Guten Samstagmorgen, es ist sechs Uhr 42 und mir ist etwas kalt. Ich verstehe Ihre Neugierde und wenn ich Sie wäre, würde ich ebenfalls alles stehen und liegen lassen, um zu erfahren, was der Grund für mein Frösteln ist. Vollkommen verständlich, dass Sie mir nun zu Hunderten an meinen Tinten-Lippen hängen, weil Sie wissen: Jetzt wird es wieder spannend, ist doch Ihr eigenes Leben fad und öd. Wie schön, dass wir zusammen den Samstagmorgen begehen! Holen wir uns noch einen herrlich heißen Kaffee dazu!

Und nun geht’s los.

Vor zwei Tagen befolgte ich den Bratschlag meines Metzgers und briet ein Huhn. Das gelang mir recht gut, denn braten kann ich. Ich will Ihnen das Geheimnis meines Braterfolges anvertrauen: Es ist der Wendepunkt, vielmehr der Wendezeitpunkt. (Zur Wendezeit war ich etwa zwölf Jahre alt.)

Ich wendete und wendete bei „mittlerer Hitze“, wie mich gelehrt. Das Huhn war fertig, knusprig und goldbraun, nur war ich es nicht, sodass der Pflanzenersatz in der Pfanne abkühlte.

Übrigens und nebstbei: Es ist nicht einfach zu entscheiden, wann es „mir gelehrt“ und „mich gelehrt“ heißen muss. Ich hoffe, ich entschied oben im Sinne der Korrektheit.

Als nun auch ich soweit war, das Huhn zu essen, schaltete ich das Kochfeld wieder ein und – und hier unterlief mir der Fehler – verließ die Küche.

Für Sie wird neu sein, was meine Mitbewohnerin seit Langem leidlich weiß: Ich habe geistig ab dem 20. Lebensjahr sehr abgebaut. Ich vergesse leider sehr schnell. Und so hatte ich auch, kaum die Tür der Küche hinter mir verschlossen, komplett vergessen, was in der Küche vor sich ging, von mir immerhin selbst in Gang gesetzt.

Stunden später vernahm ich einen seltsamen Geruch in der Wohnung. Und wenn Sie nun glauben, ich meine den Geruch Angebrannten, dann irren Sie. Der von mir vernommene Duft ist schlicht unbeschreiblich. Ich habe so etwas zuletzt gerochen, als ich als Kind zusah, wie meine Großmutter Hühner schlachtete. Und es stimmt übrigens, dass diese Tiere nach dem Köpfen noch ihre Beine bewegen und manchmal vor Schreck noch ein, zwei Eier gebären. Und sie riechen, die nicht mehr gefiederten Tiere. Sie riechen stark. Und so fiel mir ein: Achja, ich wärme ja ein Huhn auf!

Eilend eile ich also im gewohnt historischen Präsenz in die Küche und laufe in eine Wand dichten Qualmes und sehe, wie das Huhn eins mit der Teflonpfanne geworden ist. Es ist nicht einfach nur verbrannt und verkohlt, nein, es ist zu einer wabernden Masse geworden, die seltsam in der Pfanne vor sich her blubbert.

Und es ist dieser Gestank, den wir nicht mehr aus der Wohnung bekommen und daher auch die zurückliegende Nacht sämtliche Fenster und Balkontüren offen ließen, wodurch – und hier schließt sich der Kreis – es sehr, sehr und sogar bitter kalt geworden ist.

Es ist nun sieben Uhr zwölf, ich trage nun Kleidung und die Heizung tut das Übrige, jede Sorge um mein Auskühlen ist zwar fürsorglich, aber unnötig, sodass wir uns einem zweiten Themenkomplex zuwenden können. Doch vorher bitte ich Sie kurz um meine Aufmerksamkeit und weise darauf hin, dass jüngst die 63. Episode meines Podcastes „Unbekannt trotz Funk und Fernsehen“ bei Spotify erschienen ist:

Sehen Sie mir diese Crosspromotion nach, aber ich investiere Geld in diese Dinge und habe ein Interesse an deren Wahrnehmung. Sehen Sie es als großzügiges Angebot, das Sie nicht wahrnehmen müssen. Aber eines sollten Sie vor Ihrer Entscheidung wissen: Ich rede in dem Podcast über SIE!

7ieben Uhr 24, meine Mitbewohnerin und ich sitzen auf dem Sofa und ziehen uns „Last One Laughing“ rein, das Beitragsbild zeigt eine Momentaufnahme dieser Szenerie, die Worte nicht beschreiben können. Ich habe diese Staffel bereits gesehen und verrate Ihnen gerne das Ende: Max Giermann gewinnt.

Achtung, Spoiler.

Wenn ich samstags wie sonntags bis sechs Uhr schlafe, ist das für mich Ausschlafen, da ich „in der Woche“ um vier aufstehe. Ich bin nicht nur vergesslich, ich leide auch unter seniler Bettflucht, das aber bereits seit vielen Jahren, nahezu Jahrzehnten. Doch das immens großflächige Caitbüdjet, das sich daraus ergibt, dankt es mir. So verbringe ich Samstagmorgen (Plural!) mit intensivem Medienkonsum. Ich möchte Ihnen zwei Dokumentationen empfehlen, die ich in diesem Zeitrahmen sah: Zum einen in der unordentlichen Mediathek des von mir hochgeschätzten öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der jeden Pfennig unserer Beiträge verdient hat, die NDR-Doku über Kevin Kühnert, die mir wiederum eine ebenso hochgeschätzte Kollegin empfahl.

Zum anderen eine Doku über Öl und hier habe ich leider vergessen, wo ich sie sah. Halt, doch! Arte: „Öl. Macht Geschichte.“ Ach, und auch Arte: eine Dokumentation über das Geschäftsgebaren der großen europäischen Supermarktketten – beeindruckend! Gutes Fernsehen kann wirklich gut sein. Sie haben nicht zufällig auch eine Empfehlung für mich?

Wir erwarten heute Besuch. Mit dem Begriff „erwarten“ ist es so eine Sache. Denn erwarten tun wir den Besuch seit dessen Ankündigung. Der Besuch der uns Besuchenden steht jetzt unmittelbar bevor. Darum kämpfen wir auch so sehr mit dem Hühnerduft. Sie werden die Wohnung betreten und als erstes feststellen

„Bei denen stinkt es.“

Das werden sie denken. Und wer will es ihnen verübeln, denn es stimmt ja! Bei Flothos stinkt es! Also werde ich ihnen erzählen:

„Ich briet mir jüngst ein Huhn und mir unterliefen Fehlleistungen dabei.“

Keine schlechte Eisbrecher-Geschichte eigentlich.

Unerwartetes hasse ich. Wer mich mit Unerwartetem konfrontiert, erntet meine gesammelte Antipathie und wird seines Lebens im Zusammenhang mit meiner Person nicht mehr froh. Also plane ich den anstehenden Tag einigermaßen durch, wissend wohl, dass alles anders kommt, weil sich nie jemand an meine Pläne hält. Aber geht es nach meinen Vorstellungen, werden wir den Tag in der Münsteraner Innenstadt verbringen, denn das würden meine Mitbewohnerin und ich auch tun, erwarteten wir cainen Besuch. Wir saugen wochenends das selbst erarbeitete Privileg auf, auf dieser Insel der Glückseligkeit leben zu dürfen, solange es uns vergönnt ist und Sie können mir glauben und wissen es im Zweifel selbst: Niemand weiß, wie lange es währt.

Wir werden essen gehen. Der kleinste gemeinsame Nenner der Menschen ist Essen. Aber auch ihr größter Konfliktpunkt. In unseren Breiten ist nicht sein Mangel das Problem, sondern Idealismus, der mir mitunter den Fleischkonsum verleiden will. Als Reaktion darauf esse ich noch mehr Fleisch. (Ich bin SPD-Mitglied und habe 2017 alle Stimmen der CDU gegeben, um den Pegida-Fressen mit ihrem bekackten „Merkel-muss-weg“ einen reinzuwürgen, jetzt erst Recht, Ihr Wichser, dachte ich und verriert dabei meine Genossen.) Meine Mitbewohnerin und ich dinierten kürzlich im „Maredo“. Sie kennen Maredo sicher. Inzwischen ist es aber nicht mehr Maredo, sondern Maredo. Die insolvente Kette wurde aufgekauft und neu gestartet. Ich wurde auf diesen Umstand aufmerksam, als ich ein Youtube-Video sah, das in etwa „4K Walk in the Down Town | DUSSELDORF Germany Travel 2021“ hieß. Ich sehe mir gerne diese Videos an, um zu entdecken, was sich in meiner früheren Wahlheimat in den drei Jahren meiner Abwesenheit getan hat. In diesem erst jüngst erstellten Video lief der Filmende an einem Maredo vorbei und ich wunderte mich, glaubte ich ja, die Kette sei geschlossen. Und so googelte ich, um hernach festzustellen, dass sie nach und nach neue Lokale eröffnet und eines der ersten war eben das hiesige Münsteraner, das wir sofort aufsuchten und ich darf sagen: Anders als früher war es ein Fest. Fleisch, Laktose und Gluten in Massen.

Übrigens, ich ließ mich jüngst anlässlich „durchchecken“. Von einer „großen Inspektion“ spreche ich bei meinem Toyota, doch hier ging es um meinen Organismus. Ich fürchtete die Ergebnisse meines Blutbildes, da ich ja weiß, wie ich so esse, nämlich mit Schwerpunkt Protein. Unkenrufen zufolge sei das sehr ungesund, doch beschäftigt man sich mal etwas eingehender mit Tatsachen und plappert nicht nur Überschriften nach, um sich wichtig zu tun, erfährt man durchaus Erhellendes. Dennoch war ich gespannt, welche Diagnose der Arzt mir stellen würde. Ich war auf alles gefasst und mir ohnehin sicher, der Krebs suche mich nun heim, wie so viele Menschen und verstehen Sie das nicht als billigen Gag, denn ich bin in der Tat auf so etwas vorbereitet. Und als ich nun so glaubte, ich sei schwer krank, fiel mir eines immerhin auf: dass es gut war, dass ich das zurückliegende Jahr damit verbracht habe, mich und meine unbestreitbaren Leistungen wie ein Irrer zu feiern. Denn irgendwann einmal kommt der Einschlag und dann will ich mir nicht vorwerfen müssen, die guten Caiten nicht zelebriert zu haben.

„Ja, Herr Flotho, also ich habe hier Ihre Blutwerte“, setzt der Arzt an und ich habe den Eindruck, dass er überlegt, wie er es mir schonend beibringen soll.

„Hm. Also das ist okay, das ist top, keine Entzündungshinweise, Oktozyten-Werte völlig okay, Cholesterin völlig super … Alles gut, Herr Flotho.“

Ha!, denke ich, und das bei meiner Ernährung! „Wie sind die Nierenwerte?“, will ich wissen.

„Auch gut. Sind alle gut.“

„Leberwerte?“

„Bestens.“

Ha!

Mehr muss ich nicht wissen, um die nächsten 20 Jahre – so Gott will – nicht mehr zum Arzt zu gehen, da ich Arztbesuche ablehne. Ich möchte weiterhin bei der Frage nach meinem Hausarzt sagen können: „Habe keinen.“

Acht Uhr zehn, inzwischen sitze ich an meinem Rechner, wo ich diesen Text nun zuende führe, da ich Ihre Zeit nicht weiter beanspruchen möchte und es mich nach einer Dokumentation gelüstet. Dabei werde ich einen Burger essen, der von gestern übrig blieb:

Ein „Peter Pane“-Burger und deren Burger halte ich für die besten. Sehen Sie diesem sein Erscheinungsbild nach, er lagerte eine Nacht lang in einem kleinen Schuhkarton, doch ich werde ihn angemessen aufwärmen. Ich darf ihn nur nicht im Ofen vergessen …

Ein kleiner Hinweis in fremder Sache: Im WordPress-Reader (auf dem Handy) wird in meinen Texte eine beeindruckende Zahl überflüssiger Leerzeichen angezeigt. Diese Fehler liegen ursächlich nicht in meinen Texten, daher empfehle ich das Lesen im Browser.

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