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06.10 Uhr

Ich werde wach. Oft träume ich, dass ich wach werde, um im Traum dann festzustellen, dass ich nur träume, wach geworden zu sein. Dieses Muster kann sich im Traum noch mehrfach wiederholen, sodass ich letztlich irgendwann völlig verwirrt aufwache. Dann aber wirklich. Heute war das nicht der Fall. Ich glaube, ich wurde vom Mahlen der Kaffee-Mühle wach, die nicht etwa an einer Zeitschaltuhr hängt, sondern von meiner Mitbewohnerin bedient wird, die um diese Zeit immer schon wach ist.

Ich trete in Verhandlungen mit mir, ob ich ebenfalls den Tag schon beginne. Ich spüre erheblichen Harndrang, der auch Folge meiner Entschlackungskur ist. Mir ist im Grunde klar, dass wenn ich dem Harndrang nachgebe, ich nicht mehr in den Schlaf zurückkehren werde. Andererseits ist er dermaßen ausgeprägt, dass er mich vom weiteren Schlafen ohnehin abhält. Ich schalte mein Handy ein, um festzustellen, dass meine Trimmdich-Videos auf meiner Facebook-Seite inzwischen kaum noch jemanden interessieren. Dabei kommen noch fünf Teile! Viel schöner ist aber ein Kommentar zu dem Video, bei dem ich angeblich eine „Knack & Back“-Sonntagsbrötchen-Packung nicht zu öffnen vermag: „Der Typ ist einfach nur blöd“, meint da jemand, der Erich heißt. Mit dem Namen „Erich“ würde ich mich ja zurückhalten. Der Kommentar belustigt mich, stellt mich aber auch vor die Frage, wie blöd ich mich tatsächlich darstelle. Eine grundsätzliche Frage, aber die Gefahr, für blöder gehalten zu werden, als ich bin, ist der Preis dafür, hier und da einen Lacher zu ernten. Egal, Erich am Arsch. Erich kennt mich nicht. Wie kann er wissen, dass ich blöd bin?! Warum müssen Leute auch immer das kommentieren, was sie im Grunde kacke finden? Erich, was sind Deine Beweggründe? Hast Du einen Furz quer sitzen oder ist es Mangel an Geschlechtsverkehr?

Blick auf meine Blog-Statistik. Wie ich befürchtet hatte, ist der zweite „Meyer-Bohde“-Artikel völlig abgestürzt. Schade, machen mir die fiktiven Geschichten doch am meisten Spaß. Vielleicht war er auch einfach schlecht. Ich schäme mich und wage nicht, ihn nochmal zu lesen. Es ist der am schlechtesten gestartete Artikel im seppolog. Vergangene Woche hatte ich den Einfall dazu, als ich den Namen „Meyer-Bohde“ hörte. Ich witzelte mit Peter, einem humorigen Kollegen von mir, dem humorigsten überhaupt, darüber, dass Meyer-Bohde eine Figur aus der Sesamstraße sein könnte, da er an Herrn von Bödelfeld erinnerte. Namentlich. „Das muss der traurigste Puppenspieler der Welt sein“, meinte ich. Auf der Heimfahrt war mir klar, das wird ein Blog-Artikel. Hätte ich am liebsten noch am selben Abend geschrieben, denn ich kenne das Phänomen, dass man am nächsten Tag sich fragt, was eigentlich so lustig daran sein soll. Aber klammheimlich freute ich mich darüber, dass der ein oder andere Leser zumindest den ersten Teil ernst nahm. Lara wird in Frage gestellt, aber die völlig an den Haaren herbeigezogene Geschichte um einen Puppenspieler wird mir abgenommen! Der zweite Teil ist aber erkennbar erstunken und erlogen. Ich nenne ihn erst „Fisten“, was mir im Laufe des Tages als viel zu platt erscheint, sodass ich ihn umbenenne. Die Zeiten, in denen „Fisten“ als Überschrift Klicks garantiert, sind vorbei. Das ist überschätzt.

Ich stehe auf. Denn ich muss das Klo erreichen, bevor meine Mitbewohnerin duschen geht.

Es ist arschkalt im Badezimmer. Das macht mich noch wacher. Ich nehme das Magazin „Der Spiegel“ zur Hand, das im Bad liegt, und nehme mir für diesen Morgen die Ressorts „Gesellschaft“, „Wirtschaft“ und „Ausland“ vor. Ein Artikel über den Journalisten Jürgen Todenhöfer fesselt mich nahezu. Ich weiß nicht, wie ich diesen Mann einschätzen soll. Er hat Urlaub beim „IS“ gemacht und habe möglicherweise nicht hunderprozentig korrekt darüber ein Buch verfasst. Sagt jemand, der ihn auf seiner Reise begleitet hat. Aussage gegen Aussage, man wird die Wahrheit nie erfahren. Hat er in seinem Buch hier und da sich selbst in ein besseres Licht gesetzt? Ich traue es ihm zu, ich weiß das aus eigener Erfahrung, dass man der Versuchung schnell erliegt. Aber als Journalist verbietet sich das natürlich.

07.50 Uhr

Meine Mitbewohnerin verlässt das Haus. Mit einem Wärmekissen im Rücken lese ich noch einen Artikel über den VW-Chef Müller zuende. Habe mir gestern schwerst den Rücken gebrochen. Das Kissen verbrennt mir die Haut, weil ich es natürlich zu lange in der Mikrowelle aufgewärmt hatte. Viel hilft viel. Von wegen. Ich entsteige dem Bett und beginne mit Vorhaben Nummer 1: Schlafzimmer aufräumen inklusive Bett beziehen.

08.20 Uhr

Sitze am Küchentisch und entscheide, den Morgen zu dokumentieren. In 100 Jahren könnten Historiker anhand dieses Artikels, wenn sie ihn denn ausgraben, erkennen, wie der Mensch Anfang des Jahrtausends einen Dienstagmorgen verbracht hat. Mein innerer Schweinehund beklagt den anstehenden Intervall-Lauf. Erstmal Schlafzimmer putzen. Jetzt.

Ich sortiere die Haarspangen meiner Mitbewohnerin, die auf ihrem Nachttisch liegen. Wozu braucht ein Mensch hunderte von Haarspangen?! Ich bin aber auch selber schuld, im 17. Türchen ihres Adventskalenders beglückte ich sie mit einer Großpackung Haarspangen. „Die kann man immer gebrauchen“, sagte sie.

08.45

Ich finde das Magazin „le monde diplomatique“, die deutsche Ausgabe natürlich. Lese mit Staublappen in der Hand einen Artikel über die NSA. Ich will nicht laufen heute. Intervall-Lauf. Der wird mit erheblichen Anstrengungen verbunden sein. Ich werde wieder an Enten im Park vorbeilaufen und mich fragen, ob die mich inzwischen kennen. Sehen Enten Farben? Erkennen sie das knallige Grün meiner Laufklamotte wieder? Denken Sie, ich sei so etwas wie ein missgebildeter Frosch? Ich muss saugen.

09.00 Uhr

Das Weihnachtsbaum-Phänomen. Unser Baum ist seit knapp zwei Wochen nicht mehr in der Wohnung. Aber ich finde nach wie vor Tannen-Nadeln. Das wird noch einige Monate so weiterlaufen. Fand gerade eine in unserer Wasserpfeife. Es ist erst Dienstag. Das Wochenende so nah und doch so fern. Ich bereite mich aufs Laufen vor. Das dauert jetzt noch etwa ’ne halbe Stunde, weil ich es hinauszögere. Es ist mitnichten so, dass ich Vorfreude auf einen Lauf verspüre. Ich putze Zähne. Meine. Das erste Mal an diesem Tag. Vor einem Lauf streng genommen nicht nötig. Wen treffe ich schon?! Vor Antritt der Erwerbsarbeit werde ich noch zwei weitere Male Zähne und Zunge putzen. Stieß gestern auf einen Artikel: „Das sagt Zungenbelag über Ihre Gesundheit aus“. Habe ich nicht gelesen. Hatte Angst, mich mit einer ungünstigen Diagnose in der Notaufnahme wiederzufinden. Dürfte eh nur kaffeegetrübt sein, die Zunge. Trinke noch ’nen weiteren Kaffee vor dem Laufen. Ich schinde Zeit. Denn ich habe sie.

09.30 Uhr

Entscheide mich, einen Zweiteiler aus diesem Artikel zu machen. Das birgt Risiken, denn stets verschwindet der zweite Teil im Schatten des ersten. Es ist mir egal.

Meine Mitbewohnerin schreibt mir. Es sei so kalt, sie spüre ihre Beine nicht mehr. Sie radelt morgens immer rund ’ne halbe Stunde. Hoffentlich liegt es auch wirklich an der Kälte. Wie geht sie denn gerade?!


Erfahrt noch heute Vormittag im zweiten Teil, wie ich die Enten traf und mit gebrochenem Rücken den Kraftsport, Vorhaben Nummer 3 dieses Morgens, anging!


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