Um das ganz offen vorab zu sagen: Ich gucke gelegentlich und gerne so genanntes „Trash“-Fernsehen. Das hat vermutlich viel mit Eskapismus zu tun, meinetwegen auch mit Voyeurismus. Aber ich betrachte die Formate nicht kritikfrei und nicht naiv. Natürlich ist mir klar, was inzwischen jedem klar sein sollte: Nichts ist natürlich, das meiste bis alles ist gestellt und geskriptet mit k. Unter dem Deckmantel von „Reality“ wird uns das Gegenteil vermittelt. Inzwischen aber sollte jeder das wissen.

Und dass am Ende von „Germany’s next Topmodel“ – sperriger könnte der Titel kaum sein – kein Topmodel mit ungeahnten Erfolgsaussichten steht, wissen ja teilweise selbst die Teilnehmerinnen, denen es aber vielleicht auch gar nicht mehr darum geht, sondern um die Teilname beim „Bachelor“ 2017.

Das soll hier auch weder Fernseh- noch Gesellschaftskritik werden. Und ich gucke mir das Machwerk, das zwar mit abnehmender, aber noch immer passabler Quote kämpft, freiwillig an. Ich werde nicht von meiner Mitbewohnerin gezwungen, es zu sehen, und auch sie guckt es aus ähnlichen Gründen wie ich.

„Weil die Mädels da so heiß sind!“ vermutete man gestern bei mir als Sehmotiv. Nein. Denn ich finde das Gros der Teilnehmerinnen dort gar nicht heiß. Die meisten Frauen, die ich kenne, finde ich wesentlich schöner.

Die Sendung mag menschen- und/oder frauenverachtend sein (Man beachte den kleinen Scherz!). Aber die Frauen machen ja nun einmal freiwillig mit und es wird uns ja auch vermittelt, dass das Model-Geschäft eben so sei. Das kann ich nicht beurteilen. Aber ein Satz aus der vergangenen Staffel blieb mir im Ohre stecken, als ein Juror am Ende des Laufsteges sich permanent umziehend bilanzierte:

„Gutes Bein-Material in diesem Jahr dabei.“

Da muss ich nun wirklich an einen Viehmarkt denken und den Teilnehmerinnen jeden Respekt vor sich selber absprechen. Was mir aber auch egal ist.

Gutes Beinmaterial bedeutet, möglichst dünne, staksige Stelzen am Unterleibe mit sich herumzutragen, die ich wirklich nicht mehr ästhetisch finde, aber auch das ist mir egal, da sie mit „normalen“ und vor allem natürlichen Frauen nichts zu tun haben.

Mein eigentliches Problem mit dieser „Casting-Show“ besteht darin, dass ich die – keine Ahnung – 20 Prostitu Teilnehmerinnen nicht voneinander unterscheiden kann. Irgendwie sehen sie alle gleich aus, sodass ich meine Mitbewohnerin ständig fragen muss:

„Wer ist das jetzt? Ist das Fata? Oder Elena C.?!“

Elena C., weil es offenbar mehrere Elenen in der Show gibt. Meine Mitbewohnerin kann sich die Namen immerhin merken, ich nicht. Ich war kurz davor, doch dann hat Heidi bestimmt, dass allen mit langen Haaren diese nun abgeschnitten werden müssen

Es ist eure freie Entscheidung, aber wir wissen besser, was für euch gut ist.

und die Blonden brünett werden müssen. Das hat mich dann vollends durcheinander gebracht und so muss meine Mitbewohnerin mir erklären:

„Das ist jetzt die, die letzte Woche noch langes blondes Haar hatte.“

„Ah, okay, die mehr so editorial ist?!“

„Editorial“ – ich weiß bis heute nicht, was das bedeutet. Andere sind mehr „commercial“. Nun ja, dieses Fachsprech interessiert mich auch nur so nebenbei.

In Folge fünf hatte ich mir wieder ein paar Namen raufgeschafft, aber dann fing Heidi an, den „Models“ bei jedem Fotoshooting mit dem immer wieder „weltbesten“ Fotografen, der immer ein anderer ist, den sie aber aus eigenen „Shoots“ stets gut kennt (offenbar schulden sie ihr noch was), Perücken aufzusetzen. Diejenigen, die vorher lange brünette Haare hatten, wurden geschoren und blond eingefärbt, um dann beim Shooting eine langhaarige, dunkle Perücke zu tragen. Wie soll ich mir da die Namen merken?!

„Die hab‘ ich aber noch nie gesehen in dieser Staffel!“, sage ich dann.

„Doch, das ist die, die aussieht wie Jana!“

„Welche Jana?!“

„Unsere Jana, die du kennst.“

„Ach, Jana! Ja, stimmt. Sieht aus wie Jana.“

Die schönsten Bilder bieten sich immer dann, wenn ein „Model“ Schuhe tragen muss, die über einen Absatz von etwa 80 Zentimetern verfügen. Gerade diese Schuhe müssen sie immer dann tragen, wenn der Untergrund aus Geröll, Felsen, Treppenstufen und Lava  besteht, wenn sie sich dem „Entscheidungswalk“ stellen. Wobei ich immer davon ausgehe, dass die Entscheidung schon vor dem Entscheidungswalk feststeht, die endgültige Siegerin vielleicht ohnehin schon. Und so kam es, dass eine Kandidatin sich mehr oder weniger den Fuß beim Walken brach. Das sieht dann immer ganz lustig aus, und ich kann mich deshalb darüber lustig machen, weil es ja eigene Schuld ist, sich solche Schuhe anzuziehen. Es gibt einen Grund, warum Männer die Finger davon lassen. Also sie laufen los und geraten ins Trudeln. Heidi dann:

Das ist nicht schlimm, ihr dürft es euch nur nicht anmerken lassen!

Das ist das ganze Geheimnis! Und wenn dann mal ein Knochen bricht, gilt es, weiter zu laufen, dem Gesichtsausdruck darf man nicht anmerken, dass gerade der Fuß gebrochen ist! Viele kommen nur deshalb weiter, weil sie sich den Oberschenkelhalsbruch nicht haben anmerken lassen. Die attitude macht’s.

Schön war auch der Nippel-Blitzer bei der Kurzhaarigen, die vorher die Langhaarige war. Ihre Brust rutschte aus dem Kleid, das übrigens keine normale Frau freiwillig tragen würde, und wurde von einem Fotografen abgelichtet, der das Bild an Bild möglicherweise verkauft hat. Als die Brustträgerin von diesem Nippelgate in Kenntnis gesetzt wurde – von ihrem verständnisvollen Freund, von dem sie sich vermutlich trennen wird, sobald sie gewonnen hat, weil das immer so läuft -, brach sie in hysterische Tränen aus. Ich maße mir kein Urteil darüber an, aber mein Gott, es ist nur ein Nippel. Und auch Heidi machte deutlich, dass das zum Geschäft gehöre. Heidi hatte aber auch vorher versprochen, dass so etwas nie passieren würde, weil sie bislang immer auf ihre „Models“ aufgepasst habe. Und schon war es doch passiert. Ich fand es wahnsinnig unspektakulär, aber vielleicht wäre ich mit meinem Nippel in der Öffentlichkeit auch hysterisch umgegangen. Wie gesagt, ich maße mir da im Ernst kein Urteil an, gebe aber zu bedenken, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Vorfalls unendlich steigt, gibt man sich einem schlecht sitzenden Kleid in aller Öffentlichkeit hin. Auch wenn die Oper Sydneys ein toller Hintergrund ist. Übrigens war dieses Wahrzeichen zu Zeiten seines Baus umstrittener als die Hamburger Elbphilarmonie, auf die wir stolz sein sollten.

Eines haben die „Models“ dort alle gemein: Sie sind sehr schlank. Und obwohl es abgedroschen ist, als Mann zu sagen, sie sind zu schlank, sage ich: Sie sind zu schlank. Ich bewundere durchaus teilweise die Längen der Beine, doch finde ich, dass nach einem Meter fünfzig dann auch endlich mal das Highlight einer Frau kommen sollte, der Podex. Vor Spinnen ekele ich mich, weil sie sehr, sehr lange Beine haben.

Sie sind also zu dünn. Ich bin nicht unbedingt Freund von – ich will niemandem zu nahe treten bei allem Respekt – 200-Kilo-Frauen, finde dann aber geschätzte 40 ein bisschen dürftig. Ich will die Brüste nicht suchen müssen und nicht mit meinen Fingernägeln in Rippen hängen bleiben beim Liebkosen der Damen. Zumal Rippen relativ schnell brechen. Und ein bisschen Sitzfleisch macht einen Po doch erst ansehnlich. Dort laufen Pos rum, bei denen ich mangels Masse nicht erkenne, wo Bein aufhört und Pos anfangen und wo sie in den Bauch übergehen. Bauch. Auch so etwas: Wenn der Bauch eingefallen ist, die Rippen also samt Brustbein weiter vorstehen als der Bauch, unterstelle ich den „Models“ in meiner Naivität einen gewissen Hunger. Die können unmöglich satt sein!

Auch wieder so ’ne Sache. Ich warte in dieser Staffel auf die Folge, in der Heidi mit ihren „Girls“ zu „McDonald’s“ geht und einen Burger isst.

„Auch als Model muss man mal was essen“, sagt sie dann immer. Viele wissen das nicht.

Aber vielleicht kommt die Szene nicht mehr, weil sie schon lange nicht mehr für „McDonald’s“ wirbt. Vielleicht war die Nummer auch zu durchschaubar.

Eines regt mich im Fernsehen ganz besonders auf: Wenn Werbung und redaktionelle Teile vermischt werden. Leider hat der Gesetzgeber das in Maßen vor einigen Jahren erlaubt und nennt es „Produktplatzierung“. Das sind bei „Germany’s next Topmodel“ im Wesentlichen die „Venus“-Rasierer für die Beine (nehme ich an) und irgendwelche Armbanduhren, die wie bei einem Teleshopping-Kanal schamlos in Szene gesetzt wurden. Das ist bereits eine Grauzone, „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ hat genau dafür jüngst einen auf den Sack bekommen, was die Sender vermutlich nicht interessiert, weil die Strafen ein Witz und womöglich schon eingepreist sind.

Viel schlimmer finde ich, wie die Mädels sich dann auf die Konsumgüter stürzen und dabei kreischen. Dieses Kreischen, überhaupt! Warum müssen sie immer kreischen, wenn sie sich freuen?! Aber nun gut, sie kreischen, weil sie alle einen „Venus“-Rasierer bekommen. Natürlich wurden sie vorher instruiert, nehme ich an, vermutlich hat da jemand ihnen gesagt:

„Ihr kommt dann gleich rein, seht diese albernen Plastik-Rasierer und kreischt dann eben. Wäre schön, wenn ihr dabei auf und ab hüpft, dann über die Rasierer und dann übereinander herfallt. ‚Gillette‘ würde sich freuen.“

Und weil die Mädels sich gerne verkaufen, tun sie das natürlich auch.

Wer sich so der Öffentlichkeit preisgibt, muss damit rechnen, nicht nur von Thomas Mayo begutachtet zu werden, der aus unerfindlichen Gründen immer eine Jeans-Jacke um die Hüfte gebunden trägt, was aber okay ist, wenn es sein Ding ist, sondern auch von Zusehern wie mir. Gestern wurde ein „Model“ nach Hause geschickt, weil es eine Lungenentzündung hat. Trotz der von Heidi immer wieder betonten Verantwortung, die sie ja trage, hat sie den Patienten erstaunlich lange mit sich rumgeschleppt. Fand ich bereits bedenklich. Steht aber vielleicht auch einfach so im Skript mit k.

Ja, ich muss mir das nicht ansehen, aber es liegt irgendwie auch in meinem beruflichen und auch persönlichen Interesse, das zu beurteilen, und dazu muss ich es ja auch sehen. Und ja, es macht Spaß. Ich kenne mehrere Männer, die es aus denselben Gründen wie ich gucken. Aber wie gucken es junge, minderjährige Mädchen? Muss das nicht grauenhaft sein, sich diesem dort vermittelten Druck ausgesetzt zu sehen? Ob Dreizehnjährige sich wegen dieser Sendung gelegentlich den Finger in den Hals schieben? Ich weiß das nicht. Halte es für möglich, glaube aber auch, dass da Eltern gefragt sind, die den Mädels mit der Fernbedinung beim Einschalten von „Pro Sieben“ am Donnerstagabend ja durchaus mal einen drüberziehen könnten, um dann auf „Arte“ umzuschalten. Hätte ich eine Tochter in diesem Alter, ich würd‘ mir das mit ihr reinziehen und ihr sagen: „Das ist nicht echt. Das ist Dreck.“


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