Endlich! Endlich habe ich wieder einen Anlass, mich zu feiern! Mich und mein „Werk“, das innerhalb von 40 Monaten auf 800 Texte angewachsen ist! Die Tausend rückt in greifbare Nähe! Und da ich gerade niemanden finde, der bereit wäre, das seppolog angemessen wie unkritisch zu rezensieren und anlässlich dieses Seppoläums zu zelebrieren, übernehme ich gerne diese Aufgabe! Mir schwebt eine Lobhudelei vor, die ich mit einigen persönlichen Worten garniere. Dieses wird zum Ende hin ein sehr persönlicher Text, wie Ihr ihn selten zuvor hier gelesen habt!

Ich habe mir seit dem 2. Mai 2015, als ich ins Blaue hinein den ersten post unter dem Titel „Wir können!“ veröffentlichte, den Ruf einer gewissen Unbescheidenheit erarbeitet, doch verhält es sich im Leben des realen Seppos (leider) völlig gegensätzlich. Die Unbescheidenheit, die teilweise Arroganz sowie die Selbstverliebtheit sind (für nicht ganz so doofe Rezipienten durchaus durchschaubar) freilich nur eine Fassade, gehören zur Show dazu. Diese drei Eigenschaften sind eine Voraussetzung für das, was ich in vielen meiner Geschichten erreichen will: das Aufzeigen der Fallhöhe des sich selbst Überschätzenden, der am Ende meist doch wieder auf den Boden der Tatsachen aufprallt. Es ist genau diese Ausprägung von Humor, die ich so schätze, und da nach wie vor immer neue Leser dazukommen, darf ich mich wiederholen, wenn ich Beispiele für diese Art Humoristik nenne.

Der in meinen Augen großartigsten Komikserie „Frasier“ (über deren Fortsetzung derzeit nachgedacht wird) ist das grandios gelungen. Da ist die Hauptfigur Frasier Crane, die sich für großgeistig und elitär hält und am Ende einer jeden Episode stets realisieren muss, dass ihr die Dinge letztlich immer wieder entgleiten. Die Dramaturgie der Serie beruht auf dem Kampf, die Zügel um jeden Preis im Griff zu behalten, was natürlich nie gelingt. Die Rolle meines Lebens!

Das zweite Beispiel ist der Welten größte Komiker aller Zeiten: John Cleese, den meine Mitbewohnerin und ich vor einigen Jahren auf Malta trafen und der mich allerdings nicht erkannt hat. Hier lege ich dem Leser unbedingt seine Serie „Fawlty Towers“ ans Herz – Don’t mention the War! -, in deren Protagonisten Basil Fawlty, gespielt von Cleese, ich mich absolut wiedererkenne oder wiedererkennen möchte. Sollte ich mich irgendwann einmal einer abgehalfterten Theatergruppe anschließen, wäre das meine Rolle!

Meinem Englischlehrer auf dem Gymnasium ist es zu verdanken, dass ich Cleese für mich entdeckt habe, da Herr Würfel nicht selten den „Fernsehwagen“ der Schule mit in den Unterricht gebracht hat. Auf diese Weise kam ich auch mit „Black Adder“ in Berührung, die das angesprochene Humorprinzip mit Rowan Atkinson auf die Spitze treibt.

Einen deutschen Vertreter dieser Kunst gibt es zum Glück ebenfalls, der überdies Meister der Spießigkeit war: Vicco von Bülow. An ihm schätzte und schätze ich das „Leise“, mit dem es ihm gelingt, die mitunter seltsamen Eigenschaften von Menschen zu entlarven mit der Botschaft, das sei alles nicht schlimm und durchaus normal – aber eben auch komisch und liebenswert. Dieser Mann konnte ohne Gebrüll und mit Besonnenheit, frei von unangemessener Aufgeregtheit, sein Publikum zum herzhaften Schmunzeln bewegen. Wer Loriot versteht, der versteht auch den Menschen ein bisschen besser …

Und da ich ihn gerade wieder lese, muss Ephraim Kishon hier Erwähnung finden, dessen Schreibe mich grandios fasziniert, da sie im Grunde so simpel, aber dann doch unnachahmlich ist. Seine Texte, über deren Übersetzung ins Deutsche er selbst gewacht hat, transportieren eine sagenhafte „Lässigkeit“, nein, vielleicht eher eine Beiläufigkeit, mit der er die abstrusesten Dinge erzählt, die vermutlich alle ihren wahren Kern in sich tragen. Einfach geschrieben, verfolgen sich regelrecht seine Sätze gegenseitig, jagt einer den nächsten, um das Tempo der Alltagskuriositäten hochzuhalten. Wann immer ich eine Geschichte von ihm beginne, packt mich umgehend die Lust, selbst etwas aufzuschreiben. Beim Versuch, ihn zu imitieren, kann ich nur scheitern. Denn auch wenn ich Vorbilder habe, ist jede Anbahnung des Nachahmens dieser, des Kopierens, eine Respektlosigkeit, eine krasse Selbstüberschätzung und außerdem vollkommen unnötig.

Kishon hatte klare Motive, die seinen Kurzgeschichten zugrundeliegen. Dieser Mann hatte etwas zu sagen, was ich von mir freilich nicht behaupten kann, da es mir zu gut geht. Komik nährt sich aus der Tragik und an der mangelt es mir, worüber ich nicht ganz unglücklich bin – toi, toi, toi! Ich schränke allerdings ein, dass es ein, zwei Bereiche in meinem Leben gibt, die durchaus tragisch sind, die ich öffentlich allerdings keinesfalls breittreten würde, da sie maximal meine Mitbewohnerin etwas angehen. Ich habe mir allerdings vorgenommen, mit einigem zeitlichen Abstand – zehn Jahre müssen es wohl sein, sofern ich diese Zeit bekommen werde – zwei einschneidende Ereignisse und Entwicklungen meiner vergangenen Jahre schreibend zu „verarbeiten“, denn der moderne Mensch muss ja alles „verarbeiten“.

Dann gibt es da einen Fernsehschaffenden, den ich in bulimiemäßigem Ausmaß konsumiert habe und es noch immer tue, obwohl er nicht mehr aktiv ist, sodass ich ihn unwillkürlich nachahme. Ich muss zugeben, dass selbst meine Intonation seiner derart ähnlich ist, dass ich fürchte, sie mir suksezzive angeeignet zu haben. Zum Glück ist sie gut! Und wer mir beim Sprechen einmal zuhört, der merkt, wie ich nicht gerade unkomplizierte Sätze konstruiere, an denen ich gelegentlich am Satzende scheitere, wenn ich den Anfang vergessen habe. Diese Zeit des Formulierens habe ich beim Schreiben, was dessen großer Vorteil ist. Aber dennoch: Ich höre mich auch gerne reden. Und, mit Verlaub, jeder, der meint, vor einer Kamera reden zu müssen, tut das ebenfalls. Alles andere ist scheinheilig und gelogen. Ein Autor, der von sich sagt, er schreibe gar nicht gerne, ist ja auch unglaubwürdig. Ein Maurer, der es hasst, Mauern zu bauen, ist vermutlich nicht der Beste seiner Zunft. Natürlich tue ich das am liebsten, was ich meiner Meinung nach am besten kann. Warum sollte ich denn die anderen Dinge tun?!

Die genannten „Vorbilder“ sind mir keine Idole und ich setze deshalb Anführungszeichen, da ich kein Freund davon bin, sich an Idole zu klammern, da ich das etwas armselig finde: Es gibt keinen Grund, sich selbst kleiner als andere Menschen zu machen, da wir – jetzt wird es profan – ja tatsächlich alle gleich sind, wobei ich Nazis und AfD-Wähler ausnehme, da sie minderen Verstandes zu sein scheinen, was aber Puh, der Bär, ausweislich auch war. Den haben wir trotzdem alle lieb. Aber Puh ist auch kein Nazi …

Mir geht es um Handwerk. Ich „scheiße“ meine Texte nur so hin. Ich denke nicht bewusst über sie nach, sondern lege einfach los, bevor nach einer halben Stunde der Rohtext steht, dem ein bis zwei Korrekturlesungen folgen. Den ersten Satz schreibend weiß ich selten, was Inhalt des dritten sein wird. Bei den fiktiven Geschichten habe ich zwar eine Grundidee, zu deren Ausführung ich aber ebenso selten komme, da sich der Text plötzlich völlig anders entwickelt. Diese Planlosigkeit spricht wenig für ein „Handwerk“, doch beanspruche ich für mich,

Und hier komme ich zu meiner realen Unbescheidenheit!

Texte während ihrer Entstehung zu beherrschen – und seht mir den pathetischen Begriff des Schöpfers nach – aber: Sie gehören mir und können sich nicht meiner Macht entziehen. Ich weiß in jeder Sekunde um ihre Wirkung auf den Leser, weiß sofort, wo Missverständnisse vorprogrammiert sind, da ich sie bewusst einkalkuliere. Ich jongliere bewusst mit Wahrheiten und Realitäten und vermische sie mit Fiktion. Mal ehrlich: Wer hat sich in Julia verknallt? Lyrich oder ich? Will ich mich hinter Lyrich, dem Lyrischen Ich, verstecken? Weder noch. So einfach mache ich es dem Leser nicht – die Wahrheit geht viel weiter. Oder es gibt schlicht keine, da alles erfunden ist. Vielleicht aber doch nicht. Letztlich ist das auch gar nicht relevant, für mich zählt allein der Unterhaltungswert (was irgendwie schon abwertend klingt) eines Textes, der nicht selten auch immer eine Botschaft hat. Manchmal richten die sich an real existierende Personen, manchmal aber auch nicht. Mitunter scheinen eindeutige Dinge eindeutig, sind aber völlig uneindeutig. Oft interpretiert manch Leser Dinge, die für mich gar keine Rolle spielen. So läuft das mit dieser Form der einseitigen Kommunikation und so hat man es mich im Deutschunterricht gelehrt: Wir können noch sooft an Texten heruminterpretieren, aber was der Autor wirklich meint, können wir nie wissen, sofern er nicht präzise in seinen Aussagen ist. Wie viel das Märchen Rotkäppchen wirklich mit der menschlichen Sexualität zu tun hat, werden wir nie erfahren.

Nach 800 Geschichten glaube ich, was ich schon vor der ersten glaubte: dass ich ganz gut schreiben kann. Der Umgang mit Worten liegt mir und ihre Zusammenstellung fasziniert mich. Gerne vergleiche ich das Schreiben mit musikalischer Komposition. Ich lege aber Wert darauf, dass ich mich eben nicht für einen schreibenden Mozart halte, sondern für einen guten Durchschnittsschreiber auf der Klaviatur meines Laptops. Was Homer Simpson sagt, stimmt: Was immer du kannst, es gibt immer eine Million Menschen, die es besser kann (die Million!).

Es ging mir aber auch nie darum, irgendeinen Olymp zu erklimmen. Ich sehe das auch in meinem Sporttreiben, meinem zweiten Hobby. Ich habe nicht das große Ziel vor Augen, nein, mir bereitet das bloße Betreiben dessen schlicht enormen Spaß. Mir geht es – wie natüüüüürlich unterstellt – nicht um Körperkult oder Gesundheitswahn, mir geht es um Spaß. Mehr isses nicht. Das ist vielen allerdings zu simpel, also unterziehen Sie mich Küchenpsychoanalysen, ohne mich wirklich zu kennen. Beim Kraftsport geht es um so vieles mehr. Wer einmal gemerkt hat, wie faszinierend es ist, den eigenen Körper in seinen Funktionen und Bewegungen wirklich zu beherrschen, der ahnt, was mich und viele andere antreibt. Und zum Bedauern einiger Leser ist deshalb mein Sport auch hier immer wieder Thema. Schließlich verbringe ich vier Stunden des Tages mit nichts anderem.

So verhält es sich auch beim Schreiben. Es macht Spaß. In diesen Sekunden fliegen meine Finger über die Tasten, mein Kopf blendet die anderen Fahrgäste des ICE 644 (der sich gerade im Schritttempo seinen Weg durch freie Bahnen bahnt) vollkommen aus und ich bin in dem Tunnel, in dem ich so gerne bin. Meine nicht hörbare Lesestimme im Kopf liest die Wörter mit, die vor mir auf dem Bildschirm Form annehmen und ich stelle fest, dass mein Handwerk darin besteht, so zu schreiben, wie ich auch spreche. Ich schere mich nicht um Konventionen und Dogmen, die mir sagen, wie man Texte zu verfassen hat. Natürlich benutze ich Füllwörter, natürlich verschachtele ich Sätze, wie es mir gerade passt, selbstredend verzichte ich auf die Konjunktion „und“ in Aufzählungen wie dieser, weil ich genau so sprechen würde. So selbstwusst war ich damals im Deutsch-LK, mir dieses nicht austreiben zu lassen.

Viel zu selten ignorieren wir, was andere uns sagen. Meistens ist es in der Tat grober Unsinn, oft, seeehr oft, lohnt es sich, den eigenen Kopf durchzusetzen. Ich habe keine Lust darauf, dass andere mir meine eigenen Ideen in Grund und Boden, schließlich kaputtdiskutieren, nur weil wir in unserer Kultur meinen, maximal oft und alles durchdiskutieren zu müssen. Kreativität ist nicht demokratisch, Kreativität muss sich leider immer wieder gegen Widerstände durchsetzen. Auf diesem Feld lasse ich mir nichts mehr sagen, da mich meine Erfahrung immer wieder bestätigt hat. Das ist exakt das eine, das einzige Feld, auf dem ich Zuhause bin, auf dem ich unumwunden von mir sage: Hier weiß ich, wie es läuft. Das ist einfach Glück, dass es so ist, es ist aber so. Es zählt immer nur das eine: Wie es dem Rezipienten gefällt. Und nicht, wie es der Technokrat gerne hätte. „Es soll nicht lustig sein“, sagte man mir gestern noch. Mir ging der Hut hoch – natürlich soll es lustig sein! Wer ist derjenige, mir zu sagen, es solle nicht lustig sein?!

Und weil ich glaube, dass dennoch ein recht annehmbares Deutsch bei meiner Schreibe rauskommt, bestehe ich auf der Einhaltung eines korrekten Deutsch und verachte den Buchstabenschrott, der einem täglich in den sozialen Medien, aber auch zunehmend in den etablierten begegnet. Ginge es nach mir, was es leider nicht tut, hätte auch Deutschland eine Institution, die über das hohe Kulturgut der Sprache wacht. Ich verachte aus tiefstem und aggressivstem Herzen die inflationäre Verwendung von Anglizismen. Ich kann dieses Treiben nicht nachvollziehen. Aus dem Nähkästchen geplaudert: Ich habe mit jemandem zu tun, der keinen Satz mehr auf die Reihe bekommt, ohne mindestens zwei Vokabeln aus dem Englischen zu bemühen. Er sagt Dinge, die ich schlicht nicht verstehe. Interessanterweise lacht er mich deshalb aus! Und ich frage mich, was ist los mit diesem Mann? Ist er gar sprachbehindert? Braucht er Hilfe? Will er cool sein?! Und warum zur Hölle sprechen bei Instagram alle Englisch?! Happy Sunday Brunch! lese ich da und denke: Das interessiert die weite Welt doch gar nicht, dass du gerade ein Brötchen frisst! Es interessiert ja nicht einmal Deutschland!

Auch ich bin sehr umtriebig auf Instagram, sollte ich an dieser Stelle erwähnen, nicht ohne dabei darauf hinzuweisen, dass meine Zahlen mir bestätigen: Es interessiert wirklich niemanden.

Was ist da los mit Euch?! Ist Deutsch kacke?! Spießig?! Leute, es ist Eure Muttersprache, die Ihr immer weniger beherrscht! Ich finde das nur abartig peinlich, so viel kotzen kann ich gar nicht, um das irgendwie zu verarbeiten! Es ist hochnotpeinlich und es zeugt nicht unbedingt von Selbstbewusstsein unserer Sprachgemeinschaft. Ich raffe einfach dieses Anbiedern an andere Sprachräume nicht und nebenbei erwähnt lacht man uns im Ausland vollkommen zurecht dafür aus.

Ich erlebe Mikrokosmen, in denen ich mich bereits als völlig abseits und isoliert dastehend empfinde. In denen ich merke, ich bin der Außenseiter, weil ich diese ganzen kack Anglizisem nicht benutze. Ich finde Dinge weder awesome noch hilarious, ich finde sie sensationell. Kürzlich sah ich beim Sport, wie ein Kind einen sensationellen Handstand hinlegte. Seine Mutter rief ihm zu: „Awesome!“ Solche Dinge spüre ich körperlich. Mir schoss das Blut der Wut in den Kopf, während ich mit Fassungslosigkeit rang. Hier durfte ich hautnah miterleben, wie die erste verkorkste Sprachgeneration ihren oralen Müll an die nächste Generation weitergibt. Ich fand das so unfassbar lächerlich, dass ich zu keiner Achtung dieser Person mehr in der Lage war, am liebsten aufgestanden wäre, um ihr irgend etwas um die Ohren zu hauen. Den „Duden“ vielleicht? Nein, der macht die ganze Scheiße ja mit und ist auch keine maßgebliche Instanz (mehr). Awesome! Bin ich der einzige, der das absolut lächerlich findet?! Ich muss mich beruhigen … Aber dieses noch: Es heißt nicht „Fuck!“, es heißt schlicht und einfach „Scheiße!“ Die Deutschen können so gut fluchen, warum zur Hölle greifen sie auf das „Fuck!“ zurück?! Und was ich ebenfalls nicht mehr ertragen kann, um das abzuschließen: Ich bin fine/fein damit.

Verzeihung, du bist was?! Großer Gott, lass die Hölle über uns hereinbrechen. Damit wäre ich durchaus fine. Bei aller Liebe, das ist niemandem peinlich?!?!?!?!?!?!!?!?!?!?!?!?!?! Durchatmen, es ist immerhin Seppoläum …

Ich bin stolz auf diese 800 Geschichten und habe anfangs nicht geglaubt, dass es überhaupt so viele werden würden. Doch schon nach wenigen Wochen zählte ich nicht wenige Leser, deren Zahl ich bis heute steigern konnte, auch wenn mir die Sommermonate zuletzt erheblich zugesetzt haben. Und natürlich geriet ich nach einiger Cait in einen gewissen Rausch, der den Höhepunkt dieses Blogs kennzeichnete und seit einigen Monaten bereits einer gewissen Gelassenheit gewichen ist. Mein Versuch, den Blog zu beenden, scheiterte, weil ich schnell gemerkt habe, dass mir ohne das Schreiben etwas fehlt. Und so schreibe ich nun einfach nur, weil ich Spaß daran habe und schenke mir das zeitfressende „Marketing“ drumherum.

Inzwischen ist das seppolog für mich selbst ein interessanter Fundus an Erinnerungen geworden. Wie vieles schon wieder vergangen und nicht mehr Teil meines Lebens ist, stelle ich oft fest, wenn ich alte Texte von mir lese. Manchmal merke ich, dass ich an Alter zugelegt habe. Mir kommt dabei zugute, dass ich meine 39-jährige Variante besser finde als die 38-jährige, sodass ich dieses ganze Kokettieren mit dem „Altern“ schlicht nur albern finde. Ob ich jetzt 39 oder 42 bin – was soll’s?! Nervt mich auch.

Plattformen zur Selbstdarstellung habe ich immer genutzt. Das liegt mir offenbar. Das ist mir im Übrigen auch gar nicht mehr peinlich. Viele regen sich darüber auf, machen sich darüber lustig, aber irgendwie ist mir das vollkommen gleichgültig.

Manch einer wird wissen, dass ich hier und da Dinge moderiere. Sobald ich das Rotlicht einer Kamera sehe, schalte ich um auf Seppo-Modus 2, werde plötzlich extrovertiert, während ich privat ziemlich introvertiert bin, was keine bewusste Entscheidung ist,

Ein Punkt, den Extrovertierte nie für möglich halten: Introvertierte haben nie die Entscheidung getroffen, introvertiert zu sein! Unglaublich, oder?! Was? Das versteht Ihr nicht?! Ihr haltet Euch für möglich, nicht aber andere?!

sondern schlicht Teil meines Wesens, den ich in frühen Jahren durchaus zu ändern versucht habe, was aber natürlich zum Scheitern verurteilt ist. Erst seit einigen Jahren ist mir klar, dass die Extraversion lediglich deshalb ein gesellschaftliches Ideal ist, einfach, weil es gerade mal „in“ ist, nicht etwa, weil es per se besser ist. Introversion, oder Introvertiertheit, wird zwar mit „Selbstbezogenheit“ oder „Verschlossenheit“ übersetzt, jedoch reklamiere ich diese Bedeutungen nicht für meine Person. Wobei, natürlich bin ich selbstbezogen! Wer von sich behauptet, er sei das nicht, ist es bereits! Wir haben ein Bewusstsein, woraus sich Selbstbezogenheit ergibt. Bin ich selbstverliebt? Wer mich kennt, kennt die Antwort. Wer mich zu kennen glaubt, wird die Frage bejahen.

Introvertiertheit in meinem Sinne ist nichts anderes, als einfach mal dann die Schnauze zu halten, wenn ich keine fundierte Meinung parat habe oder ohnehin gerade zehn andere Menschen labern. Heiter beobachte ich oft, wie Dinge gesagt werden, nur damit deren Absender irgendwas sagen kann. Ich weigere mich, über offensichtliche Dinge zu sprechen. Die Dinge still in sich aufzunehmen bedeutet, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, denn so ehrlich muss man sein: Die wenigsten von uns sind wichtig für diese Welt. Wichtig bin ich für meine Mitbewohnerin, für meine Familie und womöglich noch für ein, zwei weitere Personen. Das klingt traurig, aber nur deshalb, weil uns suggeriert wird, so etwas als traurig interpretieren zu müssen. Ich jedoch sage das ohne große Gefühlsregung, werte es gar nicht negativ, sondern realistisch. Ich lebe ja trotzdem gerne und es fehlt mir an nichts. Weder emotional noch physisch noch dinglich. Wir leben in Breiten, in denen wir uns mit Klagen (Einzelschicksale freilich ausgeschlossen) schwer zurückhalten sollten.

Extrovertiert werde ich aber eben genau dann, wenn ich „vor ein Publikum“ trete, das ich deshalb in Anführungszeichen setze, da meines natürlich überschaubar ist und beim seppolog deutlich größer ist, als es im Fernsehen (NRW.TV) jemals war, was ich einigermaßen humorig finde: Da moderiere ich bei einem Regionalsender herum, um irgendwie „Seher gestern“ zu erreichen, setze mich dann hobbymäßig hin, starte einen Blog bei WordPress und erreiche nach einem Jahr mehr Menschen als mit dem Fernsehen, was natürlich auch mit dem Sender zu tun hatte. Im Nachhinein hätte ich sagen sollen, dass man die scheiß Sparkassen-Spots in meinem Blog für gutes Geld hätte schalten sollen … da hätte sie wenigstens jemand gesehen …

Diese extrovertierte Seite erschließt sich nicht jedem in meinem Umfeld. Da wurde mal spekuliert darüber, ob ich eine gespaltene Persönlichkeit habe. Das kann ich ziemlich schnell beantworten: natürlich nicht. Aber wie jeder andere auch bin ich in der Lage, mehrere Facetten der einen Persönlichkeit zu zeigen. Zudem ist es nun wirklich der Klassiker, dass die größten Rampensäue abseits der Rampe ziemlich unscheinbare Gestalten sind. Auch diese Unscheinbarkeit kann ich mir nicht absprechen, mit ihr habe ich zu leben gelernt und diese kann ich auch für mich zum Vorteil nutzen. Kürzlich las ich einen netten Satz, der inhaltlich in etwa diese Richtung ging:

Der Stille ist nicht doof oder schüchtern, er hat schlicht keinen Bock, mit Idioten zu diskutieren.

Und tatsächlich erlebe ich Situationen, in denen mein Gegenüber sich unter Bestleistungen darin ergeht, groben Unsinn von sich zu geben, dem zu widersprechen ich einfach keine Lust habe. Den Idioten macht aus, dass er sich von seiner Idiotie ohnehin nicht überzeugen lässt. Warum zur Hölle sollte ich also mit ihm diskutieren?! Es wären Perlen vor die Säue. Und im Zusammenhang von Selbstwahrnehmung muss ich an dieser Stelle natürlich die Möglichkeit einräumen, dass ich mit meiner vielleicht vollkommen danebenliege und auch einer der Idioten bin. Das können andere besser beurteilen.

Genau so leidenschaftlich kehre ich mich gegenüber Menschen nach außen, die ich sehr mag. Dazu jedoch braucht es Vertrauen, da muss man mir schon mal ein paar Jahre Zeit geben. Umgekehrt habe ich das auch schon einmal erleben dürfen: Da habe ich nach Jahren gemerkt, da hat mir gegenüber jemand Vertrauen entwickelt. Auf diese Weise wird dieses Vertrauen ausgesprochen wertvoll und unbezahlbar, dementsprechend sollte man/ich damit umgehen.

Im seppolog bewege ich mich offenbar auf vertrautem Terrain. Beim Schreiben bin ich Zuhause.

Und hier schließt sich (eher zufällig) der Kreis: Denn auf diese Sache bin ich stolz. Damit will ich heute nicht hinterm Berg halten. Ich bin gnadenlos stolz auf diesen Blog. Weil ich mit ihm Menschen erreiche, weil ich Eure Rückmeldungen erhalte und auf diese Weise Kommunikation entsteht. Nicht nur so gesehen gilt Euch, einige sind ja seit mehr als drei Jahren dabei, demütigster Dank!

Derzeit blicke ich mit gewisser Spannung in die Zukunft des seppologs – werde ich die Tausend schaffen? 200 fehlen noch und sind ein Klacks. Das nächste „große Ding“ wird der Umzug nach Münster sein, der in vier Wochen Realität ist – und nur Phase eins eines neuen Lebensabschnittes.

Vielen Dank für das Lesen dieses und aller anderen Texte. Tatsächlich weiß ich das sehr zu schätzen.