zuständig ist. Und in der Tat ist dieser Artikel, also dieser!, eigentlich der 601.! Denn es gab dereinst den Text „Neuer Service: mySeppolog“, der einer der meist geklickten war, leider aber offline genommen werden musste, da eine Leserin mit einem Anwalt drohte.

„Anwalt ist informiert.“

Nun ist Seppo ja nicht vollumfänglich blöd und hatte sich damals seinerseits informiert und kam zu dem Schluss, dass jener Artikel keine Persönlichkeitsrechte verletzt hatte.

„Weil ich aber keine Lust hatte, mich mit einer Leserin auseinanderzusetzen, die wegen einer Lappalie allen Ernstes mit einem Anwalt droht, veranlasste ich die Löschung des Textes, der wirklich gut geschrieben war. Von mir.“

Doch das ist längst vergessen. Wie auch ein weiterer Artikel, der ebenfalls wieder offline genommen wurde. Heißt also, dieses ist weder der 600. noch der 601., sondern der 602. Text aus der Feder des kongenialen Autors Sebastian Flotho.

„‚Welttournee mit Klampfe‘ hieß im September 2015 ein Text, der temporeich geschrieben war, für den Leser allerdings völlig unverständlich. Entsprechend reagierte dieser: nämlich gar nicht. Lag nicht an mir als Autor, lag am Leser, dem es offensichtlich an Reife mangelt.“

Der Text war eher ein Interview mit dem großen Ost-Schlagerstar Jost Klampf. Eine Figur, in die Seppo – vielleicht aus Verzweiflung – hin und wieder geschlüpft war, um damit die Massen zu begeistern, was ihm gründlich misslang. Texte in Interview-Form funktionieren grundsätzlich nicht im seppolog, doch ausgerechnet diese Textform schätzt die Feder am meisten.

„Das war nicht meine Schuld, es war die Schuld des Publikums. Noch nicht reif dafür.“

Damals, Seppo begann gerade seine große Moderationskarriere (Infos hier: www.seppo.tv), war er auch im Kreise seiner Kollegen isoliert, die anders als er ihren Job natürlich verstanden hatten. Für Seppo begann eine Phase der Drogen, der Huren und des sozialen Abstiegs. Und damit lebte er ausgerechnet die Lebensgeschichte seiner Kunstfigur Jost Klampf nach … Ironie des Lebens.

„Klampf wird wiederkommen!“, drohte Seppo jüngst wieder, „jetzt erst Recht. Wirst du kritisiert, machst du es richtig. Oder du machst es eben aus Trotz. Die falschen Zähne von Klampf habe ich noch in meiner Schublade liegen.“

 

Seppo setzt sich in den scooter, klopft Scooter-Skandar auf die Schulter:

„Und los!“

Bis die beiden in der Piazza ankommen, wo bereits das Kollegium, also die ihm Untergebenen, auf ihn warten.

Absolute Stille, als Seppos Scooter erst gegen den Türrahmen fährt, dann die Piazza entert.

„Liebe Freunde!“, beginnt Seppo, noch während der Scooter fährt.

„Jetzt halt das Ding an!“, zischt Seppo Scooter-Skandar an, doch der drückt panisch sämtliche Knöpfe.

„Reagiert nicht!“, ruft er – und springt ab.

Die Umstehenden halten sich die Hände gebannt vors Gesicht, während Seppo wild fluchend in das Kunstpflanzen-Arrangement rast. Mit fünf Kilometern pro Stunde. Ein dumpfes Krachen bringt den Scooter zum Stehen, doch die Fliehkraft ist Seppos Freund nicht: Jener fällt nach vorn und verfehlt nur knapp den Innen-Springbrunnen. Hantel-Hanno reagiert als Erster und kommt dem Magnaten zur Hilfe.

„Seppo, fall nicht!“, sagt er.

„Du Narr, ich bin bereits gefallen. Übrigens, wo du gerade da bist: Du musst heute Abend wieder hanteln, mein linker Bizeps ist kleiner als mein rechter.“

Hantel-Hanno hilft dem Blog-Mogul auf, der nahtlos seine Ansprache fortsetzt:

„Ein historischer Tag! Wir haben einen holländischen Investor gefunden, der bereit ist, unseren Laden zu über-, nein, Moment, das ist die falsche Rede.“

Reden-Rudi springt Seppo zur Seite und übergibt ihm das korrekte Reden-Manuskript, das Manuskript-Markus verfasst hat.

„Ein historischer Tag!“, liest Seppo, „Wir stehen vor der Veröffentlichung des 600. Artikels.“

„Ist es nicht der 602.?“, ruft Klugscheißer-Klaus.

„Pack deine Sachen, äh …“

„Klaus.“

„Klaus? Nie gehört.“

„Klugscheißer-Klaus.“

„Ah, Klaus! Du bist es! Pack deine Dings, äh, deine … dein Zeugs halt … des 600. Artikels! Eine Handlangerin schlug mir vor, dass ich die Gelegenheit nutze, mich selbst zu loben. Der 600. Artikel wird sich also anders als die 599 vorigen ausnahmsweise mal um meine Person drehen.“

600 Texte sind für mich persönlich, ich weiß ja nicht, wie es Euch geht, eine Sensation. Seit rund zwei Jahren schreibe ich diesen Blog, der für mich verschiedenste Funktionen erfüllt. Eine wohl kaum zu übersehende ist für mich die Möglichkeit, mich mitzuteilen, da ich teilweise wirklich etwas zu sagen habe, obwohl ich mir dabei nicht einbilde, dass es ein großes Publikum verdient hat. Findet es aber dennoch … Ich bin, muss ich mal zugeben, sofern es nicht schon durchklang, ausgesprochen stolz auf diese Nummer, da ich die bloße Zahl 600 beeindruckend finde. 600 Male habe ich irgend etwas aufgeschrieben, das teilweise – siehe gestern – völlig frei von Sinn war, das aber in Teilen auch sehr tiefgehend war. Blicke ich selbst gelegentlich auf ältere Artikel zurück, stelle ich eine Entwicklung fest. Es gibt freilich Dinge, die ich heute nicht mehr schreiben würde. Und es gibt Texte, bei deren Re-Lektüre ich mich meiner damaligen Lebenssituation erinnere, die sich erheblich gewandelt hat. Und das zeigt mir, dass wir alle einem ständigen Wandel unterliegen, uns permanent weiterentwickeln. Selbst kann ich feststellen, dass sich meine Persönlichkeit, über die man gerne streiten kann, aber nicht muss, sehr gefestigt hat, was sicher auch Folge des regelmäßigen Schreibens und der damit einhergehenden Selbstreflexion ist: Man versteht sich selber besser, was einem bei der Optimierung des Egos hilft, sofern man sie anstrebt. Vor allem eines habe ich optimiert: Die Selbstsicherheit. Ich weiß anders als vor zwei, drei Jahren, was ich kann, und vor allem, was möglich ist; aber auch, was unmöglich ist. Ich meine, ich schreibe einen Blog und der wird gelesen! Wie unfassbar geil ist das denn?! Nach wie vor ist das alles andere als selbstverständlich für mich und wenn nie berufene Kritiker mir unter die Nase reiben, meine Reichweite sei ja eher gering, hole ich mir danach einen auf meine Blog-Statistiken runter und frage ihn: Und was hast du erreicht?

Ich habe es schon oft geschrieben, weil es mein Mantra geworden ist: Womöglich erscheinen Dinge aussichtslos, also Ideen, Pläne und Vorhaben. Auf jeden Fall aussichtslos sind sie, solange man sie nicht angeht. Das ist so ein Ratschlag, der eigentlich kaum zu ertragen, aber doch wahrhaftig ist. Und man sollte nicht auf Ermutigung durch andere warten, denn es geht auch ohne. Dennoch wurde ich damals von mindestens einer Person ermutigt, die ich hier sssseeeehr gerne erwähne, da sie dem Stammleser als Sabrina USA schon bekannt sein dürfte. Sie sagte damals: „Schreib ein Buch!“ Das habe ich getan und bislang wurden 34.000 Exemplare – ach nein, das ist ja ein noch nicht angegangener Plan …

Erst gestern ist es mir wieder passiert, dass jemand, den ich gar nicht kenne, auf mich zukam und sagte: „Ach, übrigens, toller Blog! Lese ich hin und wieder!“ Das höre ich auch nach 600 Artikeln noch immer gerne, da sich mitnichten bei mir ein Gewöhnungseffekt eingestellt hat.

Ja, das war jetzt Eigenlob bis zum Erbrechen. Aber: Was soll’s?! Ob ich die 700 schaffe? Ich liebäugele bereits mit der 1.000 …

Ich danke Euch sehr ernsthaft und gewohnt demütig für Euer Lesen und Kommentieren. Und ja, der Toaster wurde 1991 erfunden.

BONUS

Der unveröffentlichte Artikel zum Comeback von Jost Klampf jetzt für kurze Zeit online!