Was bisher geschah: Lara, die ich einst ermordet habe, ist wieder da. Schockschwerenot! Und als wäre das nicht schon genug, klingelt Unterkommissar Ordophob Ohßem bei meiner Mitgemeinten und mir an der Wohnungstür. Ist uns die Exekutive auf den Fersen? Werden wir Opfer der Gewaltenteilung, die doch Ursprung unserer Freiheit ist? Ist es nicht erschreckend, dass sich meine hochkomplexen Texte in so wenigen Sätzen zusammenfassen lassen?! Man könnte geneigt sein, auf den Gedanken zu kommen, meine Texte seien grundsätzlich eher inhaltsleere Ungetüme. Doch Sie wissen es besser. Ja, ich meine Sie! Und nun gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu seh’n.

Ist Ihnen überdies einmal aufgefallen, was meiner Mitgemeinten und mir vor einigen Tagen auffiel, als wir „Lost“ sahen? In dem Stück, das sie gaben, fiel durch Beamte der Staatsgewalt der Satz „Es gibt hier nichts zu seh’n, gehen Sie bitte weiter“. Dieser Satz ist in der Regel eine der größten Lügen. Denn gerade da, wo er fällt, gibt es grundsätzlich etwas zu sehen! Der Satz fällt genau in den Momenten, wo es sich ausnahmsweise mal lohnt, stehenzubleiben, eben weil es etwas zu sehen gibt!

Ein aus dem Leben, aus meinem natürlich, gegriffenes Beispiel: Meine Mitgemeinte und ich flanieren wie jeden Sonntag über den Münsteraner Prinzipalmarkt. Dort, wo man die Reichen und Schönen, also uns, in Münster so trifft. Daunenjackenträger grüßen andere Daunenjackenträger, man kennt sich, man umarmt sich und trinkt Sektchen. Plötzlich vernehmen wir ein über die gesamte Prachtallee hörbares, metallisches Knarren. Es kommt vom Kran, der gegenüber der Lambertikirche zwecks Sanierung zweier Giebelhäuser steht. Er wankt. Er wankt bedrohlich. Und dann kracht er zu Boden. Er zerschmettert mindestens fünf hochwertige Automobile, die hier nur stehen, damit die anderen Münsteraner sie sehen. Ebenfalls unter dem Kran: Eine Gruppe von rund 40 Kindern, mehrere kleine Hunde, 20 Robbenbabys und das letzte lebende Exemplar des Doringo-Bärens, der zu seinem Unglück eine Stunde zuvor aus dem Münsteraner Zoo ausgebüxt war. Seine neu gewonnene Freiheit ist sein Ende. An unseren Daunenjacken klebt das gespritzte Blut, großes Geheule, von wegen, ob die Flecken denn rausgehen, und natürlich wegen des emsigen Sterbens um uns herum. Und damit nicht genug: Es ist ausgerechnet die Glocke der Lambertikirche, die sich durch die Erschütterung des zusammengefallenen Krans aus ihrer Halterung befreit und hinabstürzt: 2.400 Kilogramm, das sind mehr als 2.300 Kilo!!!, krachen mit einer enormen Beschleunigung auf die Entbindungsstation der rund einen Kilometer entfernten Raphaelsklinik, wo – und das ist bislang US-Staatsgeheimnis gewesen – sich gerade Joe Biden zur Covid-Nachbehandlung befindet. Warum Entbindungsstation? Er sieht sich eben gerne Säuglinge an, während er wartet. Biden übersteht es unversehrt, allerdings erschreckt er sich dermaßen, dass er seinen Atomkoffer öffnet und nur wenige Minuten später die Sowjetunion, also Russland und das noch nicht zurückeroberte Drumherum, in Schutt und Asche liegt. Die Chinesen schicken derweil ihre neuen Hyperschallraketen mit Atomsprengköpfen auf die Reise. Und nun kommt da ein Polizist zu dem Unglücksort und sagt allen Ernstes: „Bitte gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu seh’n!“

Aber lassen Sie sich von dieser Anekdote bitte nicht ablenken, denn es geht hier um etwas völlig anderes, nämlich darum, wie meine Mitgemeinte und ich nun der Verhaftung entgehen können.

„Bringen wir ihn einfach um!“, sagt meine Mitbewohnerin.

Doch ich habe eine viel bessere Idee!

„Wir machen einfach die Tür nicht auf!“

Nun klopft Ohßem. „Ich kann Sie hören!“

Also öffne ich resigniert die Tür. „Hallo, Herr Ohßem! Lange nicht gesehen!“

„Ja, Sie haben ja auch lange nichts mehr geschrieben. Wie kommt’s?“, fragt er.

„Ach wissen Sie, Selbstzufriedenheit kostet viel Zeit. Ich muss da priorisieren.“

„Ah, dann sind Sie offensichtlich gerade weniger selbstzufrieden?“, will er wissen.

„Weil ich wieder schreibe?“

„Ja.“

„Es gab eine kleine Krise. Ich hatte befürchtet, todkrank zu sein. Und da das ja wirklich jederzeit der Fall sein kann, will ich der Nachwelt mindestens eintausend Geschichten hinterlassen. Es fehlen noch 81. Nein, hiernach nur noch 80.“

„Ich würde es begrüßen, weiterhin Teil Ihrer Geschichten zu sein. Aber ich bin aus einem anderen Grund hier, Herr … äh … Dings … Pothenstein …“

„Flotho. Nicht Pothenstein. Sie verwechseln mich mit Potho von Pothenstein, Bischof von Münster im 14. Jahrhundert. Ich werde oft mit ihm verwechselt. Ich verlinke ihn mal hier, denn meine Leser denken immer, das sei hier alles ausgedacht.“

„Öffnet sich der Link in einem neuen Tab?“

„Aber sicher. Sie können hier in Ruhe weiterlesen.“

„Super. Nun zu mir. Ich hätte Sie ja angerufen, Herr … äh … na! … Potho … aber leider, leider habe ich mein Telefon verlegt. Ich glaube, es zuletzt bei Ihnen gehabt zu haben.“

„Ja, das mag sein, das muss aber noch in Düsseldorf gewesen sein. Vor etwa vier Jahren.“

„Ja. Richtig. Düsseldorf. Mein Telefon ist möglicherweise in Düsseldorf. Waren Sie eigentlich inzwischen mal wieder da, Herr … Dings … na! … Flothenstein?“

„Flotho … Ich war da, ja. Hat sich sehr verändert. Die schönen Seiten sind noch schöner geworden, die weniger schönen sind um weitere drei Jahre runtergekommen. Herr Ohßem, ich darf sagen: Wohnen möchte ich da nicht!“

Doch Ordophob Ohßem hört mir nicht zu, kramt in seiner Jackentasche und scheint etwas zu finden!

„Na da wird doch der Hund in der … Herr … Dings … äh …“

„Flotho.“

„Herr Flotho, Sie glauben nicht, was ich gefunden habe!“

„Ihr Telefon?“

„Mein Telefon? Warum sollte ich mein Telefon in meiner Jacke finden? Sie trauen mir zu, dass ich seit vier Jahren mein vermisstes Telefon in der Jacke mit mir herumtrage?!“

„Es wäre ein klassischer seppolog-Gag gewesen.“

„Nein, nein, Sie haben mehr drauf. Überhaupt, wie Sie Ihr unfassbares Talent hier verschwenden! Aber das ist Ihr Problem …“

„Das ist es tatsächlich nicht.“

„Ich habe hier etwas anderes gefunden. Ein altes Funkgerät!“

Plötzlich steht unser Nachbar von Gegenüber im Treppenhaus, Sayid, gesprochen „Sa-Itt“. Und hier heiße ich alle Fans von „Lost“ willkommen.

„Ein Funkgerät? Funktioniert es noch?“, fragt Sayid aufgeregt.

„Nein“, sagt Herr Ohßem, „die Batterien sind leer.“

„Es sind immer die Batterien!“, flucht Sayid.

Sayid versucht seit vielen Jahren, aus unserem Viertel zu entkommen. Es gelingt ihm nur nie. Ein Funkgerät könnte ihm dabei helfen, Hilfe zu rufen.

Ich schlage Sayid vor, dass wir uns alle aufteilen (Nicht im Wortsinne, wir zerschneiden also nicht unsere Körper. Die Gruppe teilt sich auf.) und in verschiedene Richtungen gehen, während er so tut, als würde er das Funkgerät so hinbekommen, dass es für genau zehn Sekunden funktioniert, aber am Ende doch nur Rauschen zu hören ist.

„Und dann feuere ich das Leuchtsignal ab“, erklärt meine Mitgemeinte.

Verehrter Leser, ich wende mich nun direkt an Sie. Ich bedaure, dass dieser kleine Gag erst jetzt, 20 Jahre zu spät, kommt. Es ist nur so, dass ich „Lost“ gerade das zweite Mal gucke; mit meiner Mitgemeinten, die es zum ersten Mal sieht. Ich bitte darum, Rücksicht auf mich zu nehmen, da ich niemals Rücksicht auf meine Leser nehme. Aber mal unter uns Lost-Fans: Ist es nicht irre, dass dieser Typ permanent etwas bastelt, das sowieso nie funktioniert?! Er hätte bei dem bleiben sollen, das er gelernt hatte, dem Foltern.

Während Sayid wie sooft (!) den Tränen nahe ist, schlage ich vor: „Gehen wir zu Peter, der kann da sicher was machen!“

Und so gehen meine Mitgemeinte, Ordophob Ohßem, Sayid und ich („Mir nach!“) im Abstand von jeweils eineinhalb Metern in die Parallelstraße. Und nun muss ich Ihre Auffassungsgabe etwas strapazieren. In der Parallelstraße, der Peter-Wust-Straße, befindet sich ein Wurmloch. Also nicht das eines Regenwurms, sondern im Sinne eines Schwarzen Loches, womit ich auch keinen Körperausgang meine. Ich meine halt sowas mit Anti-Materie, mein Gott, denken Sie einfach mal mit. Oder soll ich Ihnen das Ganze hier nochmal in Leichter Sprache runtertippen?! Das kommt auch noch auf uns zu. Irgendwann heißt es, wer nicht in Leichter Sprache schreibt, diskriminiert Frauen oder so.

„Mir nach!“, sage ich wieder und so verschwinden wir nach und nach im Wurmloch, das uns direkt in die 80-er-Jahre des 20. Jahrhunderts befördert.

„Ob er da ist?“, fragt meine Mitgemeinte aufgeregt.

„Warum heißt dieser Text ‚Robinsons Schuhsohl‘?“, fragt Ordophob Ohßem.

„Sollte erst in eine ganz andere Richtung gehen, darum“, erkläre ich.

Ich klopfe am Bauwagen. Und ja, gottseidank, Peter ist da. Er öffnet uns.

„Ich würde ja sagen, kommt rein, aber ist dann doch etwas zu eng für alle“, sagt er.

„Dann komm doch raus“, schlägt Sayid vor.

„Ich brauche hier gar kein Mobiltelefon!“, triumphiert Ordophob Ohßem!

„Das erfinde ich erst in zwei Jahren“, sagt Peter, „Und wir haben noch keine Handymasten. Was kann ich für euch tun?“

„Ich brauche Batterien für sein Funkgerät“, sagt irgendeiner von uns, egal wer.

„Kein Problem, welche müssen es sein? AAA? Oder AA?“, fragt er.

„AAAA“, sagt Ordophob Ohßem.

„Micro oder Mini?“

„Mignon“, sagt Sayid.

„Nein, nein, D Mono!“, korrigiere ich.

„Also die habe ich gerade nicht da“, enttäuscht Peter. „Aber ich habe einen Panzer gebaut. Ich will damit Herrn Paschulke endgültig das Licht ausknipsen! Fährt mit Diesel.“

„Rüste schonmal auf Elektro-Panzer um. Es wird in einigen Jahren ungemütlich für Verbrenner. Durch Umweltzonen kommste mit dem Panzer dann sowieso nicht mehr.“

„Fährt man viel Panzer in der Zukunft?“, fragt Peter.

„Ja, man nennt sie dann aber SUVs“, erklärt jemand, der unerkannt bleiben möchte.

Die Bande steht vor einem großen Problem. Keine Batterien für das Funkgerät. Mir fällt dazu nur eine Lösung ein!

„Leute, mir fällt dazu nur eine Lösung ein!“


Wie unfassbar spannend dieser Mehrteiler inzwischen geworden ist! Ich bin selber sehr gespannt, wie es da weitergehen kann! Wie komme ich aus der Nummer raus? Demnächst hier im seppolog!

Immer über neue Veröffentlichungen informiert werden:
das seppolog bei Instagram!

Besuchen Sie gerne auch:
Seppo bei Spotify mit dem Podcast Unbekannt trotz Funk und Fernsehen und Seppo auf Instagram.
Mehr als 900 weitere Geschichten auf www.seppolog.com!

Und hier Seppos Podcast hören!