Zum ersten Teil!darumbvart3Meine – unsere! – Maskenbildnerin zeigte gestern großes Interesse an der Frage, wie ich abends die Pomade aus Haupt- und Barthaar entferne. Die Frage ist nicht unbedingt doof, denn tatsächlich bleibt immer ein wenig Restpomade im Haar; diese klebrige, fettige Masse lässt sich nur durch mehrmaliges Waschen mit einem Spezial-Shampoo entfernen, will man sie nachts nicht im Kopfkissen oder an der Mitbewohnerin verteilen. Als ich dann auch noch von meiner neuesten Errungenschaft, der dreigliedrigen Bartschere, erzählte, also der Schere, die nicht zwei, sondern drei Scherenblätter hat und wahnsinnig schwierig zu bedienen ist (der Ringfinger bedient das zusätzliche Scherenblatt), riet sie mir, ins „Youtube“-Geschäft einzusteigen.

„Jenny, es gibt da tatsächlich Leute, die sich vor die Kamera setzen und den Leuten erzählen, wie mann sich den Bart ordentlich trimmt. Und damit Schweinegeld verdienen. Da ist einer, der bringt inzwischen seine eigene Produktpalette raus. Er nennt sich ‚Bartmann‘. Der lebt davon!“

„Tja, Seppo, dann wird es Zeit für dich, mach‘ das doch auch!“

„Ich kann diese Videos unmöglich ernstnehmen. Ich kann mich nicht vor eine Kamera setzen und den Leuten mit ernstem Blick erzählen, wie sie ihre Konturen zu schneiden haben!“

„Dann mach‘ es auf deine Art, das ist dann vielleicht genau deine Nische! Es ironisch zu machen!“

Nicht schlecht. Die Frau weiß, Mut zu machen. Sie hatte mich soweit, wirklich darüber nachzudenken. Ich schließe es nicht mehr aus. Das lasse ich dann auch versponsern und jubel‘ den Leuten die miesesten Produkte als der Weisheit letzter Schluss unter! Weil ich es ja so mag, wenn Konsumenten beschissen werden …

Nebenbei wies Jenny mich ausgesprochen dezent darauf hin, dass ich gerade für mein Haupthaar etwas zu viel Pomade benutzen würde.

„Es glänzt alles. Nicht nur die Haare. Einfach alles! Aber wenn’s dir gefällt! Ist das Wichtigste!“

„Was? Nein! Ich bin auf jede Meinung freudig angewiesen! Ich sehe mich ja nicht von oben! Ich bin neu in der Haupthaar-Gestaltung! Ist zuviel Pomade?“

„Ja, du glänzt extrem.“

„Danke, ich weiß!“

Man probiert aus. Meister im Barthaar bin ich bereits, da machen wir uns nichts vor, aber was das Haupthaar angeht, befinde ich mich in einer Experimentierphase. Ich hatte 19 Jahre lang kein Haar auf dem Kopf. Und Ausprobieren kann ich nur empfehlen, denn auf diese Weise entwickelt man sich eben weiter. Wie auch Beta-Seppo ™ aus dem Jahre 1997.

Beta-Seppo ™ dürfen wir uns als orientierungslosen Jugendlichen vorstellen, der eine wirklich unfassbare orientierungslose Haarpracht auf dem Kopfe trägt (es war so eine Art Föhn-Frisur), bei den Mädels einfach mal überhaupt nicht ankommt, der aber der Vorgänger-Version eines voraus hat: eine Art Bart. 17 Jahre alt ist er, als Alpha-Seppo ™ feststellt, dass man sich diese paar Haare unter der Nase und am Kinn doch auch mal wachsen lassen könnte – und siehe da: Das Upgrade auf die Beta-Version war vollzogen, ich trug einen Elf-Tage-Bart!

Vielleicht ahnte ich damals ja schon, dass das so dolle nicht aussah, aber möglicherweise ist man in dem Alter wahnsinnig stolz auf den Flaum (Um „Flaum“ nicht mit „Pf“ zu schreiben, googelte ich gerade „Flaum“ und durfte erfahren, dass Justin Bieber sich gerade einen Flaum stehen lässt!). In unserer Stufe war ich überdies der erste, der sich vorwagte. Es war noch die Zeit, als Helmut Kohl Kanzler war und Bartträger nicht einem Terrorcamp zugeordnet wurden. Damals galten Vollbärte eher als etwas ungepflegt, was man meinem Elf-Tage-Bart vielleicht durchaus vorwerfen konnte angesichts meiner Fülle an Pflegeprodukten, die ich heute benutze. Ich liste spaßeshalber einmal auf:

  • Murray’s Super Light Pomade (3x)
  • Murray’s Super Hair Dressing Pomade (2x)
  • Sweet Georigia Brown Pomade (2x)
  • Schmiere Feinste Haarpomade (3x)
  • Black & White Hair Dressing Pomade
  • Dax Hair Shaper (3x)
  • Murray’s Hair Glo (2x)
  • Dax Short and Neat Light Hair Dress
  • Dr. K Soap Company Beard Soap
  • Dr. K Soap Company Tonic
  • OAK Beard Wash
  • OAK Beard Oil
  • Craftculture Beard Wash
  • Mr. Natty Face Forrest Soap
  • Mr. Bear Family Beard Balsam
  • Mr. Burton’s Beard Oil (2x)
  • Captain Jack’s Beard Oil
  • Bartpracht Zirndorf
  • Damn Good Soap Company Beard Oil
  • Bartbürsten (2x)
  • Bartkämme (7x)
  • Bartscheren (3x)
  • Duck Butters Beard Oil (4x, nutzt unser Bildregisseur ebenfalls)

Schrieb ich eben „spaßeshalber“?! Hat mitnichten Spaß gemacht. Aber ich könnte einen Laden eröffnen. Warum aber soviel? Gegenfrage: Warum hat meine Mitbewohnerin Nagellack in 40 Farben? Sie hat lediglich zehn Finger. Und da sind die Daumen schon mitgezählt!

Beta-Seppo ™ war zu jener Zeit hinter einer Frau her, die auf den Namen Mareike hörte. Auch heute muss ich noch sagen, was für eine ausgesprochen hübsche Frau. Umwerfend. Nicht model-mäßig, was ich nicht einmal als Wichsvorlage attraktiv finde, sondern einfach mal umwerfend. Braunes Haar, äußerst lockig und sensationelle Augen. Unfassbar große Augen. Ich konkurrierte damals um sie mit einem Typen, der heute beim WDR moderiert und nach wie vor kein Bartträger ist. Um es vorweg zu nehmen: Wir beide „gingen“ mit ihr, teilweise überschnitt sich das sogar, was mich etwas irritierte und ihn sicherlich auch. Heute kann ich sagen, dass das Mädel vermutlich nicht genau wusste, was es wollte. Ich habe damals etwa ein Jahr lang unter ihrer Unentschlossenheit gelitten, bis ich sie dann aus meinem Leben strich. So etwas würde mir heute nicht mehr passieren (naja), zumal Mareike wahnsinnig ironie-resistent war, was immer wieder zu Missverständnissen führte. Jahre später konnte ich nicht mehr nachvollziehen, was ich überhaupt an dieser Frau fand. Rein optisch allerdings bin ich bei diesem Muster geblieben. Seltsam, dass blond mich so gar nicht reizt. Ich erinnere mich nicht an eine blonde Frau in meinem Leben. Und der Umkehrschluss gilt ebenfalls.

Ach, verdammt. Stimmt gar nicht. Da war noch Verena. Sie moderiert nun bei „N-TV“, einer Art Nachrichtensender. Sie war und ist blond. Verdammt, sie hat mein Muster durchkreuzt. Nicht aber das Muster, das vorsieht, dass Beta-Seppo ™ stets erfolglos hinter Frauen her war. Verena, „Vroni“, wollte nicht. Später haben wir zusammen Wirtschaftspolitik studiert, ich erinnere mich an tolle Lernphasen! Sie verstand übrigens Ironie.

Beta-Seppo ™ hat seinen Bart tatsächlich alle elf Tage abrasiert, um ihn dann wieder wachsen zu lassen. Mein Mathe-Lehrer, Herr Hoogland, der mir in Mathe gerne eine 5 (und in Informatik eine 4) gab, womit ich nicht einverstanden war, machte sich offen darüber lustig. Er selber war und ist Vollbart-Träger. Ich kann ihn heute verstehen.

„So, einige kenne ich ja noch aus der siebten Klasse“, sagte er, als er uns in der elf wieder begegnete, „dich, Sebastian, erkenne ich wieder. Was ist das da in deinem Gesicht? Sind das wirklich Haare?“ Heiteres Gelächter im Mathekurs, während ich wusste, dass ich in Mathe von „gut“ wieder auf „mangelhaft“ rutschen würde.

Und wenn ich bei mir von „Bart“ schreibe, meine ich die Art Bart, die man „Gesichtsfotze“ nennt, also einen Wuchs, der die Oralregion umgibt, sich von den Wangen aber fernhält. Geht heute gar nicht mehr. Finde ich grauenhaft. Und schon damals war die Damenwelt gespalten, während mir nach und nach immer mehr Mitschüler folgten, bis irgendwann meine komplette „peer-group“ mit Gesichtsfotze rumlief.

Bemitleidenswert erfolglos bei Frauen – das sollte sich 1998 ändern, sich ins komplette Gegenteil verkehren. Ich ging zum Frisör und ließ mir das Haupthaar abrasieren. Meine Mutter fiel nahezu in Ohnmacht, konnte es nicht fassen, während ich von der ersten Sekunde an von meinem Spiegelbild begeistert war. Mein damals bester Freund, Sven, sagte: „Du siehst scheiße aus“, was ich aber unter Neid einordnete, während einige Mädels sagten: „Vorher sah aber auch nicht schlecht aus“. Eine sagte zu mir „Du siehst jetzt aus wie ein Nazi“ und ich dachte, aber leider nicht laut sagte „Du siehst aus wie ein Pferd“. Letztlich aber legte Beta-Seppo extended version ™ eine beispiellose Erfolgsserie bei Frauen hin. In guter Erinnerung bleibt mir Kathrin aus Gelsenkirchen, mit der ich es am Strand in Frankreich trieb, während mir mein Portemonnaie aus der abgelegten Hose gestohlen wurde. Nun hatte ich mich auch ein wenig in Kathrin verknallt, doch leider hatte sie bereits einen Freund. Welch‘ missliche Situation. Auch moralisch nicht ganz einwandfrei, doch der Trieb sollte damals sich darüber hinwegsetzen. Heute würde ich ohne zu überlegen anders entscheiden. Oder? Hmm. Schwierig. Wenn man so richtig liebt? Da trifft man gerne mal falsche Entscheidungen. Auch davon kann ich ganze Opern singen. Kathrin ist heute Sozialarbeiterin in Gelsenkirchen und sieht nach wie vor wahnsinnig sexy aus. Sie ist brünett. Natürlich.

Beta-Seppo extended version ™ kam auch sehr gut bei Sandra an. Sandra allerdings kam bei Beta-Seppo extended version ™ nicht so gut an. Dennoch hatte ich einen gewissen Kontakt mit ihren Brüsten. Unfassbare Brüste. Im Wortsinne, eine Hand genügte da nicht. Doch viel weiter ging es nicht, ich wurde moralisch etwas reifer und wollte da nichts ausnutzen. Verdammt. Diese verdammte Vernunft! Ich erinnere mich noch gut an das sehr ernste Gespräch bei einem Eis, in dem ich ihr die Möglichkeiten unserer Zukunft aufzeigte: es gab keine. Heute ist Sandra Fleischfachverkäuferin. Oder wie auch immer man das nennt. Sandra war brünett. Aber erst als sie erfuhr, dass ich auf brünett stehe. Sie verbog sich für mich, was nicht für sie sprach.

Natur-brünett war Kathrin #2, mit der ich dann wirklich zehn Monate zusammen war. Meine erste ernsthafte Beziehung, an die ich mit Schaudern zurück denke. Kathrin #2 hat sich ebenfalls für mich verbogen, was ich absolut abschreckend finde. Ich hatte anfangs sie hier und da ausgenutzt, das gebe ich ganz offen zu. Ich merkte schnell, sie tut alles für mich. Aber genau das war dann letztlich das Problem. Das ist unsexy. Ich schätze Frauen, die wissen, was sie wollen, die Ansprüche stellen und sich nicht reinreden lassen. Nach zehn Monaten beendete ich die Nummer, war lediglich eine Woche lang deprimiert darüber und sah sie nicht einmal wieder bis heute, was auch gerne so bleiben darf.

Was ich früh mit 6 Milimeter Haaren festgestellt hatte, war, dass Frauen dazu neigen, mit ihrer Hand über die Borsten zu streichen. Mein Kopf war somit eine Einladung für viele. Optisch polarisiert so eine Frisur natürlich, zumal ich bereits mit Humpty Dumpty, einem Ei mit Hut, verglichen wurde. Die einen fanden den rasierten Kopf geil, die anderen waren mehr oder weniger abgestoßen. Mareike übrigens äußerte sich zurückhaltend kritisch, ihre Blicke aber waren weniger zurückhaltend. Doch ich begann damals mich mehr und mehr davon zu lösen, was andere über mich denken, fand meinen Weg. Aus dem orientierungslosen, armen Irren wurde so etwas wie ein Mann. Ein langsamer Prozess, der noch anhält. Gerade im zurückliegenden Jahr habe ich einiges gelernt. Polarisieren ist übrigens interessanter, als irgendwo im grauen Mittelmaß rumzueiern, das gilt für mich inzwischen in allen Lebensbereichen. Zunehmend ist mir die Meinung anderer egal – aber keinesfalls gleichgültig! Ich bitte da zu unterscheiden.


Erleben wir im nächsten Teil der heiteren Serie „Darum Bart“, wie aus Beta-Seppo ™ Seppo final version ™, aus einer Gesichtsfotze ein Vollbart und aus einer Glatze eine Art Frisur wurde! Und wer mir auf Facebook und/oder Twitter folgt, hat die einmalige Chance auf eine Nacht mit mir!


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