joggenlaufen

Gerne werde ich gefragt, wie oft ich eigentlich jogge. Den meisten ist dabei nicht klar, dass sie mich bereits mittels ihrer ungünstig gewählten Semantik beleidigen, da ich natürlich nicht jogge, sondern laufe. Und wird ein Läufer „Jogger“ genannt, ist das eben ein Affront, üble Nachrede gar. Denn es gibt erhebliche Unterschiede zwischen Joggern und Läufern; ich selber meine, grob drei Kategorien von „laufenden Menschen“ beobachten zu können. Eure Meinung dazu interessiert mich dabei übrigens sehr. Denn ich ahne selbst, dass ich diesen Unterschied recht fatalistisch betrachte…

TEIL I: Der Hobby-Jogger

Sehe ich einen „Jogger“, muss ich zwangsläufig von weit oben herab lächeln, womit ich ihm eigentlich schon ein Übermaß an Beachtung geschenkt habe. Ich kann allerdings niemandem vorwerfen, sich „gelegentlich mal“ zu bewegen – ist es doch besser als nichts. Der Hobby-Jogger gehört zu denen, die vor dem Lauf via Blick aus dem Fenster das Wetter checken, um bei Regen festzustellen, dass ein Lauf unmöglich ist. Geht er doch ganz gerne mal „sonntags ’ne halbe Stunde joggen, wenn die Sonne rauskommt“. Der Läufer späht zwar auch aus dem Fenster, aber eben nur, um sich passend zu kleiden. Ob es regnet oder schneit, spielt bei der Entscheidungsfindung „laufen oder nicht laufen“ in keinem Fall eine Rolle. Es gibt nicht das Wetter, das Laufen zu einem Ding der Unmöglichkeit macht. Ich erinnere mich dabei gerne des Jänners 2007, als der Orkan „Kyrill“ für leichte Turbulenzen sorgte. Zwar bekam ich bei den „Nachrichten“-Sendern über die Einblendung „Jahrhundertsturm“ durchaus mit, dass es windig ist, glaubte aber, dass ein Jahrhundertsturm in einem gerade erst sieben Jahre alten Jahrhundert nicht unbedingt so dramatisch sein muss. Also stürzte ich mich in einen Lauf bei massivem Regen und Wind. Elemente, die Abwechslung versprachen. Und siehe da – selten war es so abwechslungsreich. Zunächst passierte der Deckel einer Mülltonne die Luftströme unmittelbar vor meinem Gesicht, gefolgt von einem ausrangierten Weihnachtsbaum mit einigen Fetzen Restlamettas. Da wurde mir klar, es handelt sich um einen Jahrhundertsturm, sodass ich den Lauf beendete. Aber: Ich war laufen. Und das zählt am Ende.

Am liebsten laufe ich allerdings tatsächlich bei „gutem Wetter“, bei 20 unschwülen, sonnigen Grad mit leichten Windböen, da die Qualität der Luft meine Leistung erheblich beeinflusst. 35 Grad beispielsweise sind kein Problem. Treten sie aber in Paarung mit sehr feuchter Luft auf, kann so ein Lauf zur Hängepartie werden, was sich im Durchschnittstempo am Ende natürlich widerspiegelt, sodass ich einen 10-Kilometer-Lauf bei 15 Grad nicht mit einem solchen in der Mittagssonne eines schwülen Hochsommertages vergleiche. Aber auch das Laufen bei massiv drückender Hitze hat seinen Reiz und ich freue mich bereits jetzt schon wieder darauf, weil es irgendwie geil ist, literweise zu schwitzen. Man weiß ja, dass man eben nicht Vollgas gibt an solchen Tagen. Ich flanierte laufend vor einigen Jahren bei extremer Hitze über die Promenade in Münster. Eine Passantin, die entweder unter Drogen oder dem ungünstigen Einfluss eines Sonnenstiches stand, meinte, mich aus dem Nichts heraus beschimpfen zu müssen, dass es völlig ungesund sei, bei so einer Hitze zu laufen. Ich habe dann immer große Lust, eine Diskussion anzuzetteln, aber das wäre eine Perle vor eine Sau. (So wie ich es auch leid bin, Laien zu erklären, warum Laufen eben nicht schädlich für die Knie ist.) Ich lief also weiter und bewunderte mich für meinen Leichtsinn.

Noch ein paar Zeylen zum „inneren Schweinehund“: Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Läufer und Jogger. Erster überwindet ihn wohl wissend, dass er ihn nie endgültig wird besiegen können. Zweiter kämpft mit ihm, überwältigt ihn aber nur gelegentlich. Natürlich ist morgens stets mein erster Gedanke: Scheise (mit weichem „s“, weil ja noch früh morgens), du musst gleich echt laufen. Und dieser Zustand hält an bis zum Lauf. Ich hatte vor einigen Tagen morgens richtig Bock zu laufen. Das aber ist die absolute Ausnahme und passiert vielleicht zweimal im Jahr. Der innere Schweinehund ist somit allgegenwärtig. Entscheidend aber ist, dass ich mir 2002 die Frage gestellt hatte: Willst du laufen oder nicht? Wenn ja, dann richtig und oft oder gar nicht. Es geht also nur darum, sich selber festzulegen. Denn gibt man auch nur einmal dem inneren Schweinehund nach, wird man es ein weiteres Mal tun. Die Entscheidung muss sein: Egal, wie wenig Lenz ich habe, ich laufe trotzdem. Es darf kein Kriterium sein. Denn ich werde selten Bock haben. Und eines muss man sich ebenfalls vor Augen halten: Nach dem Lauf geht es einem immer besser als vor dem Lauf. Leider hat diese Konsequenz zur ebensolchen, dass man auch stark verkatert laufen kann und muss. Denn nachher geht es einem blendend; währenddessen ist es die Hölle. Es gibt leider keinen Grund, nicht loszulaufen. Vielleicht ein gebrochenes Bein. Ja, da würde ich drüber nachdenken.

Teil II in Balde: Der Pseudo-Läufer