Samstagmorgen im besinnlichen Dezember 2020. Ich sitze neben meiner Mitbewohnerin im Bett unter einem Berg Zeitungen, wie ich es so sehr liebe. Da ist die „Süddeutsche am Wochenende“, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (Ja, klingt seltsam, aber die FAZ testet die samstägliche Zustellung der FAS, um Kosten beim Vertrieb zu sparen.), die „Zeit“, das „Manager Magazin“, „Geo Epoche“, „Zeit Geschichte“ und „Süddeutsche Zeitung Langstrecke“. Der Konsum gedruckter Gazetten ist bei mir längst zu einer Sucht geworden. Und weil ich nicht weiß, wo ich anfangen zu lesen soll, mache ich etwas vollkommenen anderes: Ich blättere in meinem Lauftagebuch.

„2020 ist ein weiteres Rekordjahr“, erzähle ich meiner Mitbewohnerin, die auf der Kinderseite der „SZ“ den Hund sucht.

„Es wird von Woche zu Woche schwieriger, diesen Hund zu finden!“, klagt sie.

„Ich bewege mich jenseits der 230 Läufe in diesem Jahr …“

Ich blicke stolz aus dem Fenster in den klaren Nebel.

„Ist besonders dichter Nebel eigentlich klar oder trüb?“, frage ich sie.

„Hast du den Hund schon gefunden?“

„Ja. Es ist diese Woche etwas leichter als letzte.“

„Na toll.“

Ich beobachte einen LKW, der umständlich auf der Straße vor unserem Haus rangiert. Er kämpft mit den Absperrungen der Baustelle, die wir derzeit vor unserem Haus haben.

„Da ziehen Leute aus oder um“, sage ich.

„Schlechter Zeitpunkt zum Umziehen,“ sagt sie.

Denn wegen einer Kanalsanierung haben wir im Grunde seit Beginn dieses Jahres gar keine Straße mehr vor dem Haus.

Ich widme mich dem Manager Magazin und dessen Titelgeschichte über den Untergang der Reisebranche. Es ist zehn Uhr und es klingelt an der Tür.

„Man kann die Uhr danach stellen“, fluche ich, schäle mich aus dem Bett und werfe mir etwas …

„Ich werfe mir nur schnell was über“, sage ich und gehe zur Tür. Im besten Fall wird mir nun ein Paket geliefert, auch wenn ich mich an keine zugehörige Bestellung erinnern kann. Ich schiebe die kleine Klappe vom Türspion zur Seite und blinzele in den Hausflur. Dort steht ein dunkelhaariger Mann mit einem leicht altmodischem Bart.

Ich öffne nicht, da er mir unheimlich ist. Und das teile ich ihm auch so mit:

„Hallo. Ich werde nicht öffnen, da Sie mir etwas unheimlich sind.“

„Mein Name ist Chigi, Fabio Chigi, ich bin der neue Nachbar, ich ziehe heute ein.“

Das könne ja jeder sagen, denke ich und stelle ihm eine Frage, die er nur beantworten kann, wenn er wirklich der ist, der er zu sein vorgibt.

„Wie hieß Ihr Vater?“

„Flavio. Flavio Chigi!“, antwortet der Fremde wie aus der Pistole geschossen.

Verdammt, denke ich, er hat Recht.

„Sie sind es!“, rufe ich und gewähre dem Fremden Einblick in unsere Wohnung.

„Guten Morgen, ich ziehe in der 46 neben Ihnen ein. Erdgeschoss. Und ich habe eine Bitte: Könnten wir die Klingelschilder, also die Namensschilder, tauschen?“

Gelächter aus dem Schlafzimmer: „Ist das Merugin?“

„Nein, das ist … äh …“

„Chigi, Fabio Chigi.“

„Das ist Herr Fabio Chigi. Er möchte sein Klingelschild mit unserem tauschen. … Warum?“

„Der Papst ist hinter mir her. Und mein Name auf Briefkasten und Klingel würde mich verraten, wenn er mich holen kommt.“

„Dann könnten Sie doch ganz einfach den Namen weglassen. Oder einen anderen draufschreiben! Müller zum Beispiel oder Mussolini.“

„Dann aber bekomme ich meine Post nicht.“

„Selbst wenn Ihr Name auf unserem Briefkasten klebte, wäre doch die Hausnummer noch eine andere!“

„Sie haben Recht. Die müssten wir auch tauschen.“

„Er will auch die Hausnummern tauschen!“, rufe ich meiner Mitbewohnerin zu.

„Warum passieren uns immer so seltsame Dinge?! Und wo ist dieser verdammte Hund?!“, fragt sie.

„Verzeihen Sie, meine Mitbewohnerin sucht auf den Kinderseiten der SZ den Hund. Er befindet sich diese Woche auf der dritten Seite auf dem Bild mit dem dicken Mädchen, das über ihre Magersucht schreibt. Warum sucht Sie der Papst eigentlich? Und was tut er, wenn er sie findet?!“

„Ich habe mit seinem Geliebten geschlafen und das bei Instagram gepostet. Jetzt weiß es natürlich der ganze Vatikan und Sie können sich vorstellen, dass das zu einiger Unruhe führt.“

„Sie kommen aus dem Vatikan?“, frage ich bass erstaunt.

„Ja. Ich bin auf der Flucht. Ich habe hier eine Pizzeria in der Straße eröffnet.“

„Die habe ich gesehen. Das ist die, wo draußen groß ‚SS‘ dransteht? In der Schmalen Straße, wo früher die Bäckerei war?!“

„Exakt.“

„Über den Namen würde ich nochmal nachdenken. ‚SS‘ ist in Deutschland vorbelastet.“

„‚SS – Spaghetti & Schutzgeld‘ heißt meine Pizzeria. Typisch italienisch eben! Die perfekte Tarnung!“

„Ein Italiener auf der Flucht, der sich als Italiener tarnt! Könnte funktionieren! Aber nur mal angenommen, der Papst kommt, sucht nach dem Namenssschild, auf dem ‚Chigi‘ steht und klingelt dann bei mir. Was sage ich dann?“

„Dass es sich um eine zufällige Namensgleichheit handele, du aber sonst keinen anderen Chigi kennen würdest. Dann wird er kurz seine Stirn in Falten legen, etwas auf Latein vor sich hinmurmeln und wieder zurück in den Vatikan fahren. Danach können wir die Schilder gerne wieder umtauschen.“

Da ich finde, dass das alles sehr einleuchtend und lückenlos logisch klingt, willige ich ein und friemele unser Namensschild aus der Fassung unterhalb der Klingel und gebe es Herrn Chigi, der mir später seines bringen solle.

Wir verabschieden uns. Ich gehe zurück zu meinen Zeitungen und meiner Mitbewohnerin. Hektisch blättere ich in der „Zeit“ auf der Suche nach dem Ressort „Glauben und Zweifeln“, wo mir in der Tat eine Überschrift ins Auge fällt:

„Der verschwundene Nuntius“

In dem Artikel geht es tatsächlich um das spurlose Verschwinden eines ranghohen Papst-Mitarbeiters. Alles bleibt im Ungefähren, niemand wisse nichts Genaues nicht, aber es gehe wohl um gefährliche Liebschaften. Der Autor des Artikels verfällt beinahe in eine Glossentonalität, denn so ganz ernst könne man das alles nicht nehmen, sei es doch der übliche Vatikan-Gossip.

Wenn ihr nur wüsstet, denke ich.

Es ist Sonntag. Der Umzugswagen ist schon lange weg. Doch es ist ein anderes Fahrzeug, das am Vormittag um meine Aufmerksamkeit zu buhlen scheint. Ein Toyota, ein umgebauter Toyota Mirai fährt vor dem Haus auf und ab.

Im selben Moment klingelt mein Handy. Unbekannte Rufnummer, ich gehe dennoch dran: „Ja?“

„Hier ist Fabio. Sehen Sie das Auto vor dem Haus?“, fragt Chigi.

„Äh … ja. Was für ein seltsames Gefährt.“

„Das ist das aktuelle Papamobil. Sehen Sie nicht, wer drinsitzt?!“

Ich greife zum Opernglas, mit dem ich sonst immer unsere Nachbarn von gegenüber, Krolldoff und Refikadük, beobachte, die übrigens inzwischen Eltern geworden sind. Dank meines Fernglases konnte ich erkennen, dass es ein Junge ist. Jetzt jedenfalls erkenne ich tatsächlich den Papst am Steuer des Papamobils, das nun haltmacht. Der Papst steigt aus und schwenkt eine Weihrauchkugel. Mir wird ein bisschen schlecht und kurz droht mir Ohnmacht.

Mein Herz schlägt. Gott sei Dank. Aber es schlägt nun sehr schnell und laut. Das ist ein Anzeichen von Aufregung und der Versuch, hier etwas Spannung aufzubauen. Denn plötzlich klingelt es.

„Mein Gott, der Papst klingelt bei mir.“


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