burger

Es ist vergangener Samstagabend. Meine Mitbewohnerin und ich haben Gäste. Ihn kenne ich gut, sie hingegen nicht. Und sie mich nicht. Nennen wir sie hier Clara, denn ich kann mir vorstellen, dass sie ihren richtigen Namen, Rabea, hier nicht lesen möchte.

Wenn wir Gäste empfangen, neige ich dazu, schon an der Tür eine Salve an Sarkasmus abzufeuern. Das liegt daran, dass mir Sprüche wie „Ihr habt aber schlechtes Wetter mitgebracht!“ nicht liegen, also der gängige Smalltalk eher eine Qual für mich ist. Also lasse ich meine Gesichtszüge schon beim Öffnen der Wohnungstür entgleiten und sage Dinge wie „Geht doch heraus!“ statt „Kommt doch herein!“. Viele sind dann mitunter verunsichert, glauben, ich würde die Wahrheit hinter der Maske der Ironie verstecken. Das stimmt nicht, denn ich habe mich auf Clara und Michael gefreut. Beide kaum in der Wohnung fühlen sich dank meines Einstiegsprogrammes sehr unwohl, was mir umgehend leid tut, obwohl Michael meine ewige Masche durchaus kennen könnte. Später des Abends soll er mir noch cocktailselig erzählen, dass er sich wirklich unerwünscht fühlt, was ich brüsk dementiere. Wieder einmal wurde ich Opfer der eigenen Ironie und schaffe es doch tatsächlich noch, mich selbst als Opfer hinzustellen.

„Der ist immer so“, klärt Michael seine Freundin Clara auf, die glaubhaft versichert, sie könne damit umgehen.

Während ich mir eine neue Hose anziehe, da ich mir bereits beim ersten Schluck den Wein über die Hose gekippt habe, wird im Gästesaal (Küche) die Essensbestellung geplant. Die armen Irren wollen es tatsächlich telefonisch erledigen, was ich immer ablehne.

Ich bin eher der „Pizza.de“-Typ, wo ich online meine Bestellung nach Gusto komponieren kann, wohl wissend, dass die Zusätze wie „Bitte ohne Zwiebeln“ vom liefernden Imbiss ignoriert werden.

Ich möchte direkt den gängigen und erwartbaren Kommentaren vorweggreifen: Ja, ich bestelle fettiges Essen minderer Qualität bei zweifelhaften Produzenten. Ja, es ist ungesundes Essen, das jedes Gebot der derzeit gängigen Ernährungsdogmen missachtet. Ja, ich esse Fleisch. Der Porsche fahrende Veganer rotiert in seinem Sarg aus Soja. Ja, wir haben einmal nicht selbst gekocht. Allein, es ist mir egal.

Als es Dienste wie „Lieferando“ oder „Foodora“ noch nicht gab, rief man die Pizzeria seines Vertrauens noch an. Dabei empfand ich zwei Dinge immer als relativ störend: Weder habe ich mein Gegenüber am Telefon aufgrund von Sprachbarrieren, die ich völlig okay finde!, verstanden, noch hat das Gegenüber mich aufgrund des Hintergrundlärmes in seinem Etablissement richtig verstehen können.

Als Pennäler erlaubte ich mir bei „Pizzeria Nikos“ in Münster einen Scherz. Ich rief dort mehrfach pro Woche an und bestellte eine „Pizza Tikki“. „Tikki“, muss man wissen, ist der Spitzname eines Freundes von mir gewesen, der daneben saß und sich nicht mehr einkriegte. Damals war mein Anspruch an Humor noch ein anderer. Aber die Vorstellung, nach jeder Bestellung einer „Pizza Tikki“ eine Pizza mit Tsatsiki zu erhalten, finde ich nach wie vor lustig. Allerdings mochte ich damals schon kein Tsatsiki, wessenthalben der Scherz an der Stelle mir einen hohen Preis abverlangte. Irgendwann kam „Pizza Nikos“ das seltsam vor, dieses „Tikki“, und er sagte zu mir am Telefon – und ich scherze nicht!: „Rufst du noch einmal hier an, dann komme ich und ficke deinen Arsch.“ Mich hatte das sehr beeindruckt, sodass ich den ohnehin eher seichten Scherz von da an eingestellt habe.

Dann kamen die Onlinedienste, die, das ist mir bewusst, einen gewissen Druck auf die Pizzerien ausüben, was insbesondere für die neuen Bringdienste wie „Foodora“ gilt. Diese Zwischenhändler sind für unser Wirtschaftssystem ähnlich gut wie der „Taxi“-Dienst „Uber“. Der Wirtschaftspolitiker in mir sagt, solche Dienste gehören verboten. Das ist ein anderes Thema.

Die telefonische Bestellung bei „Theo’s Grill“ mit Deppenapostroph übernimmt also meine Mitbewohnerin, die ich im Schlafzimmer, meine Hose wechselnd, ins Telefon brüllen höre, weil sie nicht verstanden wurde. Ich schluckte die Genugtuung hinunter, um sie wieder in die Küche kommend hochzuwürgen.

„Online geht irgendwie einfacher, oder?“

Ich werde keines Blickes gewürdigt und vergesse, dass seit vier Jahren unsere Türschelle, also die Klingel, kaputt ist. Sie scheppert ein wenig, wenn alles still ist, kann man das sogar hören. Nur sind wir nicht still. Ich war DJ und bediene das „Amazon Music“-Pult und spiele Weihnachtsmusik, was Clara erst beim dritten Lied des „Happy Skalidays“-Albums bemerkt.

Langsam, aber sicher gerate ich in vorweihnachtliche Stimmung. Genießen wir einige Takte dieser Darbietung.

Leider ist auch unser Festnetz-Telefon kaputt. So kann „Theo’s Grill“ uns nicht anrufen. Wir haben seit zehn Jahren ein kaputtes Telefonkabel. Man muss vor einem Anruf Gewalt anwenden, damit das Kabel Telefon und Wand miteinander verbindet. Uns anzurufen ist meist ein aussichtsloses Unterfangen. Will meine Mutter mich anrufen, schickt sie vorher stets eine Whatsapp-Nachricht:

„Kümmere dich doch endlich mal um das Telefonkabel!“

Dann rufe ich sie zurück. Theo jedoch schickt keine Whatsapp-Nachricht, um uns mitzuteilen, dass er bereits zehnmal bei uns geklingelt hat.

Weil ich die Kommunionsblase eines Mädchens habe, gehe ich zur Toilette. Unser Glück. Deutschland hat schon Weltmeisterschaften gewonnen, weil ich zur Toilette ging. Aber auch verloren. 1998 gegen Kroatien. Ich war schiffen, kam wieder und man informierte mich über den ungünstigen Ausgang des Viertelfinales … Ich also wieder einmal auf der Toilette höre dann endlich Theo, den ich dann samt Warenlieferung Einlass gewähre.

Ich könnte nun noch Michael in Grund und Boden schreiben, weil er den bestellten Burger nicht besser fand als einen Mikrowellen-Burger, was mich insofern beleidigt hatte, als dass ich Theo’s Burger für eine Sensation kulinarischer Imbisskunst halte und ihn ihm so auch angekündigt hatte.

Er weiß, dass wenn er das nächste Mal vorbeikommt, er sich entsprechende Burgersprüche wird anhören müssen. Clara war dann so freundlich, ihr Essen mit seinem zu tauschen. Ihr schmeckte der Burger. Zumindest war sie so höflich, das mir so zu verkaufen.

Es war ein sehr schöner Abend, schon am Sonntag sahen wir uns wieder. Es war Freitagabend. Es war gar nicht Samstagabend!

Lassen wir ihn ausklingen mit Wizo:


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