sonnenbad

Als absoluter Freund der derzeitigen Hitze, die ja nicht ansatzweise einen Rekord darstellt, fröne ich dem Laufen in der prallen Mittagshitze. Immer wieder wird mir gesagt, das sei ungesund. Ich sage, das ist undifferenziert. Die Olympischen Sommerspiele werden auch nicht wegen Hitze abgesagt, es ist eine Frage der Gewöhnung, des Trainings.

Dennoch hatte ich gestern einen Sonnenstich. Das gehört zur Gewöhnung dazu. Ich laufe im 16. Jahr durch Mittagshitze, ich vermag das einzuschätzen.

Im Südpark, der den Volksgarten in Düsseldorf umfasst, wenn ich das richtig verstanden habe, gehe ich bei Hitze bevorzugt „joggen“. Grund ist der leider auch bei Kindern beliebte „Wasserspielplatz“, der weniger durch Sand als durch mehrere Wasserfontänen auffällt. Zweimal passiere ich bei meiner Runde diesen Spielplatz, zweimal kämpfe ich mit Kindern, die über etwa ein Drittel meiner Körpergröße verfügen, um das Wasser. Der Kampf um diesen Rohstoff ist mir also nicht unbekannt. Und Kinder sind – erbarmungslos.

Sie sind vor allem nackt. Und dann stehe ich da inmitten von an die hundert Kindern mit entsprechender Elternausstattung nassgeschwitzt und schwer atmend. Wegen des Laufens. Und hoffe, nicht als pädophil ausgemacht zu werden, was in unseren aufgeregten Zeiten schnell der Fall sein kann. Mir geht es nur um das Wasser. Das eben genau dann nicht sprudelt, wenn ein Kind sich mittels Fuß auf den Zufluss stellt und damit die Wasserzufuhr vereitelt. Für das Kind ist das in dem Moment „Spielen“. Für mich ist es eine Boshaftigkeit. Und dann blicke ich in die Augen des Kindes und sehe: Es macht das mit voller Absicht. Es erkennt meine Not und dreht mir das rettende Nass ab.

Weil ich mit Kindern so gut kann, drohe ich mit schweren Konsequenzen, sollten sie das Wasser nicht freigeben. Aber leise, damit die Eltern es nicht hören, die das Schauspiel aus sicherer Entfernung kritisch beäugen, denn ein 37- oder 38-Jähriger hat auf so einem Spielplatz ohne Kinder nichts zu suchen. Ich sage zu dem Übel-Kind:

„Folgendes: Wenn du nicht jetzt einen Schritt zur Seite tust, droht Ungemach.“

Das Kind guckt mich mit fragenden Augen an, seine Mundwinkel bewegen sich nach unten. Großer Gott, es plärrt gleich los, denke ich und beschwichtige:

„Nein, nein, alles in bester Ordnung. Ich brauche nur dringend Wasser.“

Es schreit los. Ruft nach seinem Vater. Um Gottes Willen, warum denn gleich Vater? Mit Mutter würde ich fertig werden. Aber was, wenn da jetzt ein großer, starker Vater auf mich zukommt?!

Und so geschieht es: „Lass den Jungen da doch spielen. Das ist ein Kinderspielplatz! Suchst du Ärger?“

Ich: „Nein, nein. Ich suche vor allem Wasser.“

„Das ist aber eh kein Trinkwasser. Wenn du das jetzt trinkst, machen die Kinder das alle nach.“

„Ich will es nicht trinken, ich will meine Haut nur damit großzügig benetzen! Aber ich gehe dahinten hin. Passt schon!“, erkläre ich auf eine weitere Wasserfontäne deutend.

Und gehe herüber, doch weitere Kinder sind schneller. Und stellen sich auf den Zufluss. Was für eine seltsame Art, mit Wasser zu spielen. Es abzudrehen. Absurd. Wenn ich mit meiner Modell-Eisenbahn von „Märklin“ gespielt hatte, habe ich doch auch nie die Waggons einfach nur auf das Abstellgleis gestellt.

Mit dieser, wie ich finde, kindgerechten Parabel versuche ich dem Mädchen klarzumachen, dass sie bitte ihren Fußballen aus dem Wasserloch nehmen möge, da ich dem Hitzetod relativ nahe sei. Die vielleicht Vierjährige lacht mich herzzerreißend an und sagt:

„Aber du hast ja noch was an!“

„Ja, das trocknet ja schnell. Wenn es denn dann mal nass würde.“

Ich lächle. Ich versuche es mit Lächeln. Und es funktioniert! Das Kind gibt das Wasser frei! Und ich stehe unter einer Fontäne des kühlenden Nass‘, das mir weitere zwei Kilometer des Laufens ermöglicht.

Und ich laufe weiter. Denn ich habe inzwischen raus, wo im Volksgarten die Rasensprenkler stehen. Sie wandern. Standen sie gestern noch hier, stehen sie heute da. Das System habe ich bereits im vergangenen Sommer geknackt. Und so finde ich mich wenig später vor einem dieser Sprinkler wieder, die ihr Werk auf etwa Brusthöhe verrichten und lasse mich berieseln. Es ist göttlich.

Unbeeindruckt von Hitze und Sonne finde ich mich am Nachmittag am Rhein wieder. Am Rhein weht ein frischer Wind und ich liege auch nicht unmittelbar in der Sonne, sondern im Schatten eines Baumes. Sonnencreme scheint mir unnötig. Und höre im Geiste meine Mutter warnen: „Die Haut vergisst nie.“

Aber ich, die Sonnenmilch. Die Milch der Sonne.

Dass mein Bein zunehmend rot wird, schiebe ich zunächst auf eine allergische Reaktion auf irgendwelche Gräser, die ich auf dem Weg zum Baum durchwandert habe. Kleine Hautreizung. Denn am Bein habe ich nie Sonnenbrand. Und sage zu meiner Begleitung links neben mir:

„Das kann an sich nicht sein. Mit dem Bein war ich heute noch laufen. Da kriege ich nie Sonnenbrand.“

Jene Begleitung gehört zu den Frauen, die die Beifahrertür meines Autos gerne selber öffnen. Ich als Semi-Gentleman habe ich mich aber darüber hinweggesetzt und ihr, wie den meisten mir sympathischen Damen, dennoch penetrant die Tür geöffnet und sie möglichst nicht überpünktlich wieder zugeschlagen. Nicht auszudenken, sie ist erst zu zwei Dritteln eingestiegen und ich schmeiße die Tür wieder zu, ohne zu bemerken, dass ich dabei ihren Arm oder ihr Bein abgetrennt habe. Wie würde das aussehen? Ich stehe draußen am Auto, schlage die Tür zu und merke, wie ein Arm neben der der Tür auf dem Boden liegt. Was sagt man dann? Sagt man dann überhaupt etwas? Vielleicht merkt sie es ja nicht und man kann über den Fauxpas hinweg schweigen. Doch die Frage stellte sich gestern nicht, als ich lediglich ihr Kleid zwischen Tür und Auto einklemmte.

Zurück zum Rhein, wo sie mir den „Pokédex“ erklärt. Wir starten also beide die entsprechende App, als sie meine nicht vorhandenen Fortschritte bei „Pokémon Go“ betrachtet, das ich aus diversen Gründen spielen muss. Ich bin stolz auf Taubsi, sie hingegen hat aber schon „Molgol“ gefangen. Irgendwo in der Altstadt findet man wohl Molgol. Ist der immer da? Das habe ich zum Beispiel auch noch nicht begriffen. Ist Molgol immer in der Altstadt in Düsseldorf?!

Ich bin eh abgelenkt, denn vor uns sehe ich plötzlich einen Schlüpfer. So einen beigen. Der Schlüpfer umhüllt einen zirka 60 Jahre alten Podex.

„Ah, das also ist ein Poképodex!“, sage ich, um meine Begleitung zu erheitern, die aber gerade sich mit Taubsi in einer Arena befindet und gegen irgend jemanden kämpft.

Der Po der Dame hat auf mich die Wirkung eines Unfalles. Ohne dieser Generation zu nahe zu treten, denn mein Po könnte ja eine ähnliche Wirkung auf andere haben, ich beanspruche da keinesfalls einen Schönheitspreis für mich. „Mr. Ass Germany“, war ich allerdings 2013. Das nur am Rande, später dazu keinmal mehr.

Also, Unfall. Man will weggucken, aber man guckt ihn. Und nun tut die Dame etwas, was man so tut, geht man schwimmen. Man wechselt die Hose. Das allerdings offenbart mir Einsichten, die meine Sexualität für mindestens 24 Stunden zerstören. Warum gucke ich auch hin?! Warum gucke ich nicht einfach den Baum an, unter dem ich sitze? Also wende ich meinen Blick nach rechts, wo ich einen kackenden Hund erblicke.

„Na toll“, sage ich zu meiner Begleitung, „wir sitzen hier am Klo des Badestrandes.“

Sie: „Hinter dem Baum hockt eine Frau! Was tut sie da?“

Ich: „Großer Gott. Hoffentlich nicht das, was der Hund auch tut.“

Gebannt starren wir zu der Frau, die nur teilweise vom Baumstamm verdeckt wird. Sie hockt.

Meine Begleitung: „Sie hat aber Ausdauer!“

Ich: „Oder Verstopfung. Sollten wir den Platz wechseln?“

 

Zum Klischee des Strandbesuchers gehört der wegfliegende Sonnenschirm. Ich habe da als Kind viel Erfahrung mit meinen Eltern sammeln können. Bei uns war es kein Schirm, sondern ein Windschutz, der nie fest genug im Sandboden verankert war, um sich irgendwann loszureißen und um die Strandnachbarn zu wickeln.

„Moooment! Wir wickeln Sie wieder aus! Entschuldigung!“, rief mein Vater dann gerne, weil er das nicht ganz zu Unrecht witzig fand.

Gestern sind es zwei junge Mädels, die für acht essen, die sich unter einem Sonnenschirm vor der Sonne schützen, als dieser Sonnenschirm sich losreißt und ohne den fliegenden Robert auf ausgerechnet uns zufliegt. Obwohl das eine Mädel für vier isst, was keine Wertung, sondern Beschreibung ist, rennt sie erstaunlich schnell dem Schirm hinterher und ergreift ihn, bevor er uns ergreift. Aber es geschieht, was geschehen muss, der Wind bläst gnadenlos von innen in den Schirm, sodass es diesen zerfetzt. Der Mensch kämpft seit Erfindung des Schirmes erfolglos gegen genau dieses Phänomen. Falsch herum angewandt, wird der Schirm zur Todesfalle. Und meine Begleitung und ich sitzen im Schatten unter dem Baum und können das Lachen nicht verbergen, während der Hund an seiner Kacke schnuppert. Nicht frei von Stolz, wie mir scheint.

 

Wieder zuhause stelle ich fest, dass neben meinem rechten Bein auch alles andere sehr rot geworden ist. Und ich höre meine Mutter im Geiste sagen: „Ich sage jetzt nichts.“ Viel unangenehmer ist jedoch der Brei unter meiner Schädeldecke. Denken fällt mir plötzlich sehr schwer und ich teile meiner Mitbewohnerin mit:

„Aldakopf. Sonnnstch.“

Sie weiß nicht, was ich sage, schüttelt den Kopf und geht. Ich schleppe mich zum Gefrierfach, räume die Leichenteile zur Seite

(Hatten jüngst ein Pärchen bei uns zu Gast, das wir zerlegt haben. Andere Geschichte, dazu später mehr.)

und greife zum rettenden Kühl-Pad, wie es sich wohl nennt. Mit dem ich dann auch ins Bett gehe und wirre Dinge träume. Von Unterhosen und kackenden Hunden.


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Es gibt hier nichts zu sehen: Facebook-Seite „Seppo“, Person des öffentlichen Lebens. Größenwahn.