Was ich denn da wieder schreibe, fragt mich meine mir Zugetraute, als ich in unserem „Medienraum“ wie immer mit Schreibhut bekleidet an meinem Schreibtisch sitze und gewohnt versessen die „Logitech“-Solartastatur nach Strich und Faden vergewaltige.

„An meinem Buch“, gebe ich eher geistesabwesend zurück.

„Hat es endlich eine Handlung?“

„Nein, es geht um in dem Buch eher um mich. Darum, wie ich reich werde. Ist so eine Art Ratgeber. Ratgeber sind die Katzen des Buchhandels. Katzen gehen immer, dummblöde Ratgeber auch.“

„Wie du reich wirst oder du im Sinne von man?“

„Ich sagte ja, es gehe um mich. Also darum, wie ich reich werde.“

„Wann ist es so weit?“, will sie wissen.

„Bin auf Seite 220 etwa. Und du weißt, unter Tausend mache ich es nie. Übermorgen ist es fertig.“

„Nein, ich meine, wann wirst du reich sein? Es wird ja wirklich mal Zeit!“

„Warte …“, vertröste ich sie und deute mit meinem rechten Zeigefinger, den ich an meiner linken Hand trage, in Richtung Wohnungstür. Meine mir Zugetraute blickt mit fragenden Augen – sie hat im Übrigen sehr schöne Augen, was bei mir Einstellungskriterium ist – in die meinen, die ebenfalls sehr, sehr schön sind, wenn auch nicht sehr sehkräftig, was mein Ärzteteam durch eine Brillenverschreibung auszugleichen versucht.

Es vergehen ein paar Momente, die ich damit überbrücke, dass ich einkaufen gehe. Für eine Hochzeit in Schottland brauche ich beispielsweise einen neuen Anzug sowie ein paar Urlaubstage. Dabei denke ich an meine Freundin in Irland, Melanie Chorweiler, die ich bei der Gelegenheit nicht besuchen werde. Wann ist man schon einmal in der Nähe?!

Als ich zurück nach Hause komme, steht da noch immer meine mir Zugetraute am Schreibtisch und blickt fragend auf die Stelle, wo ich nun wieder Platz nehme. Wieder deute ich zur Tür und muss für meine Person zugeben, mich ein wenig im Timing verschätzt zu haben, denn erst jetzt klingelt es an jener Tür.

„Da!“, sage ich, „Da kommt jetzt der Grund dafür, warum ich nun reich werde!“

Beide schreiten wir zur Türe, wobei ich den Spiegel unseres Flures passiere, in dem ich mich im neuen Anzug noch einmal mustere.

„Kann man tragen“, murmele ich, während meine mir Zugetraute die Tür öffnet:

„Hallo, Herr Kitzler!“, sagt sie, denn am anderen Ende der nun geöffneten Tür macht eben jener Nachbar, Herr Kitzler, uns die Aufwartung.

„Ich bin hier wegen der Aufzugwartung“, sagt er. Ich muss innerlich lachen, denn ich fasse den Plan, diesen Satz im Blog irgendwann einmal mit dem Begriff „Aufwartung“ zu verknüpfen.

„Ah, kommen Sie rein“, bitte ich, „Der Aufzug ist im Medienraum.“

Mir entgeht nicht, dass meiner mir Zugetrauten nicht entgeht, dass Herr Kitzler einen zumindest vergoldeten Aktenkoffer mit sich trägt. Anders als sie weiß ich bereits, was sich daran befindet.

Wir gehen zum Aufzug, fordern diesen an und lauschen der immer näherkommenden Fahrstuhlmusik (Ich glaube, es war Fraggle, der sich in diesem Zusammenhang ein bisschen mehr Genauigkeit erbeten hatte.). Die Tür öffnet sich.

„Egal, wie oft ich drücke“, erkläre ich Herrn Kitzler, dem alten Fahrstuhldegen das Problem, „Das Teil fährt einfach nicht mehr in die unterste Etage!“

„Unterste, hm? Das dürfte die Hölle sein?“

„Richtig. Ich hatte dort einen Besichtigungstermin, weil wir ja umziehen. Aber ich konnte ihn nicht wahrnehmen, weil der Aufzug streikt.“

„Nicht genug gesündigt?“, fragt neckisch der alte Narr.

„Doch, daran mangelt es sicher nicht. Es muss die Elektronik sein.“

„Herr Dings …“

„Flotho“, ergänze ich, da Herr Kitzler leider sehr dement ist.

„Ja, Flotho. Also, wo Sie gerade von Umzug sprachen. Auch deshalb bin ich hier. Im Namen der Stadt Düsseldorf und als Nachbarschaftsvertrauensperson möchte ich Sie noch einmal im Namen aller Bürger – wirklich aller – darum anflehen, dass Sie bitte, bitte in unserer Stadt bleiben.“

„Also, das Thema hatten wir doch schon …“, setze ich müde an.

„Herr Dings! Lassen Sie mich …“

„Flotho.“

„Nein, Kitzler.“

„Nicht Sie, ich.“

„Also, Herr Kitzler“, sagt er, „Lassen Sie mich Ihnen diesen Koffer überreichen. Die ganze Stadt hat dafür gesammelt, dass Sie und Ihre Dings …“

„Mir Zugetraute.“

„Ihre mir Zugetraute …“

„Nein, mir zugetraut!“

„Danke, ich habe ja schon.“

„Haben Sie nicht. Sie hatten. Ihre Frau ist schon lange tot. Aber ja, Ihre Demenz. Ihre Entschuldigung für alles …“

„Wie dem auch sei, wir haben Geld gesammelt: Ich überreiche Ihnen nun diesen Koffer gefüllt mit …“

„Marmelade?“, prescht meine mir Zugetraute dazwischen.

„Was?!“, fragen Herr Kitzler und ich im Chor, allerdings in verschiedenen Stimmlagen.

„Nichts“, antwortet meine mir Zugetraute, „Ich hatte nur so lange nichts mehr gesagt. Also, wie viel ist drin im Koffer?“

„Drei Millionen Euro!“, sagt’s und öffnet den Koffer.

Ich komme ins Überlegen. Und hake nach:

„Das Geld bekomme ich, wenn ich in Düsseldorf bleibe?“

„Das ist ja das Schöne: Sie bekommen es allein dafür, dass Sie Ihre Entscheidung, Düsseldorf zu verlassen, nur noch mal überdenken! Alles andere wäre ja Erpressung!“

„Oh, das kriegen wir hin! Darf ich?“

Herr Kitzler nickt und ich greife zum Koffer. Es gehöre nun mir, sagt er.

„Gut. Vielen Dank. Ich habe meine Entscheidung überdacht. Ich bleibe nicht in diesem Moloch aus Arro- und Ignoranz. Wir bleiben stattdessen dabei: Wir ziehen nach Münster!“

„Gut, wäre das ja geklärt, so sehr wir Ihre Entscheidung bedauern, Herr … äh …“

„Flotho. Und was ist nun mit dem Aufzug?“

„Löte ich Ihnen gerne. Aber nur, wenn Sie bald darüber schreiben, wie Sie in die Hölle fahren!“

„Sehr gerne. Morgen mache ich mich ans Werk, da sitze ich wieder fünf Stunden im Zug.“

Wir umarmen uns herzlich und Herr Kitzler kramt seinen Lötkolben hervor und lötet vor sich hin. Ich setze mich derweil wieder an die Schreibmaschine mit der Logitech-Tastatur und schreibe mein Buch zuende.