Ich könnt‘ ja jetzt sagen, ich hätte es ja immer gewusst! Pavel, ein Dieb! Ein guter Nachbar, von Freund möchte ich gar sprechen, der mich möglicherweise bestiehlt. Es wäre das zweite Mal in meinem Leben, dass ein bester Freund meine Besitztümer ungeachtet meiner Missbilligung in seine Hände transferiert. 1992 war es, als mein damals bester Kumpel mich meiner BASF-Audiokassetten entledigte. Es sollte das Ende unserer Freundschaft gewesen sein. (Da er später Nazi wurde, war das auch ganz gut so. Sein Faible für deutsche Marschmusik schon in der Grundschule hatte mich ohnehin etwas skeptisch gemacht.) Aber hier soll es ja um Pavel gehen, der heute, am Pfingstmontag, bereits einen Sturm meiner Entrüstung ertragen musste. Es begann damit, dass er mir gestern Abend via Whatsapp folgenden Witz fernübermittelte:
Treffen sich zwei Spermien. Sagt das eine: „Wenn ich zuerst ankomme, werde ich ein Junge.“ Darauf antwortet das andere: „Pah. Ich bin zuerst da. Und ich werde ein Mädchen!“ Plötzlich schreit ein Kuchenkrümel: „Ihr Deppen werdet gar nix, ihr seid in der Speiseröhre!“
Vor Lachen hab ich mich fast am eigenen Sperma verschluckt, war ich doch gestern recht empfänglich für diese Art des humorigen Daseins. Weniger humorig empfand ich das Verschwinden meiner Sonntagszeitung. Glaubte erst, sie sei am Pfingstsonntag schlicht nicht erschienen, doch riet ich mir, einmal im Keller im Altpapier-Container nachzusehen. Und da ich Freund meiner Ratschläge bin, folgte ich meinem Rat und sah nach. Und wurde fünfig. Meine eigenst abonnierte Sonntagsgazette lag zwischen „Düsseldorfer Boten“, „Einkauf Aktuell“ und „Dem Neuen Wochenend“. Womit wir irgendwie wieder bei Sperma wären.
Für mich war klar: Jemand im Hause hat mich meiner Zeitung beraubt. Sofort fielen mir mehrere potenzielle Täter ein. Herr U. zum Beispiel! Ich hab’s immer gewusst! Grüßt ja auch nie außerhalb des Hauses. Aber ich schätze, von Herrn U. stammt eher „Das Neue Wochenend“. Vermutlich von Frau U. entdeckt und entsorgt, wir können nur mutmaßen. Oder Herr U. hat gemerkt, dass es im Internet noch ganz andere Dinge zu sehen gibt, die „Das Neue Wochenend“ nie abdrucken würde.
Ich gehe also mit vermutlich nicht allen Büchern meiner Sonntagszeitung wieder zurück in die Wohung, um meiner Mitbewohnerin mitzuteilen, dass ich dreist bestohlen wurde. Da sie wieder mal nicht weiß, ob ich scherze oder es sich wirklich um eine reale Untat handelt, lächelt sie nur müde und geht ihrem Treiben weiter nach, während ich über Loriots „Pappa ante Portas“ nachdenke, wo Heinrich Lohse im Wohnzimmer am Sonntag die Werktagsausgaben seiner „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sortiert. Sehe da gewisse Parallelen zu mir, denn ich hätte nicht übel Lust, meine Zeitung zu bügeln. Denn eine bereits (widerrechtlich) gelesene Zeitung zu lesen ist meine Sache nicht, das haptische Erlebnis wenn nicht hinüber, so zumindest doch getrübt. Da ich es aber für unmöglich halte, eine Zeitung zu bügeln, ohne dass sie in Flammen aufgeht, verwerfe ich den Plan und schmunzle, als ich sehe, dass das Titelthema ungeklärte Fragen zum Reichstagsbrand sind. Unwahrscheinlich, dass Marinus van der Lubbe nur eine Zeitung bügeln wollte und dabei die Katastrophe auslöste, die zu weiteren Katastrophen geführt hat.
Nun ist es Pfingstmontag und ich habe die Sonntagszeitung gelesen. Und stoße auf jene Glosse, die obiges Foto zeigt. Es steht dort geschrieben exakt der Witz, den Pavel mir erzählt hatte. Im gleichen Wortlaut. Und das lässt nur einen Schluss zu.
Wie ich damit umgehen soll? Ich weiß es noch nicht, berichte aber im zweiten Teil davon. Ich gehe nun Robben füttern.