Es war im Oktober des vergangenen Jahres und es fiel mir leicht, das zu tun, was ich tun musste, denn auch ich war schon einmal Teil einer Belegschaft, die von einem auf den anderen Tag freigestellt wurde, was ein anderes Wort für „rausgeworfen“ ist, denn am Ende kommt es aufs Gleiche hinaus: Man sitzt schon am Folgetag in einem Büro der Arbeitsagentur. Doch nun war es endlich einmal an mir, Leute auf die Straße zu setzen, und ich wusste, auf mein Feingefühl gegenüber Menschen ist auch in einer solch (für die anderen) schwierigen Situation Verlass. Ich bin ein Menschenfänger, selbst schlimme Nachrichten fühlen sich aus meinem Munde kommend an wie Watte und Lebkuchen.

So stehe ich also vor meiner Mannschaft, die nicht ahnt, dass ich beschlossen habe, das seppolog, diesen Blog also, dieses Medienimperium, zu schließen.

„Im Wesentlichen ist ein kleiner Teil von euch … oder sagen wir: ist das Gros von euch praktisch von morgen an … also streng genommen seid ihr alle ab morgen offen für neue Arbeitssituationen. ‚Mobiles Arbeiten‘ bekommt für euch eine ganz neue Bedeutung! Und schon lange stellt sich die Frage, was eigentlich ‚Mobiles Nicht-Arbeiten sein könnte!“

Ich blicke in entgeisterte Gesichter, deren Züge abstrus entgleiten.

„Leute, wenn ihr morgen mit diesen Trauermienen bei der Arbeitsagentur aufschlagt, versprüht das wirklich wenig Optimismus, dann könnt ihr direkt ALG II beantragen.“

Kaffee-Karsten meldet sich zu Wort: „Wir bekommen kein ALG II, nicht mal Arbeitslosengeld I, wir sind alle frei bei dir beschäfigt!“

Gewesen! Beschäftigt gewesen!“, korrigiere ich, „Im Übrigen können wir wieder zum ‚Sie‘ zurückkehren, jetzt, wo wir in keinem Verhältnis mehr zueinander stehen. Darüber hinaus: selbst schuld, als Freier zu arbeiten. Aber ihr habt sicherlich anderweitig noch genug im Köcher, um euch über Wasser zu halten. Dann schränkt ihr euch halt mal ein. Und ich meine, mit euren Texten für diesen großartigen Blog als Referenzen im Lebenslauf nimmt euch doch jeder sofort mit Hand und … und … Dings!“

Texter-Thorben wirft ein: „Die Texte hast doch alle du selbst geschrieben!“

Sie! Haben Sie selbst geschrieben!“

Wir waren doch nur da, um Sie zu feiern, weil Sie sich ja nur mit Ja-Sagern umgeben!“

„Und das habt ihr auch alle ganz toll gemacht! Das könnt ihr doch in eure Referenzen schreiben. Es gibt zahlreiche Führungspersönlichcaiten wie mich, die im Grunde nur Ja-Sager unter sich haben wollen.“

Kopierer-Kassandra hakt nach: „Das Siezen gilt nicht für Sie?!“

„So ist es. Ich stehe ja über euch. Ich habe einen Job! Ihr hingegen legt dem Staat ab morgen, null Uhr, auf der Tasche!“

„Aber um die Flüchtlinge, um die kümmert sich der Staat!“, ruft Nazi-Norbert aus der hintersten Reihe.

„Ah, der Abschaum der Gesellschaft pöbelt wieder mal aus der letzten Reihe! Wo ist eigentlich Pegida-Peter?“

„Auf dem Klo, er hält sich gerne im Umfeld brauner Scheiße auf“, informiert mich Info-Igor.

Die Wochen vergingen. Anfangs war es ungewohnt für mich, nicht mehr zu schreiben. Der tägliche Blick auf die Abrufzahlen war mir derart antrainiert, dass er mir in den ersten Tagen regelrecht fehlte. Und noch trudelten Leser-Kommentar:innen ein, hier und da letzte likes. Es war eine Phase der Entwöhnung. Bis ich es vergaß, das seppolog. Und das war befreiend.

Ende des Jahres 2019 hatte ich andere Dinge im Kopf. Vor allem meinen neuen Job bei einem kommunalen Versorgungsunternehmen, nachdem ich selbst vier Monate lang arbeitslos war. Und ich gehöre nicht zu den Personen, die Arbeitslosigkeit als Freizeit genießen können. Der Wechsel aus dem Medienbereich (Und hier meine ich nun wirklich nicht diesen Blog!) ist alles andere als einfach, doch ich hatte viel Glück – fast so viel Glück wie Verstand. Und erst jetzt, im Oktober 2020, weiß ich, dass ich den Wechsel endgültig geschafft und mein Ziel erreicht habe, das ich zusammen mit meiner Mitbewohnerin seit Anfang 2018 verfolgt hatte: nicht nur die Rückkehr in meine Heimat Münster, sondern auch Solidität im Beruf. Ich will das Klischee vom spießigen, gut betuchten Münsteraner nicht nur feiern, ich will es leben. Und mir war klar, dass ich dieses Ziel nicht durch Nichtstun erreiche, sondern komplett neu anfangen muss. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren, insbesondere in den zurückliegenden Wochen, die Erfahrung gemacht, dass an dem Spruch „Von Nichts kommt nichts“ absolut etwas dran ist. Im Nachhinein hat sich mein Vorgehen bestätigt: alles abbrechen, da neu anfangen, wo man sein will. Ohne auch nur die Aussicht auf einen neuen Job verließ ich Düsseldorf und fing in Münster neu an: Nichts konnte mir leichter fallen. Und am Ende galt immer augenzwinkernd die Devise: lieber arbeitslos in Münster, als Erwerbsarbeiter in Düsseldorf.

Ende 2019 sollte ich aber auch einen neuen Trend losbrechen: In meinem genialen Kopf entstand etwas nie Dagewesenes, das ich sofort meiner Mitbewohnerin mitteilen musste:

„Ich schaffe ein völlig neues Format! Ich nenne es ‚Radiosendung zum Runterladen, um sie jederzeit und überall hören zu können‘ – kurz: ‚Podcast‘, das Akronym!“

„Äh … Seppo … du weißt aber schon, dass-„

„Unterbrich mich nicht, wenn ich derart genial denke! Mir schwebt da was Wöchentliches vor! Andere Promis werden mir folgen! Ich sehe schon, wie Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf es mir nachmachen! ‚Baywatch und Flauschig‘ werden sie es nennen!“

„Seppo … Böhmermann und Schulz machen doch schon seit Jahren-„

„Schweig! Ich brauche auch einen Kompagnon!“

Mir war sofort klar, mit wem ich den Podcast machen wollte. Aus meiner Zeit beim weltgrößten Fernsehsender, der aus einem Flüchtlingsheim gesendet hatte – zumindest erinnere ich mich an menschenunwürdige Container -, war mir nur noch der Kontakt zu Christobal geblieben, einem der wenigen, der hier seinen Namen behalten darf, was gelogen ist. Ach, was soll’s, ich verlinke ohnehin gleich den Podcast und spätestens da wird klar, dass er Christopher heißt.

Ich weiß nicht mehr, wann ich ihm das erste Mal den Podcast vorschlug. Könnte Silvester 2019 gewesen sein, als er Gaststar bei meiner Mitbewohnerin und mir war. So oder so, was die Historiker sicher wissen, ist, dass er sofort zusagte. Denn dass wir beide gerne moderieren, was bei einem kommunalen Versorger eher weniger gefragt ist (aber mehr, als man so denkt), lag auf der Hand.

„Christopher, spätestens jetzt gehören wir zu diesen Möchtegern-Moderatoren, die sich über private Projekte noch irgendwie zu profilieren versuchen.“

„Seppo, egal. Wir machen das für uns!“

Der Leser möge mal googeln, was Hans Meiser aktuell so treibt – unheimlich und deprimierend. Aber dass aus mir nichts mehr werden würde, in Sachen Moderation, war mir schon 2013 klar. Ein eigener Podcast wäre also kein tiefer Fall. Im Gegenteil: Es würde kaum jemandem auffallen. In dem Punkt aber sollte ich irren …

Nahezu im Wochenrhythmus haben in den folgenden Monaten Christopher und ich telefoniert. Freitagabends und immer dabei: „Captain Morgan“, ein wohlschmeckender Rum. Ziel der Telefonate war die Konzeption des Podcasts, doch der Alkoholkonsum vereitelte klare Gedanken, sodass wir auch nach drei Monaten nicht wirklich wussten, was wir machen wollten.

Wobei, irgendwie war es klar. Ein Konzept?! Am Arsch. Hatte ich nie, brauche ich nicht. Und ich kenne das ja: Man nimmt sich dieses und jenes vor, überfrachtet sich und die Technik und blockiert sich nur. Mein Vorgehen ist stets: nicht labern, machen. Einfach anfangen, der Rest entwickelt sich. Diese Herangehensweise empfehle ich für sämtliche Lebensbereiche – noch nie hat sie mich in Schwierigkeiten gebracht. Nur sie ermöglicht das schnelle Umsetzen von unkonventionellen Ideen. Über Ideen zu reden führt in aller Regel zu einem sie kaputt Reden. Bedenkenträgertum ist besonders bei den Menschen verbreitet, die das lautstark von sich weisen würden. Das habe ich zu genüge erlebt.

Technisch war alles bereits vorbereitet. Der Verbreitungsweg via Spotify, Apple Podcasts, Soundcloud und Google Podcasts: alles da und eingerichtet. Dass wir es via Skype machen würden, war auch klar, da uns zum Glück rund 120 Kilometer voneinander trennen. Doch es gab da ein Problem: Der ursprüngliche Name des Podcasts wurde zum Hemmschuh.

Doch dazu später einmal mehr … Inzwischen gibt es 24 Episoden von „Unbekannt trotz Funk und Fernsehen“. Wöchentlich hören uns 2.000 Menschen. Damit sind wir der 68.-erfolgreichste Podcast-Neustart 2020!

Immer über neue Veröffentlichungen informiert werden:
das seppolog bei Instagram!

Besuchen Sie gerne auch:
Seppo bei Spotify mit dem Podcast Unbekannt trotz Funk und Fernsehen und Seppo auf Instagram.
Mehr als 900 weitere Geschichten auf www.seppolog.com!