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Seit nun vier Wochen mache ich unter Anleitung eines persönlichen Trainers ein so genanntes Körpertransformationsprogramm, das ich hier seppofit ™ nenne. Früher nannte man das noch „Sport“. Dorian Black ist jener mich stets anfeuernde Trainer, der mir kürzlich zurief „Awesome, Seppo!“, worauf ich ihm eine in die Fresse hätte schlagen können, weil ich ohnehin schon grundaggressiv bin, wenn ich während des Kraftausdauerprogrammes kraft- und ausdauerlos am Boden liege und ein Trainer meint, Dinge sagen zu müssen wie „Du gibst schon auf?! Bist du ein Weichei?!“ oder „Du packst das!“. Aber „awesome“?!?! Was zur Hölle ist los mit dem Deutschen, dass er seine Sprache fickt?!

Vier von zwölf Wochen des auf mich zugeschnittenen Programmes liegen schon hinter mir, das sind 20 von 60 Trainingseinheiten, derer ich pro Woche somit fünf absolviere. Ein aufmerksamer Leser wies mich kürzlich darauf hin, dass das zu viel des Guten sei, da ich doch nach jedem Trainingstag einen Regenerationstag einlegen müsse. Solche vermutlich gut gemeinten Anmerkungen regen mich deshalb immer ein wenig auf, weil sie pauschal und falsch sind und überdies nach Halbwissen riechen, auch wenn jener Leser sich auf seine Freundin berief, die Trainerin sei. Ich bin sicher, auch sie weiß es natürlich besser. Tatsächlich bedarf es Regenerationstage, andernfalls riskiert man einen negativen Trainingseffekt. Doch diese freien Tage beziehen sich auf die einzelnen Muskelgruppen. Trainiere ich montags den Bizeps, darf der sich dienstags regenerieren, während ich beispielsweise dann den Quadrizeps malträtiere, der sich wiederum erholen darf, wenn ich mich der seitlichen Bauchmuskeln annehme. Auf die Weise übrigens wird so ein Trainingsprogramm ausgesprochen abwechslungsreich.

Nach vier Wochen kann ich eine kleine Zwischenbilanz ziehen. Gerade teilte ich Freundin Sophie mit, dass „Burpees“ ein Witz sind und „Walking Lunges“ die wahren Stimmungskiller. Das verlinkte Video zeigt in etwa die Variante, die ich ausführe, beispielsweise sechs Sätze à 40 Schritte. Während der ersten 20 Schritte denkt man noch, kein Ding, das ist einfach, doch jenseits der 30 beobachtet meine Mitbewohnerin mich fluchend durch die Wohnung „gehen“. Nicht nur, dass die Dinger höllisch anstrengend werden, man sehnt sich nach Knieschonern, sofern man nicht über Teppichboden flaniert. Diese Übung macht mich jedes Mal aufs Neue hochaggressiv, zumal unser Wohnungsflur mitnichten lang genug ist für 40 Schritte, sodass ich von Raum zu Raum lunge, dabei laut fluche. Burpees hingegen lassen mich inzwischen kalt.

Dorian hat mir vor vier Wochen, als wir loslegten, versprochen, ich würde an Ausdauer und Muskelmasse zulegen. Das tue ich in der Tat messbar, ordne diese Effekte jedoch eher meinem Hanteltraining zu, auf das ich nicht verzichten will, da Dorians Trainingsprogramm lediglich 30 Minuten dauert, was mir etwas zu billo ist. Mein Training mit externen Gewichten nimmt pro Tag zörka zwei Stunden in Anspruch, dem folgt in etwa eine Stunde des Laufens. Nebenbei erwähnt: Man muss früh aufstehen, um dieses Pensum bewältigen zu können, bei mir ist das sechs Uhr. Da ich schon immer gerne früh aufstand, stellt das kein Problem dar.

Zudem prophezeite Dorian mir eine Gewichtsabnahme. Ich stelle eher das Gegenteil fest, was er dann dem Muskelzuwachs ankreidet. Da es mir zum einen bei Sport nicht um Gewichtsverlust geht und ich zum anderen ohnehin glaube, dass es einer Ernährungsumstellung bedarf um abzunehmen, die ich aber ablehne, weil ich mich nicht beim Essen geißeln will, ist mir das Gewicht an sich egal, ich habe es gut im Griff – mit und ohne Sport. Doch stelle ich fest, dass dieses ewige Versprechen nicht immer gehalten wird. Wer nur Sport treibt der Abnahme wegen, der ist auf einem Irrweg, der sollte zusätzlich an der Ernährung schrauben. Gerade vom Laufen darf man nicht zu viel erwarten. Sich nach jeder Mahlzeit den Finger tief in den Rachen zu schieben, ist da effektiver, aber auch ausgesprochen ungesund. Sport treibe ich aus gänzlich anderen Motiven.

In den zurückliegenden vier Wochen habe ich einige Veränderungen beobachtet. In den Wochen eins und drei war ich körperlich ausgesprochen müde, nahezu ein Wrack. In dieser nun endenden Woche fühle ich mich hingegen sehr fit, sieht man davon ab, dass ich gestern, an einem Freitagabend, sehr früh schlafen ging, weil ich meine Beine nicht mehr gespürt habe und meine Bauchmuskeln brannten. Die zweite Veränderung bezieht sich auf meinen Schlaf. Ich schlafe wie ein Gott, sofern man unterstellt, dass Götter extrem gut schlafen. Ich schlafe besser denn je, was aber auch mit dem geregelten Schlafrhythmus zu tun haben dürfte. Schlaf ist individuell, für so ziemlich jeden Menschen gilt aber, dass ein Zubettgehen vor Mitternacht dem Biorhythmus schmeichelt.

Als drittes fällt mir mein massiver Hunger auf. Ich esse viel. Die Ursache liegt natürlich auf der Hand. Auch nach Sex neige ich dazu, plötzlich viel essen zu müssen. Für die Massen, die ich esse, halte ich mein Gewicht innerhalb gewisser Grenzen sehr gut, so gesehen muss ich meinem Trainer Dorian Recht geben. Sein Glück, denn ich bezahle ihn dafür, dass er jede Woche aufs Neue ein Trainingsprogramm für mich zusammenstellt.

Immer freitags bekomme ich den Plan für die Folgewoche. Woche fünf wird härter werden, soviel habe ich bereits gesehen. „Walking lunges“ werden auf auf Burpees treffen, das hat die Qualität eines Hitler-Stalin-Paktes. Dennoch werde ich das Training nun bis zum Ende führen, hatte ich anfangs ja gesagt, ich gebe Dorian vier Wochen Zeit, mich zu überzeugen. Er hat mich überzeugt, aber auch nur, weil ich den Versprechen dieser Körpertransformationsprogramme ohnehin nicht Glauben schenke. Zumindest nicht in dem versprochenen Ausmaß.

Ich neige hier zum Angeben, das ist mir klar, jedoch beschreibe ich lediglich die Wirklichkeit. Ich musste mir gestern neue Hemden kaufen, weiße. Denn alle meine weißen Hemden passten mir nicht mehr (was mit der Farbe nichts zu tun hat). Der Schulterbereich, hier ist der Kapuzenmuskel zuständig, hat eine Dimension erreicht, die nicht mehr in jene Hemden passt. So etwas motiviert natürlich ungemein, ist aber auch die Ernte sehr harter Arbeit. Und macht diese Spaß?

Gute Frage, Seppo. In der Regel mache ich diesen Sport gerne. Während ich beim Laufen jedes Mal den inneren Schweinehund überwinden muss, freue ich mich auf das Krafttraining. Wenn ich feststelle, dass die 30 Kilo an Hantelscheiben, die vor drei Wochen noch eine Herausforderung waren, inzwischen machbar geworden sind. Oder wenn ich feststelle, dass meine Mitbewohnerin schon feucht wird …

Schlimm wird es hingegen, wenn ich weiß, ich muss gleich 40 „Walking Lunges“ machen. Da hilft nur das Wissen, dass auch das schnell vorübergeht. Meine Misslaune ist dabei jedoch sehr ausgeprägt, da verfluche ich die Unternehmung lautstark, was dann auch meiner Mitbewohnerin massiv auf die Nerven geht.

Dass der Sommer nun an Intensität etwas nachlässt, kommt mir sehr entgegen, da die Trainingseinheiten sich teilweise erstaunlich schweißtreibend gestalten, sodass der Wohnzimmerboden vollgetropft und die Sportmatte mit Schweiß vollgesogen ist. Einmal brach ich ab, da ich Angst um das Laminat hatte. Das ist kein Scherz. Leider verbietet mir Dorian während des Sports Durchzug, weil dabei die Muskeln Schaden nehmen können. Im Grunde habe ich Burpees in der Sauna gemacht, was die teilweise Erschöpfung erklären könnte. Ich sehe dem Herbst also freudig entgegen. Und meiner neuen Sportmatte.

„Seppo, die Matte stinkt ekelerregend“, informierte mich meine Mitbewohnerin, als wiederum sie Sport auf meiner Matte trieb.

„Ja, das ist mein Schweiß. Das ist mein Schweiß vieler Jahre. Wir brauchen eine neue Matte. Dringend.“

Seit etwa einem Jahr will ich eine neue Matte kaufen, nur um jedes Mal im Sportgeschäft, sei es „Sportarena“ oder „Karstadt Sport Sports Karstadt“ festzustellen, dass diese bis zu 80 Euro kosten können. Die für zehn Euro taugen hingegen nichts, sodass ich den Neukauf jedes Mal verschob. Gestern zwang mich meine Mitbewohnerin zu handeln. Sie mag offenbar meinen Geruch nicht, den ich schon mit Teppichschaum zu bekämpfen versuchte:

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Auch zwei Flaschen „Febreze“ sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein und da Febreze nicht billig ist, wäre sogar eine 80-Euro-Matte auf Dauer günstiger. Gestern kauften wir eine „Yoga-Matte“ für 30 Euro. Entscheidendes Kriterium: Sie saugt den Schweiß nicht auf. Er verbleibt auf der Oberfläche, sodass man darauf ausrutscht.

Ein sportlich Aktiver wird es wissen, ich sage es für die Abstinenzler: Es muss nicht immer ums Abnehmen gehen. Das kann ich schon gar nicht mehr hören. Es geht um eine gewisse Grundausdauer und vor allem geht es doch um die Auswirkungen auf die Seele, oder weniger pathetisch, auf die Stimmung. Was ich schon vor 15 Jahren beim Laufen beobachtet habe, trifft auf den Kraftausdauer-Sport vielleicht noch viel stärker zu: Egal, wie es einem vor der Trainingseinheit geht, danach geht es einem grundsätzlich besser. Alltagsprobleme, von denen ich derzeit genug habe, lassen sich viel nüchterner und optimistischer betrachten, ohne dabei in eine Utopie zu verfallen, und das Einstellen eines gewissen Tatendranges ist auch nicht zu verachten. Man muss es nur angehen und das auf keinen Fall halbherzig nach dem unsäglichen Motto „Ach, ich müsste auch mal wieder“. Das klingt schon nach dreimal pro Woche ’ne halbe Stunde den Fuß anheben, das Ziel muss ein höheres sein.

Für mich geht es nun in den Urlaub, über den ich hier im seppolog berichten werde. Auch dort werde ich das Sportprogramm selbstredend fortführen! Einstweilen wünsche ich ein schönes Wochenende, ich gebe mir heute Abend ein, zwei Kanten, da ich mir das verdient habe.


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