Jetzt ist es mir passiert. Vielleicht sogar schon wieder. Mangels Umsichtigkeit habe ich eine Figur aus meinem „Figurenuniversum“ ruiniert. Völlig ohne Not habe ich die gute Seele Herrn Kitzler, der hier seinen ersten Auftritt hatte, zu einem Nazi gemacht, wie auch ein Leser nicht unkritisch anmerkte. Und es kommt ja noch schlimmer! Hier schreibe ich bereits, dass Herr Kitzler die Bundesseppoblik, deren Kanzler er seit gestern ist, verlassen habe! Das passt hinten und vorne nicht zusammen, lässt man einmal großzügig außer acht, dass ich Herrn Kitzler irgendwann schon einmal umgebracht hatte.

Nun also steht der Autor vor zwei Problemen: Zum einen bereut er inständig, eine sympathische Figur zu einem Nazi 3.0 gemacht zu haben, zum anderen muss er seinen Lesern die Unlogik seines Universums vermitteln. Gegenüber den weiblichen geht das ja noch, da diese sich in der Welt der Unlogik heimisch fühlen. Sie wären eher irritiert, wenn sich ein Handlungsstrang der Logik folgend entwickelte. Doch wie erkläre ich es den Männern, zuhausend in der Welt der Rationalität?

Es gibt Vorbilder. In der Welt der Superhelden („Marvel“, „DC“, …) gibt es stets Paralleluniversen. Ich bin in dieser Comicwelt nicht zuhause, weiß aber zumindest, dass auch ein Batman bereits mehrere Male gestorben ist. Und doch steht er immer wieder auf. Das wird dann einfach damit erklärt, dass es sich um jeweils unterschiedliche Universen handele. Könnte ich diesen Kniff nicht auch einfach für mich in Anspruch nehmen?

Es gibt eine andere Möglichkeit, von der ich durchaus schon einmal Gebrauch gemacht habe. Ich könnte jetzt schlicht den Namen „Kitzler“ aus dem gestrigen Artikel durch einen anderen, neuen ersetzen – und so tun, als wäre Herr Kitzler nie kurzzeitig Nazi gewesen. Doch das wäre ein heikles Vorgehen, da es bereits vorhandene Leserkommentare ins Absurde führen würde – sie stünden schlecht da, völlig zusammenhangslos. Und den Leser, den würde ich damit ohnehin verwirren, wenn im Nachhinein Namen verändert würden. Mit der Figur des Schornacks verfuhr ich vor einiger Cait aber genau so. In einem Text über den G20-Gipfel wurde Schornack zu einem Linksradikalen. Einige Tage später allerdings passte das nicht mehr in meinen großen Plan, da Schornack eigentlich keine ausgedachte Person ist; ihn gibt es wirklich. Noch gestern sah ich ihn das letzte Mal. Ich ersetzte im Juli dieses Jahres im G20-Artikel den Namen Schornack durch „Grommek“, Schornack war reingewaschen.

Wie aber wasche ich nun Herrn Kitzler rein? Immerhin geht diese Figur auf einen sehr lustigen Abend zurück, den meine Mitbewohnerin und ich mit ein paar Freunden hier bei uns in der Wohnung verleben durften. Auch diese Freunde habe ich nun verraten, dadurch, dass ich Herrn Kitzler zum Nazi gemacht habe. Mea Culpa. Denn ich habe eines -Achtung, jetzt beginne ich mich zu winden! – gar nicht erwähnt:

Herr Kitzler hat einen Zwillingsbruder! Und natürlich, auch der heißt Herr Kitzler! Was für mich natürlich selbstverständlich ist, kann es für den Leser, der darum nicht weiß, nicht sein. Darum informiere ich ihn auf diesem Wege. Um künftig also besser zwischen den beiden Kitzlers unterscheiden zu können, führe ich nun ihre Vornamen ein.

Unser sympathischer Herr Kitzler trägt den Vornamen Kurt. Der Nazi-Kitzler wiederum heißt Karl. Im gestrigen Text agierte also Karl Kitzler, nicht Kurt Kitzler. Karl Kitzler wohnt allerdings seit einiger Zeit bei Kurt Kitzler, der von den gestern geschilderten Ereignissen gar nichts mitbekommen hatte. Aber, lustig!, lustig!, auch Karl Kitzler, also der neue Herr Kitzler, leidet an Demenz. Wir wissen, Demenz ist erblich, beide Kitzler-Brüder eint somit dieses Schicksal.

Und nun bin ich hin- und hergerissen, ob ich nicht einfach, um diese Quelle des Missverständnisses versiegen zu lassen, Herrn Karl Kitzler (den Nazi) einfach sterben lasse. Doch ich weiß natürlich, dass meine Leser skeptisch werden, sobald Figuren bei mir sterben. Denn: Sie kommen ja doch wieder.

Das ist keine Absicht, das passiert mir manchmal. Ich glaube, auch mein Gefährte Merugin war schon einmal tot, was ich allerdings vergessen hatte. Lara! Über sie brauchen wir gar nicht zu reden. Zuletzt habe ich sie aufwendig ermordet und plötzlich stand sie wieder vor meiner Tür. Diese Reinkarnation bereue ich, denn seien wir mal ehrlich: Die Figur Lara zieht einfach nicht mehr. Oh, wie ich gerade sehe, wurde sie von einem Zug überrollt. Lara ist Geschichte.

Wer zieht nun in Laras frei gewordene Wohnung ein?! Die Frage stellte ich vor langer Zeit dem hiesigen Leser. Nie verkündetes Ergebnis der Leserwahl: Grundgut Gestern sollte Lara folgen. Bis heute habe ich diese Figur nicht eingeführt. Stattdessen unterlief mir, auch wieder gestern, ein weiterer Fauxpas: Ich ließ Familie Özüözü in Laras Wohnung einziehen. Nun würde ich ja sagen, die müssen da wieder raus! Weil ich natürlich nicht den Leserwillen so ignorieren darf! Doch: Kann ich eine Familie mit dem Namen Özüözü einfach so vor die Tür setzen? Angesichts der vielen Gutmenschen im Internet, die sofort protestieren würden?! Wie kann man nur eine türkische Familie einfach so vor die Tür setzen?!

Nun, das geht sehr einfach. Denn wo schreibe ich, dass es sich um eine türkische Familie handelt? Und außerdem kann ich Familien jedweder Nationalität vor alle möglichen Türen setzen! Doch bei Özüözüs ist das gar nicht notwendig. Sie sind vor einigen Tagen ausgezogen, da Herr Dr. Özüözü eine neue Stelle irgendwo in Sachsen-Anhalt antritt. Ich wünsche ihm viel Erfolg. Bin gespannt, wer als nächstes dort einzieht. Hoffentlich nicht Karl Kitzler!

Wobei, unwahrscheinlich. Denn Karl Kitzlers Demenz‘ Stadium ist deutlich weiter fortgeschritten als das seines Bruders Kurt. Es bringt Karl Kitzler bereits aus dem Konzept, konfrontiert man ihn mit seinem Spiegelbild. Das kriegt sein Hirn nicht mehr auf die Reihe. Viel dramatischer wird es, stellt man neben ihn auch noch seinen Zwillingsbruder Kurt Kitzler vor denselben Spiegel! Für Karl Kitzler nicht zu begreifen, diesen Scherz sollte man also unterlassen.

Haben wir aber nicht! Meine Mitbewohnerin und ich, zufällig war es gestern, waren bei den Kitzlers in der Wohnung. Dazu braucht es einen Grund. Der Leser ist nicht bereit, das einfach so ohne Begründung hinzunehmen. Nun, was war der Grund? Gleich fällt mir bestimmt einer ein! Der Grund dafür, dass meine Mitbewohnerin und ich uns in der Wohnung der beiden Kitzlers aufhielten war der, dass, na, schon gespannt?, war der, dass wir uns schon vor Wochen dazu bereit erklärt hatten, die Rauchmelder des gesamten Hauses zu kontrollieren. Nun, was qualifiziert uns dafür? Ganz einfach. Bereits in unserem gemeinsamen Urlaub hat es meine Mitbewohnerin ganze zwei Mal geschafft, den Rauchmelder unserer Ferienwohnung zu aktivieren. Sie hat zwei Mal meinen Leberkäse anbrennen lassen! Dieses Vorgehen gilt seitdem international als anerkannter Rauchmelder-Funktionstest. Und so gingen wir beide gestern hoch zu den Kitzler-Brüdern und brieten Leberkäse. Wie erwartet, schlugen die Rauchmelder an. Die dementen Kitzlers wussten das laute Fiepen nicht einzuordnen und liefen panisch durch ihre Wohnung. Dabei passierten sie zufällig den großen Spiegel im Flur. Herr Karl Kitzler, der Nazi, blickte in den Spiegel, sieht neben sich drei weitere Kitzlers – phänotypisch alle gleich, da eineiig – und nahm sich, dieses nicht begreifen könnend, mit der Schaufel, die zufällig im Flur stand, das kostbare Leben. Karl Kitzler ist nicht mehr. Tragisch, keine Frage, aber das Leben ist nun mal keine Komödie, zumindest nicht immer.

Kurt Kitzler, der also, den wir mögen, ist das egal, da er seinen Bruder nie gemocht hatte. Er zog den Leichnam dessen an seinen Füßen ins Schlafzimmer und schob ihn unter das Bett.

„Dann sieht ihn keiner“, erklärte er uns sein Vorgehen. Wir stimmten ihm zu, schalteten die Rauchmelder wieder ab, aßen noch zusammen fröhlich lachend den Leberkäse, bevor meine Mitbewohnerin und ich wieder in unsere Wohnung gingen, wo sie mir eine Hühnersuppe kochte, denn über all dieses sollten wir eines nicht vergessen: Ich bin noch krank und gehe gleich zum Arzt. Wie doch Karl Kitzlers Schicksal dagegen verblasst!


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